"Ich sehe kein großes Problem"
Ungefähr 55.000 Migranten halten sich zur Zeit in Griechenland auf, die Lebensbedingungen in den Flüchtlingslagern sind nach Angaben von Hilfsorganisationen schlecht. Der politische Berater Nikos Kostopoulos widerspricht: Auf Lesbos zumindest sei alles in Ordnung.
Die internationale Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" hat ihre Arbeit in griechischen Flüchtlingslagern inzwischen eingestellt, um gegen die dortigen Lebensbedingungen zu protestieren. Auch andere NGOs haben EU und griechische Regierung scharf für die Zustände in den sogenannten Hotspots kritisiert. Nikos Kostopoulus, Mitglied der "Nea Dimokratia" und Berater der Gouverneurin der Region Nord-Ägais, versteht die Kritik nicht. Zumindest auf Lesbos sei alles in Ordnung und die Infrastruktur der beiden Hotspots gut, sagte er im Deutschlandradio Kultur. Seinen Angaben zufolge betrifft das sowohl die Registrierung wie auch ärztliche Hilfe, das Essen und die Schlafplätze. Auch die Rückführung der Flüchtlinge in die Türkei funktioniert laut Kostopoulos.
Das Interview im Wortlaut:
Dieter Kassel: Erneut haben internationale Hilfsorganisationen die Lage der Flüchtlinge in Griechenland kritisiert. Am Wochenende hat sich zum Beispiel Oxfam in Berlin sehr kritisch geäußert, das Ganze als nicht vereinbar mit den Menschenrechten bezeichnet.
Sie erinnern sich vielleicht, diese Kritik ist nicht neu, die Organisation Ärzte ohne Grenzen hat bereits angekündigt, ihre Mitarbeiter aus Griechenland abzuziehen und damit auch zu protestieren gegen die Situation in den dortigen Flüchtlingsunterkünften.
Das Ausland schaut also kritisch drauf, wenngleich nicht das ganze Ausland. Die EU behauptet ja weiterhin, sie habe die Probleme in der Zusammenarbeit mit den griechischen Behörden im Griff oder werde sie zumindest in den Griff kriegen.
Aber wie sieht die Lage aus Sicht der Griechen selbst aus? Darüber wollen wir jetzt mit Nikos Kostopoulos sprechen. Er ist Mitglied der Partei Nea Dimokratia, war Generalsekretär der Region Nordägäis und berät jetzt die Gouverneurin dieser Region. Schönen guten Morgen, Herr Kostopoulos!
Nikos Kostopoulos: Einen schönen guten Morgen von meiner Seite auch!
Kassel: Sie sind regelmäßig unterwegs, auch in Flüchtlingsunterkünften in Griechenland, auf Lesbos zum Beispiel. Sie waren, glaube ich, das letzte Mal am Freitag, also vor knapp drei Tagen da.
Kostopoulos: Ja, ja, genau.
Kassel: Was ist denn Ihr aktueller Eindruck, Ihr persönlicher, von der Lage?
Auf Lesbos kommen kaum noch Flüchtlinge an
Kostopoulos: Also ganz ehrlich, von meiner Seite sehe ich kein großes Problem, also von dem, was ich in letzter Zeit gehört habe. In Idomeni, also auf Lesbos, in zwei Hotspots, die es gibt, gibt es keine richtigen Probleme im Moment.
In den letzten Tagen kommen auf Lesbos von null bis zu 50 Leute jeden Tag, bis vor ein paar Wochen waren es Hunderte, manchmal waren es auch Tausende jeden Tag. Am Freitag waren aus beiden Hotspots nicht mehr als 2.000, 2.500 Leute. Also die Infrastruktur von beiden Hotspots ist richtig gut, sie ist genug für diese Leute.
Kassel: Aber wenn sich das so positiv entwickelt hat, wie erklären Sie denn dann die kritischen Äußerungen vieler Hilfsorganisationen? Wie gesagt, Oxfam hat erst gestern die Lage in diesen Lagern kritisiert.
Kostopoulos: Das verstehe ich wirklich nicht, und ich sage noch mal, also von meiner Seite, ganz ehrlich: In letzter Zeit läuft das in zwei Hotspots auf Lesbos – also ich rede nur von Lesbos im Moment – läuft es ziemlich gut.
Die Leute sind von der anderen Seite mit sehr großen Problemen gekommen, sie sind Flüchtlinge, also man kann nicht sagen, es geht ihnen perfekt, aber in den Hotspots auf Lesbos, in den zwei Hotspots, gibt es wirklich keine richtigen Probleme.
Ich war auch letztes Mal in Ihrer Sendung ganz kritisch zu der Regierung, die in den letzten Monaten wirklich nicht so viel gemacht hat. Man hat ganz klar gesehen, es gab keinen richtigen Plan, aber in letzter Zeit läuft das ziemlich gut.
