Pilger

"Das ist Glück für mich"

Johannes Paul II. (Aufnahme vom Oktober 1979)
Johannes Paul II. (Aufnahme vom Oktober 1979) © picture alliance / dpa / Martin Athenstädt
Von Marta Kupiec · 19.04.2014
In einer Woche soll Papst Johannes Paul II. in Rom heiliggesprochen werden. Fast jede polnische Gemeinde organisiert aus diesem Anlass eine Pilgerreise. Auch in Berlin bereiten sich Polen auf den hohen Tag vor – und gedenken ihrem weltberühmten Landsmann.
Vor dem Eingang zu der St. Johannesbasilika in Berlin-Kreuzberg hängen zwei überdimensionale Banner. Es sind zwei große Päpste, die von den Wänden der Polnischen Katholischen Mission auf die Gläubigen herunterblicken: Johannes Paul II. und Johannes XXIII. Manch einer bleibt stehen, macht Fotos und verschwindet im Vorraum der Kirche, wo die Stimme des polnischen Papstes erklingt.
Kurz vor der Heiligsprechung der beiden Päpste in Rom erinnert die polnische katholische Gemeinde Berlin an das Erbe des großen Polen, Karol Wojtyła. Wer zu der Messe kommt, wird in die alte Zeit zurückversetzt – als Millionen von Polen ihren Heiligen Vater mit Standing Ovations empfangen haben. Und es vergeht keine Messe ohne eine Litanei, bei der nicht der Name des Seligen fällt.
Die polnische Community in Deutschland bereitet sich auf den Tag der Heiligsprechung ihres Papstes schon lange vor. Filmvorführungen, Ausstellungen erinnern an das Erbe des polnischen Papstes, sagt einer seiner Verehrer, der Gemeindepfarrer, Marek Kedzierski.
Lebendig in Gebeten, Reliquien und Erinnerungen
"Für mich ist das ein besonderes Vorbild. Mein Philosophie- und Theologiestudium – das war der Anfang des Pontifikats. Wir haben in unserer St. Johannes Basilika Reliquien vom Papst Johannes II. Wir glauben, dass Johannes Paul II. bei uns ist, in dieser Reliquie, in unseren Gebeten und in Erinnerung. Er möchte helfen. Migranten, allen Leuten, die hier leben. Das ist eine Hilfe für meinen Dienst als Missionar. Die Jugendlichen kennen nicht das Pontifikat. Das ist unsere Aufgabe, das Leben von Johannes Paul II. vorzustellen."
Jeder, der kann, versucht, den ersten Sonntag nach Ostern in der Ewigen Stadt Rom zu verbringen. Da sich ganze Gemeinden auf den Weg machen, werden vor den Toren der Ewigen Stadt Tausende von Bussen mit polnischen Autokennzeichen parken. Auch die polnische Gemeinschaft in Berlin schickt für vier Tage eine Vertretung nach Rom. Diesmal geht es bequem mit dem Flugzeug.
"Wir bereiten diese Reise vor, seit 2013. 50 Personen pilgern dorthin und nehmen an der Heiligsprechung teil. Aber es gibt viele, die sich auf diese Reise selbst vorbereiten. Sie fahren mit dem Auto, mit dem Bus oder Flugzeug. Sie wollen alleine dort bleiben. Ich bin sehr zufrieden, das ist Glück für mich."
"Wir hatten ihn sehr geliebt"
Barbara von der Berliner Gemeinde steht auf der Teilnehmerliste. Nach Rom wird sie ihren Lieblingsrosenkranz mitnehmen mit weißen Perlen und einem Medaillon in der Mitte, auf dem der lächelnde Pontifex zu sehen ist. Auch eine weiß-rote polnische Fahne darf in ihrem Gepäck nicht fehlen. Sie soll über dem Petersplatz wehen, ähnlich wie damals, als sie in den letzten Jahren von Johannes Paul II. einem leidenden Papst begegnet ist. Bald wird sie einem Heiligen zuwinken, scherzt die Rentnerin.
