Geld, Korruption und Verbrechen

04.01.2012
Einen Kriminalroman aus Ägypten - der jedoch nichts mit den aktuellen Protesten im Land zu tun hat - präsentiert hier Jamal Mahjoub, der unter dem Namen Parker Bilal veröffentlicht. Zentrale Rolle spielt der ehemalige Polizist und Detektiv Makana, im Sudan geboren und von dort geflohen, ein Außenseiter.
In Kairo regieren Geld, Korruption und Verbrechen. Touristen werden entführt, die Bosse der Unterwelt liefern sich blutige Fehden, die weder Ehefrauen noch Töchter verschonen: In der ägyptischen Hauptstadt haben sich alle an den "Shaitan" verkauft, den Teufel der islamischen Überlieferung. Es ist darum keine Liebe, sondern eine Hassliebe, die den ehemaligen Polizisten und Privatdetektiv Makana in Parker Bilals Kriminalroman "Die dunklen Straßen von Kairo" mit dem Moloch am Nil verbindet.

Engagiert von dem Millionär, Großinvestor und Ex-Kriminellen Hanafi soll Makana einen verschollenen Fußballstar ausfindig machen. Auf der Suche nach dem jungen Mann taucht er ein in die Welt der Reichen und Hässlichen, gerät in die Hände skrupelloser Islamisten und erzählt seine eigene düstere Geschichte. Makana wohnt nicht nur abseits der Massen auf einem brüchigen Hausboot auf dem Nil, er selbst ist ein Außenseiter, den nur noch der Fluss mit seiner Heimat - dem Sudan - verbindet. In Rückblenden umreißt der Idealist und vom Glauben Abgefallene den mörderischen Alltag unter einem erstarkenden islamistischen Regime, erzählt vom Tod seiner Frau und Tochter und der anschließenden Flucht aus Khartoum.

Es liegt nahe, in Zeiten wie diesen einen ägyptischen Krimi in die Buchhandlungen zu bringen. Doch "Die dunklen Straßen von Kairo" wurde nicht nur weit vor den Anfängen der "Arabellion" verfasst und bespielt den Zeitraum 1981 bis 1998. Das Buch fügt sich vor allem ein in das Gesamtwerk des Schriftstellers Jamal Mahjoubs, der hier erstmals unter dem Namen Parker Bilal veröffentlicht.

1960 in London geboren, wuchs Mahjoub im Sudan auf und kehrte danach nach Europa zurück. Er studierte in England, lebte in Dänemark und wohnt derzeit in Spanien. Mahjoub ist ein Grenzgänger zwischen Europa und islamischer Welt, und in den Figuren seines ersten Kriminalromans spiegeln sich Trotz und Minderwertigkeitsgefühl der ehemals Kolonisierten, zum Beispiel wenn ägyptische Polizisten in "Die dunklen Straßen von Kairo" mit einer Mischung aus Selbstgeißelung und Stolz auf den Besuch britischer Kollegen reagieren. Immer wieder werden Unterschiede betont, werden die Einflüsse des Westens und Sehnsüchte der Ägypter deutlich.

Mahjoubs Verlag in Deutschland, Rowohlt, holt sich mit "Die dunklen Straßen von Kairo" erstmals einen ägyptischen Krimi ins Programm. Grund dafür sind laut Verlag jedoch nicht die "aktuellen politischen Geschehnisse", auf die der Roman ohnehin in keiner Weise eingeht, sondern die ungewöhnlichen Ermittlerfigur.

Leider widmet sich Mahjoub nicht nur im Fall seines Ermittlers Makana kaum dem Innenleben seiner Figuren. Es sind Typen, die "Die dunklen Straßen von Kairo" bevölkern, keine Menschen, und auch stilistisch traut Mahjoub seinen Lesern nichts bis wenig zu. Oft wirkt der Roman dadurch skizzenhaft - Dinge sind "anscheinend", "bestimmt", "eigenartig", "merkwürdig".

Doch wem es gelingt, dem Buch den hölzernen Stil, die ungelenken, unpräzisen Beschreibungen zu verzeihen, der spürt ein Leuchten - hinter der Sprache. In der Werkstatt des mysteriösen alten Fälschers und Sehers zum Beispiel, den Makana immer wieder besucht, und auf dem Basar der Stadt. Mahjoub alias Bilal Parker macht den engen, lauten, bunten Marktplatz zum eigentlichen Herzen der Metropole und zum Seelenspiegel eines zutiefst zerrissenen Landes: Während die einen hier Souvenirs kaufen, wartet auf die anderen in diesem Labyrinth nichts als Paranoia und alptraumartige Beklemmung.

Besprochen von Marten Hahn

Parker Bilal: Die dunklen Straßen von Kairo
Aus dem Englischen von Karolina Fell
Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2012
448 Seiten, 9,99 Euro
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