Frage des Tages

"Asylkritiker", "Mob" oder "Pack" - was steckt hinter dieser Wortwahl?

Gabriel, Opitz und der sächsische Wirtschaftsminister Dulig sprechen in Mikrofone und sind von Journalisten umringt.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, SPD, Heidenaus Bürgermeister Jürgen Opitz, CDU, und Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig, im Gespräch mit der Presse vor dem Rathaus in Heidenau © Rainer Jensen/dpa
Joachim Scharloth im Gespräch mit Christine Watty · 25.08.2015
Wie nennt man die Leute, die vor Flüchtlingsunterkünften randalieren oder diese anzünden? Rechtsextreme? Asylkritiker? Mob? Oder wie Vize-Kanzler Sigmar Gabriel gestern in Heidenau: Pack?
All das haben wir in den vergangenen Tagen gehört. Auch war dabei wieder die Rede von den besorgten Bürgern, die wiederum schon der so genannten Pegida folgten und nicht mit den Rechten in einen Topf getan werden wollten, die dann aber dennoch oft finden, dass Deutschland nicht zu nett zu Asylsuchenden sein sollte.
Was steckt hinter diesen verschiedenen Begriffen? Und warum ist es so schwer, die passenden Worte – oder vielleicht auch DAS passende Wort zu finden?
Jede Beschreibung mit Worten beinhaltet schon eine Wertung
Sprache sei "nie neutral", sagte dazu der Sprachwissenschaftler Joachim Scharloth aus Dresden. In der Sprachwissenschaft sei man sich einig,dass jede Beschreibung auch schon eine Bewertung ist.
Scharloth: "Also nehmen wir das Beispiel: Asylkritiker. Das vermittelt so ein bisschen die Botschaft, dass sich jemand eigentlich rational und argumentativ mit dem Thema Asyl befasst. (...) Während: Wenn ich Nazis sage, erkläre ich die Leute gleich für nicht diskursfähig. Das heißt: Ich muss mich nicht mehr mit ihnen auseinandersetzen. Oder 'Pack': Mit Pack unterhält man sich nicht."
Der Knackpunkt sei, dass wir mit Worten den Dingen eine Bedeutung gäben - "und das natürlich auch strategisch", also entsprechend der "eigenen politischen Agenda", so Scharloth.
"Wenn Nazis von Asylantenflut sprechen, dann betont das natürlich die Gefahr der Unkontrollierbarkeit. Es ruft auch Interpretationsschemata herbei, die wir normalerweise bei Naturkatastrophen haben." Und dies passe dann natürlich für Neonazis in die politische Agenda.
Eine Flut muss man eindämmen - Flüchtlingen muss man helfen
Scharloth betonte, dass ein Konsens in der Wortwahl für die Gesellschaft wichtig sei, damit auch die politischen Maßnahmen plausibel erschienen. Es sei sehr wichtig, wie wie wir uns politisch ausdrückten: "Denn wir konstruieren damit den Gegenstand, wir konstruieren damit unsere Welt. Das heißt, wenn wir von einer Asylflut sprechen, heißt das automatisch, dass es wichtig ist, das einzudämmen. Wenn wir hingegen von Flüchtlingen sprechen, dann ist klar, dass man denen helfen muss."
Mehr zum Thema