"Ich war dort vor 20 Jahren, auch mit einer Pilgergruppe aus Berlin. Wir haben den Papst vor dem Fensterchen gesehen. Er war damals krank. Ich habe mir damals einen Rosenkranz gekauft, er erinnert mich immer an den Papst. Das war ein sehr guter Papst. Er war ein Pole, zum ersten Mal ein polnischer Papst. Er war offen zu den Menschen, er hatte ein Charisma. Wir hatten ihn sehr geliebt."
Roman, 62, kann dem zustimmen. In seiner Berliner Wohnung hängt ein Papstbild, Bildbände säumen das Bücherregal und er trinkt aus einem Papstbecher. Auf die Reise nimmt Roman ein Baseball-Cap mit. Auch darauf darf Karol Wojtyła nicht fehlen. Jetzt freut er sich auf die Heiligsprechung.
"O ja, der Tag ist für mich ein besonderer Tag. Ich packe jetzt schon zusammen, obwohl ich bisschen Zeit habe. Das wird ein Weltereignis sein, ein Treffen von Menschen aus der ganzen Welt. Ich kann mich erinnern an seinen Tod, viele haben ihn gesehen als Heiligen. Ich kann mich erinnern an diese Plakate mit 'heilig ab sofort', und jetzt ist es so weit."
Viele Polen nach wie vor für Zölibat
Ein Pilger, der mit Großen und Kleinen dieser Welt auf Tuchfühlung war, unermüdlich beim Verkünden von Christi Botschaft, ein unbeugsamer Abtreibungsgegner, der das Leben schützen wollte – so ist Karol Wojtyła in Romans Erinnerung geblieben. Doch viele denken anders, bedauert er.
"In Deutschland hört man oft kritische Worte über seine Amtszeit. Man sagt, dass er sehr konservativ war. Er konnte die Kirche nicht so reformieren, wie man es von ihm erwartet hat. Das würde sich widersprechen mit dem Fundament des Glaubens. In Deutschland hört man oft, die Priester sollen jetzt auch heiraten können. Aber ich weiß es nicht, ob man das verbinden kann: Familie und dieser Diener für die Kirche zu sein."
Roman spricht aus dem Herzen vieler Polen, die ihre Seelsorger nach wie vor lieber unverheiratet sehen möchten und das Frauenpriestertum ablehnen, obwohl auch solche Diskussionen in Polen geführt werden. Selbst für die junge Generation, die nicht mehr streng nach den zehn Geboten lebt, ist Johannes Paul II. ein Idol. Philipp spielt immer noch mit den Gedanken in letzter Minute als Backpacker nach Rom zu gehen. Was er über den Papst weiß, verdankt der 20-Jährige seinen Eltern. Stolz zeigt er einen Stapel aus Papstbildchen, die er als Kind gesammelt hat. Der Geografiestudent wandert gerne, "sein" Papst tat es auch.
"Ein großer Mensch ist von uns gegangen"
"Er ist doch, glaube ich, so ein Vorzeigepapst. Der war nicht nur Theologe, Denker, sondern er konnte an uns Jugendliche gut appellieren. Unser Papst hat die Berge sehr geliebt – wir sind die Wege gelaufen, wo er auch gelaufen ist. Wir sind an den Orten gewesen, die er geliebt hat. Er ist vor Jahren so lebendig gewesen wie heute noch, was ich nicht erklären kann, aber nachvollziehen."
Ewa war neun, als der polnische Pontifex starb. Warum ihre Großmutter in Tränen ausgebrochen ist, war ihr damals unklar. Heute weiß sie, weshalb der weltberühmte Pole einen Heiligenschein verdient.
"Ich weiß, wie sie sagte, dass ein großer Mensch von uns gegangen ist. Noch bis heute finde ich, dass sein Wirken aktuell ist. Zum Beispiel mit den Weltjugendtagen, die er ins Leben gerufen hat. Ich finde, er war ein unglaublich charismatischer Mensch. Ich finde es wichtig, dass er mit Dalai Lama eine Freundschaft gepflegt hat, dass er in eine Synagoge, in eine Moschee gegangen ist. Man konnte ihn als sehr offenen und sehr menschennahen Papst sehen."