Hammerskins-Verbot

Das Millionengeschäft mit dem Rechtsrock

Drei Männer und eine Frau stehen auf dem Areal des Neonazi-Festivals "Schild und Schwert" vor einer Bühne.
"Rechtsrockland" prangt auf dem T-Shirt eines Besuchers des Neonazi-Festivals "Schild und Schwert" im sächsischen Ostritz. © picture alliance / dpa / Daniel Schäfer
22.09.2023
Die Hammerskins haben als wichtige Rechtsrock-Organisatoren gegolten. Über Konzert- und Musik-Einnahmen generierten sie Geld für die extreme Rechte. Welche Folgen hat das Verbot und welche Rolle spielt Rechtsrock für die Szene?
Rechtsrock ist ein einträgliches Business. Hinter dem Millionengeschäft mit Konzerten, Musik und Merchandising-Produkten steckt auch und vor allem die kürzlich von Innenministerin Nancy Faeser verbotene rechtsextremistische Organisation Hammerskins Deutschland.

Welche Rolle spielen die Hammerskins im Musik-Business der extremen Rechten?

Die Hammerskins spielen für die rechtsradikalen Musikstrukturen in Deutschland, aber auch international eine zentrale Rolle. Sie organisieren Rechtsrock-Konzerte, betreiben Labels und vertreiben Neonazi-Musik.
Neben den in Deutschland 2000 verbotenen Netzwerk Blood and Honour sind die Hammerskins das „zweite ganz große Netzwerk, was sämtliche Bereiche des extrem rechten Musiklebens bespielt“, sagt Thorsten Hindrichs, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Musikwissenschaft der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.
„Alles, was der deutsche Rechtsrock-Markt so hergibt", so Hindrichs, "liegt entweder in den Händen von ehemaligen Blood-and-Honour-Akteuren oder in den Händen von Hammerskins-Strukturen.“ Das Recherchekollektiv Exif veröffentlichte 2021 einen umfangreichen Artikel über die Strukturen der Hammerskins und zeigt darin ebenfalls auf, wie eng Rechtsrock-Bands mit der Neonazi-Gruppierung verbunden sind.
Neben Musikveranstaltungen sind auch Kampfsport-Events in rechtsextremistischen Kreisen beliebt und identitätsstiftend. Auch in diesem Bereich waren die Hammerskins aktiv. Beispielsweise haben sie laut Verfassungsschutz mit dem „Kampf der Nibelungen“ die größte europäische organisationsübergreifende Kampfsportveranstaltung in der rechten Szene organisiert.

Was bedeutet das Hammerskins-Verbot für den Rechtsrock?

Kurzfristig sei das Hammerskins-Verbot sicher ein „ordentlicher Schlag, der einiges durcheinanderbringen wird“, sagt Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs. Schließlich ist nicht klar, ob für den Herbst oder Winter angekündigte Konzerte und Festivals wirklich stattfinden werden.
Als die Organisation Blood and Honour 2000 verboten wurde, hätten unter anderem die Hammerskins das Geschäft übernommen, so Hindrichs. Nun ist es spannend, ob eine andere Organisation in die Bresche springen wird, beispielsweise die Arische Bruderschaft. "Es wäre wünschenswert, dass Ordnungsbehörden weiterhin aufmerksam sind und vielleicht solche Strukturen verstärkt in den Blick nehmen."
Langfristig werde das Verbot der Hammerskins aber nicht dazu führen, den rechtsextremen Musikbereich trockenzulegen, glaubt der Experte für rechte Jugendkultur Jan Raabe. Auch Hinrichs ist skeptisch. Letztendlich hänge das davon ab, was die Ermittlungsbehörden zutage fördern – gerade, was Finanzströme betrifft. „Es geht im Rechtsrock vor allem auch immer um Geld.“

Warum ist Rechtsrock für die rechtsextreme Szene so wichtig?

