Songwriter-Kollektiv "Heroes und Ganoven"

Der Kopf hinter der Band "Glasperlenspiel"

Die deutsche Band Glasperlenspiel
Mit "Geiles Leben" aus der Feder der Songwriter "Heroes und Ganoven" ging es für die Band "Glasperlenspiel" ziemlich weit nach oben in den Charts. © picture alliance / dpa / Foto: Hendrik Schmidt
Von Andi Hörmann · 23.12.2015
Rockstar will er schon lange nicht mehr werden – Philipp Klemz fühlt sich mit seinem Songwriter-Kollektiv "Heroes und Ganoven" auch hinter den Kulissen ziemlich wohl. Ihren Durchbruch hatten die Münchner Liedtexter mit "Geiles Leben" für die Band "Glasperlenspiel".
"Ich bin Philipp Klemz, bin 25 Jahre, komme aus München und bin Songwriter."
Singer/Songwriter? Nein, Songwriter, ohne Singer – den Gesang hat Philipp Klemz hinter sich gelassen, nun konzentriert er sich auf das, was er wirklich will.
"Ich wollte eigentlich selber Musik machen, also ein eigenes Album rausbringen und auf der Bühne stehen, habe mich aber dann dagegen entschieden, weil der Druck mir zu groß war und ich noch nicht so bereit war. Und dann habe ich ein Angebot bekommen, als Songwriter zu arbeiten."
Am Arbeitsplatz des Popsong-Komponisten Philipp Klemz gibt es keinen Schreibtisch, auch keine Musik-Instrumente, sondern nur die Geräuschkulisse von Kaffee schlürfenden Menschen. Hier in München-Untergiesing, einem bei jungen Kreativen immer beliebter werdenden Stadtviertel, betreibt er mit Freunden seit 2012 das kleine Eck-Café "Bald neu" – und steht selbst regelmäßig hinterm Tresen.
"Wir hatten hier gleich nebenan unser Musikstudio, diese Produktionsfirma. Das wurde dann leider beim Isar-Hochwasser überschwemmt, und dann haben wir alles verloren. Da waren wir ein Team aus fünf Leuten. Am Ende sind dann nur drei Leute übrig geblieben, mit denen wir dann auch hier das Café aufgemacht haben. Dann haben wir eine Firma gegründet, wo wir das Café untergeordnet haben, unter dem das Songwriting, Party, Veranstaltung."
Zusammen mit seinen Kollegen komponiert Philipp Klemz Popsongs – von Hipster-Hymnen im Synthie-Schleier bis zum Schmuse-Schlager. Der Hit ist das Ziel. Auf dem Weg dorthin verpacken sie die ganz großen Gefühle in süße Melodien und Texte voller Herzschmerz. ´Heroes und Ganoven` nennen sie ihr Songwriter- und Produzenten-Kollektiv.
"Heroes war so dieses: Was kann man in die Welt bringen, wie kann man die verbessern? Kann man Leute groß aufziehen? Irgendwie war das so ein Heroe-Gefühl. Und Ganove ist so... Ja, vielleicht frech, das ist das richtige Wort. Ganove ist einfach so ein altes Gangster-Wort."
2015 sind Philipp Klemz und seine Mitstreiter von ´Heroes und Ganoven` dann selbst Pop-Helden geworden und haben sich wie freche Ganoven in die Herzen von Millionen von Musikfans gestohlen. Ihre Komposition "Geiles Leben" für die deutsche Elektropop-Band "Glasperlenspiel" ist ein Megahit.
23 Millionen Klicks auf Youtube, Platz eins der iTunes-Charts, sieben Wochen Platz zwei der deutschen Single-Charts. Im November gab es für mehr als 200.000 verkaufte Einheiten die Goldene Schallplatte, demnächst gibt es Platin für mehr als 400.000 abgesetzte Singles.
Fans verbinden den Song mit den schillernden Stars auf der Bühne, die fleißigen Komponisten dahinter kennt kaum einer – sie arbeiten im Hintergrund. Dieses Geschäftsmodell war in der Geschichte der Popmusik immer wieder sehr erfolgreich – und es hat eine lange Tradition. So war zum Beispiel Anfang des 20. Jahrhunderts die Tin Pan Alley in Manhattan das kreative Zentrum für Musikverlage und Songschreiber: Cole Porter, George Gershwin und viele andere habe dort für Musiker-Kollegen komponiert.
