Wenn Mama und Papa alles wissen
Kindern GPS-Tracker mitgeben – dadurch machen sich manche Eltern weniger Sorgen. Welchen Einfluss haben die kleinen Ortungsgeräte aufs Heranwachsen der Sprösslinge? Und ist es überhaupt erlaubt, die eigenen Kinder digital zu verfolgen?
In Hanau ist es Eltern ab Dezember untersagt, Kinder in kommunalen Kitas zu „tracken“ – z. B. mittels GPS-Sendern. Der Bürgermeister der hessischen Stadt begründet den Schritt auch damit, die Rechte und Autonomie von Kindern achten zu wollen.
Inhalt
Warum setzen Eltern GPS-Tracker ein?
Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom kommt ein GPS-Tracking der eigenen Kinder für 30 Prozent der Teilnehmenden infrage. Demnach gaben sechs Prozent an, bereits solche Geräte genutzt zu haben, um ihre Kinder zu orten. Weitere 24 Prozent können sich das vorstellen.
Der Hauptgrund der meisten Eltern ist die Sorge um ihr Kind sowie der Wunsch nach größtmöglicher Sicherheit. Die Werbung entsprechender Hersteller kennt dieses Bedürfnis genau und verspricht Sicherheit und Kontrolle durch ihre Sender.
Was sagen Experten?
Einige Fachleute sind skeptisch bezüglich des Einsatzes von GPS-Sendern und Smartwatches bei Kindern. Die Kritikpunkte:
Vertrauen sinkt
Wenn Kinder geortet werden oder täglich aus der Schule zu Hause anrufen sollen, sei das ein Ausdruck mangelnden Vertrauens, erklärt Hanno Rüther vom Verband Bildung und Erziehung. Dadurch sinke das Vertrauen des Kindes, „dass es den Weg zur Schule selbst meistern kann“ – sowie das Vertrauen in die Eltern, dem Kind diese Fähigkeiten beizubringen.
Selbstständigkeit wird gebremst
Mit Smartwatches, die manche Grundschulkinder am Handgelenk tragen, können diese auch telefonieren. Was in Notfällen sinnvoll ist, kann zur hartnäckigen Gewohnheit werden. Ein kleiner Gartenzaun ist im Weg und das Kind kommt nicht rüber – einfach schnell Papa anklingeln und Hilfe anfordern.
Der Kinder- und Jugendlichentherapeut Joachim Radtke sieht in diesem Muster ein Problem. Ein Erziehungsziel sei es, Kinder zu befähigen, Entscheidungen selbst zu treffen – unabhängig von den Eltern, sagt er: „Auch das ist ein wichtiger Punkt: die Erfahrung zu machen, zu scheitern und ein Problem nicht sofort gelöst zu bekommen.“
Vorgetäuschte Sicherheit
Ein Verbrechen können Eltern aus der Ferne in der Regel nicht verhindern. Deshalb sollte man abwägen, ob ein Tracking der Kinder wirklich einen Mehrwert hat oder vielleicht sogar zu weiteren Sorgen beiträgt, rät Torsten Kruse, Wissenschaftler für Kinderrechte.
Anstatt sich mit Technik zu beruhigen, sei es besser, im Gespräch zu bleiben. Was bewegt mein Kind? Wo verbringt es seine Zeit? Welche Wege legt es zurück?
Pro-Argument: Kinder fühlen sich durch Tracking sicherer
Der Technikphilosoph Tobias Postulka sieht im Tracking enorme Chancen für Kinder. So könnten sie sich wieder freier in Städten bewegen, erklärt er. In dem Bewusstsein, dass die Eltern den Aufenthaltsort stets kennen, fühlten sich Kinder sicherer.
Ist GPS-Tracking von Kindern rechtlich okay?
Kurz gesagt: Die Rechte der Kinder und die Fürsorgepflicht der Eltern können in Konflikt geraten.
Einerseits machen sich Eltern nicht strafbar, wenn sie ihr Kind tracken und es darüber informiert ist. Das deckt die Fürsorgepflicht ab.
Andererseits haben auch Kinder ein Recht auf Privatsphäre. In der UN-Kinderrechtskonvention heißt es: „Kein Kind darf willkürlichen oder rechtswidrigen Eingriffen in sein Privatleben (…) oder rechtswidrigen Beeinträchtigungen seiner Ehre und seines Rufes ausgesetzt werden.“
Wenn Eltern sich für ein Tracking entscheiden, ist es also enorm wichtig, dass vor allem jene davon wissen, die es betrifft: die Kinder.
jma