Gesetz gegen "Homoheiler"

Ein Meilenstein für Deutschland

06:27 Minuten
Detailaufnahme einer Regenbogen-Socke, die zwischen schwarzen Stiefeln und Hosen herausschaut.
Ein Verbot der Werbung für sogenannte Konversionstherapien steht heute Abend im Bundestag zur Abstimmung. © Getty Images / MediaNews Group / Aaron Ontiveroz
Markus Kowalski im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 07.05.2020
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"Homoheilern" soll das Handwerk gelegt werden. Der Bundestag stimmt über ein Verbot von "Konversionstherapien" ab, die Homosexuelle oder Transgender "umdrehen" sollen. Ein gutes Signal, findet der Journalist Markus Kowalski.
Stephan Karkowsky: Der Bundestag will heute über ein Gesetz abstimmen, das sogenannte Konversionstherapien erschweren soll, also Angebote von selbst ernannten "Homoheilern", die Sexualität als Krankheit betrachten und deshalb behandeln wollen. Der Lesben- und Schwulenverband kritisiert das Gesetz als nicht weitgehend genug. Über die Details sprechen möchte ich mit dem Journalisten Markus Kowalski, der das Thema seit Jahren verfolgt. Was genau wird heute verboten und was bleibt erlaubt?
Markus Kowalski: Es wird verboten, dass man Homosexuellen und Transgendern anbietet, geheilt zu werden, wie auch immer das passieren soll, also heterosexuell zu werden oder cisgeschlechtlich zu werden. Das heißt, zum Beispiel Transgendern anzubieten, wieder in das von Geburt an biologische Geschlecht zurückzukehren.

Darf man das, im juristischen Sinne, verbieten?

Karkowsky: Ist denn nur das Angebot verboten und die Werbung dafür?
Kowalski: Genau, es ist beides verboten. Zum einen ist es verboten, dafür zu werben, dafür droht einem 30.000 Euro Geldstrafe. Und wenn man die Therapie wirklich durchführt, dann droht einem bis zu einem Jahr Haft. Das ist schon eine ordentliche Abschreckung, die da heute im Gesetz beschlossen wird.
Porträt von Markus Kowalski.
Der Journalist Markus Kowalski hofft auf das neue Gesetz gegen Pseudo-"Homoheiler". © Andy Zuk
Karkowsky: Die Haft betrifft diese Pseudo-"Homoheiler", aber nicht verboten werden die Pseudobehandlungen generell für Erwachsene, die sich freiwillig einer solchen Therapie unterziehen wollen. Warum nicht?
Kowalski: Da gibt es juristische Fragen, also Detailfragen, ob man das überhaupt verbieten kann, weil natürlich trotzdem jeder Erwachsene mit seinem Leben machen kann, was er will. Aber in dem Gesetz gibt es eben diese folgende Regelung, dass, wenn man sagt, okay, Erwachsene dürfen trotzdem nicht diese Konversionstherapie bekommen, wenn ihr Wille beeinträchtigt ist, das heißt, wenn sie genötigt wurden oder gezwungen wurden, das zu tun.
Ich glaube, das ist eine ganz intelligente Lösung, weil genau das ja in der Gesellschaft passiert. Homosexuelle werden dazu gezwungen oder genötigt, sich anzupassen, heterosexuell zu werden oder sich zu verhalten, und deswegen ist diese Ausnahme trotzdem im Gesetz eingebaut.
Karkowsky: Sie sind selbst schwul, und Sie hatten einen Pfarrer, der Schwule und Lesben als krank bezeichnet hat. Wie war das?
Kowalski: Der hat in den 90er-Jahren schon ein Buch dazu geschrieben und war in der evangelikalen Szene da relativ aktiv und hat auch diese Inhalte manchmal im Gottesdienst gepredigt – manchmal direkt, manchmal eher verklausuliert – und hatte einen Verein, in dem er dafür auch geworben hat und Homosexuelle da auch eingeladen hat.
Das war natürlich eine Belastung für mich auch als Heranwachsenden, der ich in der evangelischen Kirche engagiert war und da jeden Sonntag im Gottesdienst saß. Das hat sicher für mich auch das Coming-out verspätet, weil ich natürlich mich nicht getraut habe, mich dann zu outen, wenn jemand predigt, das ist unnatürlich oder gegen Gottes Willen, dass man schwul ist.

