Gleiches Geld und mehr Führungsjobs

Lohngerechtigkeit im Hamburger Hafen

Drei Männer eine Frau - im Hamburger Hafen wächst der Anteil der beschäftigten Frauen - aber langsam.
Drei Männer eine Frau - im Hamburger Hafen wächst der Anteil der beschäftigten Frauen - aber langsam. © imago stock&people
Von Axel Schröder · 22.08.2017
Im Hamburger Hafen steigt der Frauenanteil unter den Arbeiten und die Lohngerechtigkeit verbessert sich. So weit, so gut. Doch in den Führungspositionen muss noch viel passieren.
Auf dem weiten Gelände der "Hamburger Hafen- und Logistik AG", der HHLA, herrscht Hochbetrieb. An der Kaikante werden mit riesigen Containerbrücken die Stahlboxen aus den Schiffsbäuchen gehievt oder neue an Bord gebracht. Unter anderem von Franziska Reisener. Die junge Frau steht in Latzhosen, grellgelber Jacke und Bauhelm am Rand der Terminalfläche:
- "Mein Arbeitsplatz ist direkt auf dem Kran. Ich arbeite über dem Schiff und lösche und lade da die Container und transportiere sie dann mit dem Kran an Land. Dann kommt der Van-Carrier-Fahrer oder die Van-Carrier-Fahrerin und nimmt den Container und fährt den dann bei uns ins Lager ein."
- "Ein Van-Carrier ist was?"
- "Ein Van-Carrier ist im Prinzip ein kleines Auto auf Stelzen, wenn man das mal so ganz einfach erklären möchte."
Die Hafenarbeiterin untertreibt: Klein sind die Van-Carrier wirklich nicht. Die Fahrerkabine des rund 60-Tonnen schweren Geräts befindet sich in über zehn Meter Höhe. Mit den Fahrzeugen können Transportboxen übereinandergestapelt werden. Wenn sie nicht oben auf der Containerbrücke im Einsatz ist, lenkt Franziska Reisener einen dieser Van-Carrier über das Gelände. Sie ist eine von 30 Frauen bei der HHLA, die direkt an der Kaikante arbeiten, in einem Bereich, der lange Jahre eine reine Männerdomäne war.

Als Brückenfahrerin den gleichen Lohn wie Männer

"Es war hart. Man wusste, dass es neu ist, und alles, was neu ist, wird erstmal abgelehnt. Aber das hat nicht lange gedauert, da hatte jede von uns gezeigt, dass es keinen Unterschied macht, dass wir genauso anpacken können wie ein Mann! Und wir haben hier nicht nur Sackgut und müssen 30-Kilo-Säcke durch die Gegend schmeißen. Nein, wir arbeiten mit Großgeräten an Hebeln, die so leicht zu bedienen sind, dass man dafür keine Kraft benötigt, sondern Fingerspitzengefühl."
Und für diese Arbeit bekommt die Brückenfahrerin den gleichen Lohn wie ihre männlichen Kollegen.
"Wir haben hier einen Tarifvertrag, nach dem wir alle bezahlt werden. Wir kriegen Schichtlöhne. Und da werden alle gleich bezahlt. Das einzige Kriterium ist, welche Patente für welche Großgeräte man hat. Danach sind die Tarife dann gestaffelt. Aber wenn einer den gleichen Job macht, dann verdient er genauso viel wie der andere Kollege."
Ihren Firmensitz hat die HHLA, an der die Stadt mehrheitlich beteiligt ist, in der Hamburger Speicherstadt. Dort erklärt der Personaldirektor Arno Schirrmacher, dass die gleiche Bezahlung für Männer und Frauen schon immer eine Selbstverständlichkeit der insgesamt stark männlich dominierten Firma war. Aber auch diese Dominanz soll verringert werden.
"Unser Ziel in den letzten Jahren ist es, den Frauenanteil kontinuierlich weiter nach oben zu entwickeln, weil wir in einem Bereich unterwegs sind, der sehr männerdominiert ist. Wir bewegen uns im Moment bei einer Quote von 15 Prozent der weiblichen Beschäftigten. Die Frauen in Führungspositionen liegen deutlich oberhalb dieser Quote, die bewegt sich zwischen 17 und 25 Prozent. Mehr Frauen sind in Führungspositionen als proportional im Unternehmen beschäftigt sind."
Zu dieser Strategie passt auch die Neubesetzung der Führungsspitze der HHLA: Seit Anfang des Jahres leitet die einstige Managerin der Deutschen Post AG, Angela Titzrath, das Unternehmen.

