Frank Farian wird 75

Ein Produzent als Meister der Popgeschichte

Frank Farian sitzt am 25.06.2016 in seinem Studio in Miami (USA). Er hat erreicht, wovon andere nur träumen. Als Musikproduzent ist Farian der einzige Deutsche, der auch international in der ersten Reihe mitspielt. Auch mit 75 steht er jeden Tag im Studio. Foto: Milli Segieth
Der Produzent, Sänger und Komponist Frank Farian © dpa / picture alliance / Mili Segieth
Lutz Fahrenkrog-Petersen im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 18.07.2016
Der Komponist und Sänger Frank Farian ist auch einer der erfolgreichsten Produzenten der Popgeschichte - heute wird er 75 Jahre alt. Der Erfolg sei auf Fleiß und die Suche nach exotischen Klängen zurückzuführen, meint der Musikwissenschaftler Lutz Fahrenkrog-Petersen.
Korbinan Frenzel: Wir reden jetzt über einen Mann, dessen Namen man kennen kann, nicht unbedingt kennen muss, aber was Sie kennen, ist das hier:
(Einspielung Musik: "Daddy Cool")
Ungewollt wippen hier schon alle mit in ums Studio herum. "Daddy Cool", Boney M. Der Mann, der als Mastermind und Produzent dahinterstand, genauso wie zum Beispiel hinter Milli Vanilli, ist Frank Farian. Heute wird er 75, und diesen Tag kann er feiern im Wissen darum, einer der erfolgreichsten Produzenten der Popgeschichte zu sein. Wie hat der Mann das gemacht, und wie sieht sie heute aus, die Kunst des Produzierens?
Theoretiker und Praktiker gleichermaßen ist mein Gast hier bei uns im Deutschlandradio Kultur, Lutz Fahrenkrog-Petersen, geschäftsführender Direktor des Forschungszentrums Populäre Musik an der Humboldt-Uni Berlin und selbst Komponist und Produzent, unter anderem in Zusammenarbeit mit den Peaches, mit Nena oder auch mit David Hasselhof. Herr Fahrenkrog-Petersen, schön, dass Sie da sind. Guten Morgen!

Die Liebe zur amerikanischen schwarzen Musik

Lutz Fahrenkrog-Petersen: Guten Morgen!
Frenzel: Frank Farian. Was machte den Mann, was macht ihn so erfolgreich?
Fahrenkrog-Petersen: Frank Farian ist ein unglaublich fleißiger Mensch, der eine Liebe für die amerikanische schwarze Musik hatte. Die hat er sicherlich auch mitbekommen durch die Alliierten, damals durch AFN und andere Sender, und hat das, sagen wir mal so, so gnadenlos wie kein anderer verfolgt, diesen Sound auch in Deutschland zu kreieren. Und Boney M. ist ja der beste Beweis dafür, wie man, wenn man fleißig ist und sich auch um die Sachen kümmert, dann eben auch erfolgreich sein kann. Allerdings hat er auch sehr viele Traditional-Titel verwendet. "Brown girl in the rain" ist ein ganz altes Lied aus Jamaika, glaube ich. Das heißt, er hat direkt auch auf diese Kultur zurückgegriffen, um sie dann, auch von Deutschland ausgehend, wiederum erfolgreich zu machen.

Musik mit dem Anschein des Exotischen

Frenzel: Aber gibt es da irgendeine Art Rezeptur, wo Sie sagen könnten, das ist ein Muster, wie man herangehen muss, also wie viel zum Beispiel Spuren auch anderer kultureller Einflüsse man nehmen kann. Aber wo es dann zum Beispiel auch irgendwann aufhört, weil das vielleicht zu fremd wäre?
Fahrenkrog-Petersen: Ja, das ist genau der Punkt. Es muss den Anschein des Exotischen haben, aber nicht wirklich das Exotische sein. Also bei uns ist es so, dass man bei Boney M. hat er eine wunderbare Sängerin gehabt, eine wunderbare schwarze Sängerin mit einer tollen Soul-Stimme, hat eigentlich tolle Soul-Titel genommen, die aber letztendlich auch gar nicht so gut waren wie die Originale aus den USA zum Beispiel. Und das hatte dann so einen gewissen Pop-Effekt, und das ist dann nachher auch erst richtig erfolgreich. Das heißt, es ist so ein bisschen, reduzierte Kultur ist dann allgemeingültiger, und das funktioniert dann.
Frenzel: Da passt ja auch ganz wunderbar dieses Bild in Ihre Beschreibung, also Milli Vanilli, also anders erscheinen, aber doch nicht so anders sein. Da gab es ja damals Anfang der 90er-Jahre den großen Skandal, dass sie eben teilweise Playback gesungen haben, aber eben nicht ihre eigenen Sachen, sondern andere Stimmen in Wirklichkeit dahinterstanden. Wäre das heute noch ein Skandal?
Fahrenkrog-Petersen: Ein Skandal ist es ja immer auch nur dann, wenn die Presse einen Skandal draus macht oder das Business, so könnte man es schon nennen. Letztendlich geschieht das jeden Tag. Die Wenigsten singen wirklich, live wird auch kaum noch wirklich live gesungen. Selbst eine Madonna oder andere Künstler singen da noch live bei den Tanzaktionen, die sie dort machen, das wird alles eingespielt.
Das heißt, die Popmusik ist hauptsächlich die Show geworden. Und eigentlich war es das schon zu Milli-Vanilli-Zeiten, übrigens auch zu Boney-M.-Zeiten. Wenn ich mich richtig erinnere, die tiefe Stimme bei Boney M. war, glaube ich, Frank Farian selber, und gar nicht der lustige Tänzer, der das gemacht hat – der hatte, glaube ich, eher eine höhere Stimme. Also es greift da viel ineinander, und es ist auch gar nicht so wichtig. Ich glaube, das Wichtige ist, dass die Sachen Spaß machen und der Entertainment-Faktor hoch ist.