Die Kirchen dulden krude Theorien

Karkowsky: Glauben Sie, dass dieser Pfarrer ein Einzelfall ist, oder würden Sie daraus schließen, dass die Kirche noch immer eine Mitschuld trägt an diesem falschen Glauben und daran, Menschen dazu zu bringen, in eine solche Pseudotherapie zu gehen?
Kowalski: Die Kirche, die evangelische Kirche und auch die katholische dulden das auf jeden Fall in ihren Reihen. Es gibt da so eine Szene von Evangelikalen, von Fundamentalisten, die das immer wieder behaupten und ihre eigenen kruden Theorien haben und verbreiten. Ich glaube, die Kirchen, aber auch die muslimischen und jüdischen Gemeinden greifen da nicht hart genug in ihren eigenen Reihen durch und sagen, hey, das geht nicht, so was wollen wir hier nicht.
Karkowsky: Wie groß ist denn das Problem überhaupt, dass der Bundestag heute da ein eigenes Gesetz zu beschließen muss, wie viele gehen diesen selbst ernannten Homoheilern auf den Leim, mit dem Versprechen, Schwule und Lesben angeblich heilen zu können? Weiß man das?
Kowalski: Ja, es gab eine Studie von der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, die sich jetzt damit beschäftigt hat im Zuge dieses Verfahrens, die hat gesagt, sie schätzen, ungefähr 1000 Betroffene pro Jahr gibt es in Deutschland. Das heißt, das sind vor allem Heranwachsende, Jugendliche oder junge Erwachsene in den religiösen Gemeinden, die da aufwachsen und in diesen Strukturen verstrickt sind und da einfach beeinflusst werden in ihrem Heranwachsen und da sich nicht frei äußern können, sich nicht frei zu ihrer sexuellen Orientierung bekennen können.

Depressionen bis hin zu Selbstmord

Karkowsky: Nun weiß man ja, dass diese Pseudotherapien nicht funktionieren, da könnte man sagen, na, lasst die doch machen, oder gibt es Probleme bei Leuten, die die durchgeführt haben?
Kowalski: Das Problem ist, dass zum einen für die Betroffenen das ganz schwierig ist, weil die Betroffenen ja einem enormen Druck ausgesetzt werden, was zu machen, was sie nicht sind, also als lesbische Frau plötzlich auf Männer zu stehen. Das ist natürlich extrem belastend und führt bei den Betroffenen zum einen zu einer Angst, aber auch zu Depressionen bis hin zum Selbstmord, dafür gibt es immer wieder Beispiele. Das führt natürlich auch in unserem Land zu einer Ausgrenzung und zu einem vergifteten gesellschaftlichen Klima, dass man eben zulässt, dass Leute diese falschen Theorien verbreiten und sagen, Homosexualität sei krank.
Karkowsky: Sie haben das Thema lange begleitet jetzt, jahrelang als Journalist mit Artikeln immer wieder auf das Problem aufmerksam gemacht. Das Gesetz, so wie es jetzt verabschiedet werden soll, ist das für Sie okay?
Kowalski: Ja, ich glaube, dieses Gesetz ist wirklich ein Meilenstein für dieses Land. Wir dürfen nicht vergessen, dass die wichtigen Errungenschaften für die queere Community, also für die Lesben, Schwulen, Biosexuellen und Transgender, dass die alle schon in den letzten Jahren kamen: 2017 die Ehe für alle, die dritte Geschlechtsoption für Intersexuelle, das sind wichtige Meilensteine, und heute kommt einer dazu, weil das einfach ein wichtiges Zeichen ist, dass diese Gesellschaft sagt, dieses Land sagt, wir wollen diese Konversionstherapie nicht, wir wollen dieses Klima des Hasses nicht, sondern wir wollen auch die queere Community schützen und entsprechend abschreckende Strafen in diesem Gesetz einbauen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Der Bundestag hat am Donnerstag, 7. Mai 2020, den Gesetzentwurf der Bundesregierung "zum Schutz vor Konversionsbehandlungen" in der vom Gesundheitsausschuss geänderten Fassung angenommen. CDU/CSU, SPD und FDP stimmten für den Gesetzentwurf, die übrigen Fraktionen enthielten sich, es gab eine Gegenstimme aus der AfD-Fraktion. Unser Gespräch war bereits am Morgen gelaufen, bevor diese Entscheidung der Bundestagsabgeordneten am Abend fiel. Nähere Informationen über die Abstimmung finden Sie auf der Webseite des Deutschen Bundestages.

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