Greg Buchanan: „Sechzehn Pferde“

Traum, Wahn und Verbrechen

03:26 Minuten
Das Cover des Krimis "Sechzehn Pferde" von Greg Buchanan
© S. Fischer

Greg Buchanan

Aus dem Englischen übersetzt von Henning Ahrens

Sechzehn PferdeS. Fischer, Frankfurt am Main 2022

443 Seiten

22,00 Euro

Von Tobias Gohlis · 18.03.2022
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Gleich mit seinem ersten Krimi ist Greg Buchanan ein großer Wurf gelungen. „Sechzehn Pferde“ handelt von Tierquälerei, Mord und tödlichen Viren in einem englischen Küstenort und setzt auf Erzählstrategien von Computerspielen.
Zwei Tage nach der heftig mit Feuerwerk und Krachern gefeierten Guy-Fawkes-Nacht stolpert die sechzehnjährige Rebecca auf dem sumpfigen Farmgelände ihres Vaters über sechzehn halb mit Erde bedeckte Pferdeköpfe. Sie sind im Kreis angeordnet – später wird es heißen: „wie die Kerzen auf einer Geburtstagstorte“. Jeweils ein stumpfes Pferdeauge pro Schädel starrt in die Morgendämmerung.
Mit dieser Szene schier unfassbarer Gewalt setzt der Debütroman des schottischen Autors Greg Buchanan ein und endet in einer noch traumatischeren Szene an einem Waldsee mit drei Leichen. Nein, hier werden keine lustigen Detektiv- und Rätselspiele gespielt. „Sechzehn Pferde“ ist eine Zumutung, nicht nur wegen der Gewalt gegen Tiere und Menschen, sondern auch durch die sprunghaft-assoziative Erzählweise, die vom Leser hohe Konzentration und Aufmerksamkeit erzwingt.

Mord, Täuschung und Liebe

„Sechzehn Pferde“ erzählt von vielem: von ritueller Tierquälerei, von Brandstiftung, Mord, Betrug und Täuschung, aber auch von ungestillten Sehnsüchten, verzweifelter, erloschener, unerwiderter Liebe. Von unendlich einsamen Menschen in einem dahinsiechenden, sterbenden Landstrich an der Ostküste Englands im tristen Monat November. Die Pferdeköpfe sind mit einer Variante des Milzbranderregers kontaminiert, eine Seuche bricht aus, Rebecca erkrankt, Quarantäne wird verhängt, ein Junge verschwindet, die (fiktive) Stadt Ilmarsh stirbt weiter. Mittendrin wurschteln die Veterinärforensikerin Cooper und Detektiv Alec herum: zwei, die „helfen wollen, sich aber nicht einmal selbst helfen können".
Erst nachdem ich erfahren hatte, dass der Autor Greg Buchanan vor der Arbeit an „Sechzehn Pferde“ Computerspiele mitentwickelt hat, wurde mir klarer, dass die unvermittelt nebeneinanderstehenden Zeitsprünge, Traumsequenzen, Dokumente, Fantasien, die wie von innen glühenden Szenen von Vernichtung, Sumpfigkeit, Quälerei und Verzweiflung wie der Lösungspfad in einem superkomplexen Game angeordnet sind – neben dem es noch mehrere andere gibt.

Eines der großartigsten Bücher des Jahres

Diese Game-Elemente im linearen Fortschreiten erzeugen eine wahnwitzige, höchst faszinierende Erzähldichte, in der Innen und Außen, eingebildete und erlebte Realität, Traum, Wahn und Verbrechen sich zu einem grünlich schillernden Gebilde des Untergangs verweben. Ich habe Buchanans Debüt gleich zweimal verschlungen und bin mir sicher, eines der großartigsten Bücher des Jahres gelesen zu haben.
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