Rechtsrock ist für die rechtsextreme Szene in Deutschland für den Zusammenhalt und die Rekrutierung ausgesprochen wichtig. Das betont der Verfassungsschutz in seinem Bericht von 2022. Schließlich stelle die Musik „einen nicht zu unterschätzenden Teil der rechtsextremistischen ‚Erlebniskultur‘ dar“.
Des Weiteren verweist die Behörde auf die identitätsstiftende Funktion und die Möglichkeit vor allem Jugendliche „an die rechtsextremistische Szene sowie deren Ideologie heranzuführen und an sie zu binden“.
Eine zentrale Bedeutung hat beim Rechtsrock zudem das Geld, das durch Konzerte und Musikverkauf eingenommen und dann in die Szene fließt. Laut Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs ist das „eine Kernfunktion“ von extrem rechter Musik.

Geschäftsbereich der rechten Szene

„Meines Erachtens wären da Ordnungs- und Sicherheitsbehörden gefragt, viel genauer als bisher hinzugucken", unterstreicht Hindrichs: "Wie sind die Finanzströme, wo gehen die hin, was geht am Finanzamt vorbei und so weiter.“
Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sieht Musik- und Kampfveranstaltungen als „klassische Geschäftsbereiche“ der extremen Rechten. Das BfV betont in seinem Bericht von 2022, es habe „die Aufklärung von Finanzierungsaktivitäten von Rechtsextremisten intensiviert“.
Wie viel das Geschäft mit rechtsradikaler Musik einbringt, dazu gibt es nur wenig konkrete Angaben. 2012 beschäftigte sich eine Fachtagung der Verfassungsschutzämter aus Brandenburg und Sachsen mit dem Thema. Damals hieß es, allein in Sachsen beliefe sich der Gesamtumsatz der Musikszene auf etwa 3,5 Millionen Euro.
Laut Verfassungsschutzbericht haben 2022 insgesamt 257 Rechtsrock-Konzerte, -Liederabende oder sonstige rechtsradikal ausgerichtete Musikveranstaltungen in Deutschland stattgefunden. Dabei umfasst der Begriff Rechtsrock keineswegs nur das musikalische Genre Rock, sondern jegliche Musik, „die von der extremen Rechten für die extreme Rechte gemacht wird“, erläutert Musikwissenschaftler Hindrichs - ob Rock, Punkrock, Hip-Hop, Hard- oder Hatecore.

Weswegen lassen sich rechtsextremistische Konzerte oder Musik so schwer verbieten?

Oft werden Konzerte im Geheimen beworben. „Es wird zunehmend schwierig, das nachzuverfolgen“, sagt der Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs. Hinzu kommt, dass die extreme Rechte vermehrt auf private Immobilien zugreift.
„Immobilienkauf ist seit einigen Jahren ein heißes Thema in der extrem Rechten – Wohnung und Grundstück sind grundrechtlich relativ hoch geschützt" so Hindrichs. "Da kann die Polizei deutlich weniger machen, als wenn es eine öffentliche Veranstaltung wäre.“
Musiktexte bewegen sich mittlerweile – juristisch gekonnt – im Rahmen des gerade noch Erlaubten. „Früher war es so, dass gerade heraus gesagt wurde, was gedacht wurde. Das ist aufgrund der Verfolgung Mitte der 90er nicht mehr so. Das wird über codierte Texte gemacht, die aber für Anhänger der Szene durchaus verständlich sind“, sagt der Politikwissenschaftler Maximilian Kreter, verantwortlich für eine Studie über Strategien im Rechtsrock.

Wer sind die Hammerskins?