Songschreiber Philipp Klemz
Philipp Klemz, einer der Gründer der Songschmiede "Heroes und Ganoven"© Deutschlandradio / Andi Hörmann
Ein paar Jahrzehnte später versammelten sich dann viele großartige Songwriter im Brill Building am Broadway – unter ihnen Neil Diamond oder Ellie Greenwich. Sie schrieben Hits, so wie andere ihre Bürojobs erledigten.
Das Komponisten-Kollektiv "Heroes und Ganoven" aus München steht schon irgendwie in der Tradition dieser berühmten Songschmieden. Doch im 21. Jahrhundert müssen sie nicht mehr in unmittelbarer Nachbarschaft von Labels und Verlage netzwerken. Die Kommunikation mit Künstlern und Musikproduzenten läuft übers Internet. Und komponiert wird in Zeiten der "Digitalen Bohème" am Laptop und Smartphone – egal ob im Café oder im Zug. Nur zwei Dinge sind gleich geblieben: Ohne Auftrag keine Arbeit, und die ist immer auch mit Loslassen verbunden.
"Du bekommst einen Auftrag, dann heißt es: Schreib für die Band. Dann schaust du: Was ist die Band, was kann die, was macht die? Was haben die für Themen, was für eine Altersgruppe? Aber beim Songwriting, beim Kreativprozess denkst du nicht, dass es für jemanden anderes ist, sondern du schreibst einfach so, was du in dem Moment fühlst, oder was du ausdrücken würdest. Und dadurch ist es in diesem Entstehungsprozess immer noch deins. Und wenn du es dann abgibst, das ist mir bei ´Geiles Leben` passiert oder bei anderen Lieder, die ich geschrieben habe, dann verliert das auch schnell den Bezug zu einem selber. Und vor allem wenn du Texte schreibst, die einem wirklich selber berühren, dann ist es auch schwer zu sagen: jetzt sing du das mal."
Und da sitzt er nun, der 25-jährige Philipp Klemz vom Songwriter-Kollektiv "Heroes und Ganoven", in seinem von ihm mit betriebenen schäbig-schönen Café in München-Untergiesing, in dem er gleich hinter dem Tresen weiter Milch aufschäumt. Hier blendet er das Business im Popzirkus aus, hier widmet er sich Traum und Wirklichkeit, hier fühlt er sich hinein – in die ganz großen Themen der Popmusik. Verlieben, Verlangen, Verlassen. Für Philipp Klemz ist das Business eher zweitrangig, in erster Linie ist er ein hoffnungsloser Romantiker. Er schreibt die Texte, um die Musik kümmern sich seine Kollegen. Deswegen genügt ihm als Arbeitsgerät auch sein silbergraues Smartphone, in das er ständig neue Lyrics tippt - wie gestern auf der Zugfahrt von Berlin nach München.
"Du warst mein Sommermädchen / Nur für dieses Jahr / Es war nicht geplant / Du standst plötzlich da // Wir beiden wussten zwar / Das kann nicht für immer sein / Aber die Wärme bleibt / Denn Sommermädchen fangen Sonnenstrahlen ein…"
Welcher Künstler diesen Text demnächst singen wird, ist noch ungewiss. Doch viele Musiker und Labels stehen Schlage bei der Münchner Songschmiede "Heroes und Ganoven": Die R&B-Sängerin Cassandra Steen, die Schlager-Popstars Christina Stürmer und Bernhard Brink.
"Man muss sich oft rechtfertigen, dass man auch Schlager macht, aber ich verstehe diesen Zwiespalt nicht. Klar ist Schlager nicht so die tiefgründigste Musik. Aber trotzdem sind es Gefühle, die bei vielen Menschen vieles auslösen. Und warum sollte man dann keinen Schlager machen? Ich selber höre jetzt privat, wenn ich zuhause bin, auch keinen Schlager."