Personalratsleiterin mit stolzer Bilanz

Noch weiter als bei dem Hafenumschlag-Spezialisten ist die Freie und Hansestadt selbst. Zumindest, was Frauen in Führungspositionen angeht, erklärt die Leiterin des Personalamts der Stadt Bettina Lentz.
"40 Prozent unserer Führungsfunktionen sind tatsächlich mittlerweile mit Frauen besetzt. Da sind wir schon sehr zufrieden mit. Aber in den allerobersten Führungsfunktionen, unterhalb der politischen Leitung, sind wir leider erst bei 25 Prozent. Da haben wir unsere Ziele noch nicht ganz erreicht. Und insofern muss man zugeben, dass in den Spitzenfunktionen mehr Männer zu den Gutverdienern gehören."
Insgesamt sind über die Hälfte der städtischen Angestellten Frauen. Allerdings, so Bettina Lentz, arbeiten davon 50 Prozent in Teilzeit und verdienen dadurch deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen. Dazu kommt: Wenn eine Frau nach einer Schwangerschaft vom Berufsleben pausiert, um sich um die Kinder zu kümmern, finden die Gehaltsanhebungen, die sich nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit richten, später statt. Aber auch hier gibt es Bewegung, erklärt Bettina Lentz:
"Die Pausen sind erheblich kürzer als früher. Die Frauen kommen schneller wieder. Und wenn sie in Teilzeit arbeiten, arbeiten sie ganz häufig mehr als 50 Prozent. Aus meiner Sicht kann man eine Führungsaufgabe auch mit 70 oder 80 Prozent wahrnehmen. Aber man muss es sich natürlich zutrauen. Und da ist es heute leider immer noch so, dass die Frauen einen Großteil der Familienarbeit übernehmen und Männer weniger und die Frauen dann sagen: ‚Ist ja alles gut und schön. Aber wenn ich mein Kind um 14 Uhr abholen muss oder wenn da irgendwas zuhause ist, dann muss ich auch mal losspringen können im Zweifel. Ich bin nicht immer verfügbar!'"

Frauen lehnen Führungsverantwortung oft ab

Mehr Führungsverantwortung lehnten diese Frauen dann oft ab. Sie scheuten das Risiko, dann auch in ihrer privaten Lebenswelt mehr Stress zu haben als vorher. Männer seien da anders, beobachtet die Personalchefin der Stadt Hamburg, Bettina Lentz: Wo sich Aufstiegschancen anbieten, würden sie diese auch nutzen. Im Zweifel zulasten der Familie, zulasten ihrer Frauen und Kinder.
Bei der HHLA, dem Terminalbetreiber im Hafen, ist es mittlerweile eine Selbstverständlichkeit, dass auch Frauen mit 60-Tonnen-Maschinen Container verfrachten und Berufe ausüben, die einst fest in Männerhand waren. Und auch über gleiche Bezahlung für beide Geschlechter gibt es unter der männlichen Belegschaft kein Murren, erzählt Hafenarbeiterin Franziska Reisener:
"Ich glaube, dass Murren ist eher da, wo andere nicht das Gleiche verdienen. Egal, ob das jetzt nach Geschlechter geht oder nach irgendwas. – Gleiche Arbeit, gleiches Geld! Egal, wer dahinersteckt!"
Die junge Frau verabschiedet sich, macht sich auf den Weg zur Containerbrücke, um in 30 Meter Höhe wieder ihren Job zu machen.
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