Die Hammerskins sind ein internationales Neonazi-Netzwerk. Gegründet wurde es Ende der 1980er-Jahre in den USA. Dessen Mitglieder sind laut Bundeszentrale für politische Bildung in mindestens zehn europäischen Ländern aktiv.
Die Organisation bezeichnet sich als Hammerskin Nation und sieht sich als militante Elite der Nazi-Skinhead-Bewegung. Die Organisation ist für ihre Gewalttätigkeit gegen gesellschaftliche Minderheiten gefürchtet. Besonders in den USA gibt es eine lange Liste an schweren Gewalttaten durch Mitglieder.
Beispielsweise erschoss 2012 in Wisconsin ein Hammerskin-Mitglied aus rassistischen und antimuslimischen Motiven sechs Menschen in einem Sikh-Tempel. Die US-Bürgerrechtsorganisation Anti-Defamation League hält die Hammerskins für die "gewalttätigste und am besten organisierte Skinhead-Organisation der USA".
Die deutsche Hammerskins-Organisation hat sich Anfang der 90er-Jahre gegründet. Als Hochburgen gelten laut Bundeszentrale für politische Bildung Sachsen, Bayern und Bremen. Genau wie beim Neonazi-Netzwerk Blood and Honour lassen sich auch bei den Hammerskins Verbindungen zur Terrorgruppe NSU finden.
Eines der wichtigen Merkmale der Hammerskins im Vergleich mit anderen neonazistischen Organisationen „ist, dass sie eher im Verborgenen agieren, Konzerte organisieren, Geschäfte machen“, sagt der Experte für rechte Jugendkultur Jan Raabe. Sie seien eine „im Hintergrund agierende, kleine, verschworene Gemeinschaft“, die aber „hinter sehr vielen Sachen steckt“.
Die Hammerskins sähen sich als "elitärer Zirkel" oder eine Art "Geheimbund", zu dem nicht jeder dazugehören solle, bestätigt auch der ehemalige Neonazi Axel Reitz. Er hatte früher oft mit Mitgliedern der Hammerskins zu tun, mittlerweile ist er in der Präventionsarbeit beim Verein Extremislos tätig.
Entsprechend habe Malte Redeker, der mutmaßliche Europa-Chef der Hammerskins, sich auch gegen ein typisches Neonazi-Aussehen ausgesprochen, so Reitz. Man wolle nicht erkennbar sein. Reitz spricht von etwa 90 Mitgliedern in Deutschland. Andere Angaben schwanken zwischen 150 bis 300.
Organisiert sind die Hammerskins ähnlich einem Motorrad- oder Rockerklub mit sehr straffen Hierarchien innerhalb der Gruppe. So gibt es beispielsweise Prospects, also Anwärter, die sich erst bewähren müssen, bevor sie Mitglied werden und innerhalb der Organisationsstrukturen aufsteigen können. Die Hammerskins unterteilen sich in regionale Ableger, sogenannte Chapters – beispielsweise das Chapter Sachsen oder das Chapter Württemberg.

Wie sinnvoll ist das Hammerskins-Verbot?

Das Verbot und Vorgehen gegen die Hammerskins war längst überfällig, da sind sich Experten einig. Eigentlich hätte die Organisation bereit 2000 gemeinsam mit Blood and Honour verboten werden müssen, sagt dazu der Neonazi-Aussteiger Axel Reitz.

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Damals hätte man sich aber dagegen entschieden, weil zu viele V-Männer in der Gruppierung gewesen seien. Ein Verbot hätte den Informationsfluss gestört.
„Experten warnen schon seit Jahren davor, dass wir mit den Hammerskins eine zentrale terroristische Struktur haben, der viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird", sagt auch der Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs. Die Razzien jetzt sind aus seiner Sicht nicht umfangreich genug; nur „sehr ausgewählte Akteure“ seien betroffen gewesen.
Andere mutmaßliche Mitglieder der Organisation blieben unbehelligt. „Mir scheint das noch eine sehr unvollständige Geschichte zu sein“, so Hindrichs.
Ob das Verbot langfristig Wirkung zeigt, hänge davon ab, wie konsequent das Verbot verfolgt wird, sagt Raabe. „Wir haben es mit hochprofessionalisierten Menschen zu tun, die werden wegen des Verbotes nicht aufhören, weiterhin in dem Bereich aktiv zu sein.“
Auch Ex-Nazi Reitz mutmaßt, die bisherigen Hammerskins-Mitglieder werden nun einfach in anderen rechtsextremen Organisationen aktiv werden. Auch werden sie weiterhin Musik herausbringen.

lkn
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