Debatte um zeitgemäße Wirtschaftsmodelle

Gemeinwohl statt Gewinne?

53:52 Minuten
Illustration: Personen steigen auf einer roten Linie nach oben, bis sie die Spitze erreicht haben.
Immer höher, schneller, weiter: Hat die alte Wachstumslogik ausgedient? © imago / Ikon Images
Moderation: Annette Riedel |
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Ohne Wirtschaftswachstum kein Wohlstand - so lautet eine Art ökonomisches Mantra. Ist auch ein faires, klimaschonendes und soziales Wirtschaften möglich?
Grenzenloses Wachstum würde die Biosphäre, die unserer aller Lebensgrundlage ist, zerstören. Aber wo sind die Grenzen? Ressourcenknappheit ist ein Problem und wird in der Zukunft, bei perspektivisch bald zehn Milliarden Erdbewohnern in wenigen Jahrzehnten, ein noch größeres werden. Das ist spätestens seit 1972 ein Thema. Da veröffentlichte der sogenannte. Club Of Rome seinen Bericht über die Grenzen des Wachstums. Der Bericht wurde zum Bestseller. Für viele aus der wachsenden Umweltbewegung wurde er eine Art Bibel.
Bei allen Schwächen, die der Bericht aus heutiger Sicht haben mag, so war er doch in mancher Hinsicht wegweisend und wurde zu einer der Referenzgrößen der Ökologie. Die zentrale These des interdisziplinär, computergestützt arbeitenden Teams um den Ökonomen Dennis Meadows damals: Im endlichen System Erde ist unendliches Wachstum nicht möglich. Schwindende Ressourcen sind ein Fakt – wenn auch vielleicht nicht in dem Tempo, wie Club of Rome geglaubt hat. Als die heute noch dringlichere Herausforderung gelten die klimaschädlichen Emissionen, was vor 50 Jahren weniger im Vordergrund stand.

Wachstum ist auch klimaschonend möglich

Die vorherrschenden ökonomischen Theorien setzen weiter auf Wachstum und auch die Unternehmen bleiben mehrheitlich bei der Wachstumslogik. Allerdings werden die Stimmen derjenigen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zahlreicher und lauter, die an die Grenzen des Wachstums erinnern. Die Gesetzmäßigkeiten der Profitmaximierung forderten einen zu hohen, für viele immer weniger akzeptablen ökologischen und sozialen Preis. Das gelte vor allem in Hinsicht auf kommende Generationen.
Also gelte es, klima- und umweltschonender und sozialverträglicher zu wachsen. Der passende Slogan dazu: Mit grünem Wachstum schwarze Zahlen schreiben. Wachstum müsse nicht zwingend bedeuten, immer mehr Ressourcen zu verbrauchen, Umwelt und Menschen auszubeuten. Gute Gewinne ließen sich keineswegs nur so machen. Ökologisch zu denken und zu wirtschaften sei mittel- und langfristig auch im ökonomischen Interesse. Das müsse keineswegs zu höherer Arbeitslosigkeit führen. So argumentieren auch die derzeitige Bundesregierung und die EU-Kommission in Brüssel.

Profit nicht als Zweck, sondern als Mittel

Die Systemfrage an sich wird selten gestellt. Das Funktionieren von Wirtschaft und der Erfolg von Unternehmen bemessen sich aber nach wie vor in erster Linie an halbjährlichen Wachstumsraten und Gewinnen pro Quartalszahlen. Stagnation ist weder wirtschaftspolitisch noch unternehmerisch eine Option. Man kann argumentieren, dass unsere Art des Wirtschaftens und die Logik, nach der sich Erfolge und Verluste bemessen, wirklich "grüner" werden können, der Kapitalismus also nachhaltig(er) werden kann - und sei es, indem Umweltbelastung teurer wird. Oder man sieht es so, dass in letzter Konsequenz das System insgesamt zu verlassen wäre, um die Biosphäre zu retten.
Eine kleine, aber wachsende Zahl von Unternehmen wirtschaftet inzwischen nach dem Prinzip der Gemeinwohlorientierung. Nicht die Gewinnmaximierung, sondern das Gemeinwohl steht dabei im Zentrum des unternehmerischen Handelns. Welche Potenziale haben solche Ansätze einer sogenannten Gemeinwohl-Ökonomie oder andere alternative Post-Wachstumsökonomien? Können sie nur auf einige Nischen im globalen Norden beschränkt sein? Können das Wohlstandsversprechen und die Bedürfnisse aktueller mit den Ansprüchen nachfolgender Generationen versöhnt werden? Ist so etwas im vorherrschenden Wirtschaftssystem zu leisten?
Im Rahmen einer gemeinsamen Veranstaltung von Deutschlandfunk Kultur und der Volkswagen-Stiftung im Schloss Herrenhausen diskutierten darüber:

Prof. Ulrich Brand, Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien und Mitglied der Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität" des Deutschen Bundestages (2011-2013)
Prof. Lars Feld, Professor für Wirtschaftspolitik und Ordnungsökonomik an der Universität Freiburg, persönlicher Beauftragter des Bundesministers der Finanzen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung
Prof. Alexandra Palzkill-Vorbeck, Wirtschaftswissenschaftlerin am Zentrum für Transformationsforschung und Nachhaltigkeit der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft an der Bergischen Universität Wuppertal
Dr. Katharina Reuter, Geschäftsführerin des Bundesverbands Nachhaltige Wirtschaft und Mit-Initiatorin von Entrepreneurs For Future.

(AnRi)
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