Die zentrale Aufgabe eines Produzenten

Frenzel: Also der Produzent muss im Zweifel notfalls mitsingen, das halte ich mal fest. Aber wahrscheinlich ist das nicht die zentrale Aufgabe. Was würden Sie denn sagen, ist die zentrale Aufgabe des Produzenten? Was soll er machen, was soll er auch besser lassen?
Fahrenkrog-Petersen: Früher war die Aufgabe des Produzenten die, alles zusammenzubringen: die einzelnen Gewerke, also Musiker, Komponisten, Tonstudio, Solisten, Konzertveranstalter, Texter. Das zu suchen, zu bezahlen und dann eben auch so durchzuführen, dass es am Ende erfolgreich ist.
Heutzutage ist das alles eher in der Person des Produzenten vereint, das heißt, der ist dann der Komponist, der ist dann der Programmierer, der Toningenieur, oft dann auch der Sänger. Vielleicht ist da noch ein Mädchen, wir haben es ja gerade letztens bei "Ain't nobody" gesehen, das ist halt so ein kleines Mädchen, das dann auch draufsingt, und den Rest muss er dann halt selber machen. Ein bisschen schade, weil darunter die Qualität leidet und vor allem auch die Möglichkeiten, die man hat, der Input, die Kreativität. Aber letztendlich ist der Produzent heute eigentlich der Macher der ganzen Musik.

"Heute schieben sich die Produzenten in den Vordergrund"

Frenzel: Aber damit auch der Star-Macher? Anders gefragt, könnte ein Produzent aus jedem, möglicherweise selbst aus mir einen Star machen?
Fahrenkrog-Petersen: Natürlich. Eigentlich ist es der Aufstand der Zwerge, weil letztendlich die coolen Produzenten waren die, die dann auch im Hintergrund geblieben sind und einfach dann den Erfolg und das Geld letztendlich kassiert haben, ohne wirklich im Mittelpunkt zu stehen. Der Künstler hat im Mittelpunkt gestanden.
Heutzutage ist es so, dass eben auch die Produzenten etwas sein wollen und sich nach vorn in den Vordergrund schieben wollen. Wie es ja auch mit den DJs ähnlich war. Das waren dann auch irgendwie Leute, wo man – ja, die hätten früher Platten verkauft, und jetzt sind sie dann ganz große Stars, wie David Getter. Es hat sich verschoben, und das ist der große Unterschied zu früher, von dem Finanzier und Übersicht, sozusagen wie bei einem Filmproduzenten, der über die Produktion die Übersicht hat, hin zu dem Macher selbst, zu dem Musiker selbst, der dann eben auch die Ehre und den Ruhm in der Öffentlichkeit ernten möchte.

"Man sollte you tube und das Internet nicht überbewerten"

Frenzel: Wie haben sich denn so Phänomene wie YouTube und im Prinzip das Internet insgesamt ausgewirkt. Das ist ja eigentlich erst mal ein Tor, wo jeder sich probieren kann, ein Publikum finden kann. Und es gibt ja auch genug Beispiele, wo Leute dann quasi unabhängig vom Musikbusiness ihren Weg gefunden haben.
Fahrenkrog-Petersen: Ich denke, man sollte diese einzelnen Kanäle, die man da hat, so wie YouTube oder wie Internet, Radio, Fernsehen, nicht unbedingt gegeneinander bewerten. Das sind einfach neue Sachen, neue Möglichkeiten. Früher sind solche Leute in einen kleinen Club gegangen und haben das da gemacht. Oder wie die Liedermacher mit der Gitarre irgendwie was in der Kneipe vorgesungen und so ihre Sachen ausprobiert.
Heute ist das ein bisschen anders. Vielleicht ist sozusagen das Urteil und die Verbreitungsmöglichkeit ein bisschen globaler. Letztendlich bleibt es das Gleiche. Man ist da, man probiert was aus und versucht, es irgendwie in eine Öffentlichkeit zu bringen.
Frenzel: Ein Geburtstagsgespräch. Der Fünfundsiebzigste Frank Farians. Für uns war das der Anlass, darüber zu sprechen, was gute Musikproduktion war und ist. Danke an Lutz Fahrenkrog-Petersen, den Direktor des Forschungszentrums Populäre Musik an der Humboldt-Uni Berlin. Vielen Dank für Ihren Besuch!
Fahrenkrog-Petersen: Bitte sehr!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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