Grenzüberschreitungen auf Querdenkerdemos

"Nicht alles, was man unsäglich findet, kann verboten werden!"

06:45 Minuten
Sogenannte Querdenker ziehen in einem Protestmarsch aus der Innenstadt zum Veranstaltungsgelände auf dem Kirmesplatz in Bochum und tragen dabei ein Schild mit der Aufschrift „Lockdown für Merkel + Co“. Laut Polizeiangaben zählt die Demonstration gegen die Corona-Schutzmaßnahmen 500 Teilnehmer.
Wann ist eine Grenze überschritten? Sogenannte Querdenker, die problematische Symbole für ihre Zwecke nutzen, können nicht ohne weiteres dafür belangt werden, sagt der Antisemitismusbeauftragte der Berliner Polizei. (Symbolbild) © (Symbolbild)
Wolfram Pemp im Gespräch mit Nana Brink · 30.07.2021
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Menschen bei Querdenkerdemonstrationen, die einen gelben Judenstern tragen: Da werden unsägliche Parallelen gezogen, gegen die sich jedoch nicht so einfach etwas unternehmen lässt. Warum es schwierig ist, erklärt Wolfram Pemp von der Berliner Polizei.
Immer wieder sind diese Bilder bei Querdenkerdemonstrationen zu sehen: Da werden Masken mit gelben Judensternen und der Aufschrift "Ungeimpft" getragen und so der Eindruck vermittelt, die Politik der Bundesregierung gegen die Pandemie sei mit der Verfolgung der Juden durch das nationalsozialistische Regime zu vergleichen.
"Nicht alles, was man unsäglich findet, kann auch verboten werden", kommentiert der Antisemitismusbeauftragte der Berliner Polizei, Wolfram Pemp, das Tragen dieser Symbole, die wahrscheinlich auch auf kommenden Querdenker-Demonstrationen in der Hauptstadt zu sehen sein wird.

Eine gesetzliche Grundlage fehlt

Gerade das Tragen des gelben Sterns sei ein "totaler Grenzfall", der allein nicht ausreiche, um von Seiten der Polizei einzugreifen, denn "die Staatsanwaltschaft in Berlin sagt, dass dies keine Straftat darstellt". Eine höchstrichterliche Rechtsprechung gerade in diesem Fall stünde noch aus.
Für die Polizei vor Ort sei es auf dieser Grundlage sehr schwierig, zu entscheiden, wann man eingreifen könne und wann nicht. Erst, wenn zusätzlich zum Tragen problematischer Symbole antisemitische Äußerungen fielen, dann "könnte es strafbar sei" und würde eine Beschlagnahmung oder eine Festnahme rechtfertigen.

Eine gesetzliche Grundlage – wie beim Verbot des Tragens von Hakenkreuzen – würde es "für die Polizei einfacher machen", erklärte Pemp, aber dann müsse man sich auch die Frage stellen, "was will ich als Staat alles gesetzlich normieren und wie viel Einzelfälle will ich schaffen".

Einsatzkräfte werden sensibilisiert

Die Einsatzkräfte der Berliner Polizei würden vor jeder Demonstration durch Workshop sensibilisiert. Erst kürzlich hat Wolfram Pemp in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft einen "Leitfaden zur Verfolgung antisemitischer Straftaten" herausgegeben.
Dabei gehe es darum, Standards für die Bearbeitung solcher Straftaten festzuschreiben. Pemp betont: "Persönlich glaube ich, wir sollten bis an die Grenze gehen, was machbar ist und im Zweifel auch mal in Kauf nehmen, dass ein Gericht später sagt, es ist doch nicht strafbar."
(nbr)
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