Kassel: Woran liegt denn das? Liegt das dann doch an der Hilfe, die aus anderen EU-Ländern gekommen ist, liegt das daran, dass die griechische Regierung selbst jetzt diese Vorgänge besser im Griff hat? Was ist Ihr Eindruck?
Regierung, EU und NGO's arbeiten besser zusammen
Kostopoulos: Meiner Meinung nach liegt es daran, dass alle Seiten – griechische Regierung, EU – alle haben zusammen mit den NGOs, mit den internationalen Organisationen besser zusammengearbeitet. Die griechische Regierung hat zusammen mit der EU einen konkreten Plan, und alle zusammen arbeiten besser, organisierter, und deswegen gibt es ein besseres Ergebnis, das mit den Hotspots zu tun hat, also wie die Hotspots regelmäßig jeden Tag funktionieren.
Kassel: Jetzt haben Sie selber schon gesagt, Herr Kostopoulos, dass das natürlich auch daran liegt, dass viel weniger Menschen jetzt neu ankommen auf Lesbos zum Beispiel als in den Wochen und Monaten zuvor.
Kostopoulos: Ja, das ist wahr.
Kassel: Würden Sie das denn sozusagen als positives Ergebnis der Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei betrachten?
Kostopoulos: Also das auf jeden Fall. Nach der Vereinbarung, also nach dem EU-Türkei-Pakt ist alles normaler geworden, es kommen weniger Leute. Da hat man genau gemerkt, dass die Probleme – das will ich ganz klar sagen – mit der Politik der Türkei zu tun haben, weil einmal sind es mehr, einmal sind es weniger Leute, die gekommen sind, dann wieder mehr und dann wieder weniger, das hat bestimmt mit der Politik der Türkei zu tun.
Aber nach dem Pakt, also nach der Vereinbarung, läuft es viel, viel besser. Perfekt nicht, weil es könnte auf null kommen, also die Anzahl der Leute, die zu der griechischen Seite kommen, aber es ist bestimmt viel, viel besser, als das bis vor ein paar Wochen, bestimmt bis vor ein paar Monaten war, wo es jeden Tag Tausende waren.
Kassel: Nun ist ja ein wesentlicher Teil dieser Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei die Rückführung von Flüchtlingen aus Griechenland zurück in die Türkei. Vor genau zwei Wochen, auch am Montag vor zwei Wochen, sind die ersten gut 200 zurückgeführt worden, und danach ist der Prozess ja erst mal nicht richtig weitergegangen. Wo liegen denn da die Probleme?
Kostopoulos: Verzeihen Sie mir, ich hab die Frage nicht richtig kapiert.
Kassel: Die Frage lautet: Ein wesentlicher Teil dieser Vereinbarung zwischen der Europäischen Union und der Türkei besteht ja auch darin, dass Flüchtlinge zurückgeschickt werden sollen aus Griechenland in die Türkei. Das hat vor zwei Wochen begonnen, aber es geht ja jetzt nicht so richtig weiter. Wo liegen denn da die Probleme?
In den Hotspots gibt es "richtig gutes Essen"
Kostopoulos: Wenn es um Lesbos geht, sehe ich keine richtigen Probleme. Bis jetzt funktioniert das normal, würde ich sagen, von beiden Seiten. Also in Griechenland auf Lesbos funktioniert alles in beiden Hotspots, ich würde nicht sagen perfekt, aber ziemlich gut.
Die ganze Prozedur, also die Registrierung von Menschen, das Screening, dann die ärztliche Hilfe, die die Menschen von der Regierung kriegen, die kriegen richtig gutes Essen, die haben einen guten Platz zum Schlafen, und dann, also nach ein paar Tagen, gehen die in die Türkei zurück.
Bis jetzt, also wirklich, in den letzten Wochen sehe ich keine richtigen Probleme, und deswegen verstehe ich auch nicht, warum solche Stimmen in den letzten Wochen meinen, dass das so schlimm ist. Wenn das so schlimm wäre, würde ich es Ihnen auch sagen, es gibt Probleme. Ich bin natürlich ein optimistischer Mensch, aber wir reden von der Wahrheit, was wir sehen, und im Moment gibt es nicht solche Probleme.
Kassel: Wie blicken Sie denn – das kurz zum Schluss noch – in die Zukunft, wenn vielleicht auch der Moment kommt, wo Leute zurückgeschickt werden, die nicht freiwillig gehen werden?
Manchmal streiten die Pakistanis mit den Syrern
Kostopoulos: Ja … das ist was Wichtiges, das kann zu einem Problem werden, und deswegen wollte ich Ihnen sagen, damit ich auch ganz klar bin: Das einzige Problem, was ich auf den Hotspots in letzter Zeit sehe, dass es manchmal, also ab und zu Streitereien gibt zwischen Leuten von verschiedenen Nationen.
Manchmal streiten die Pakistanis mit den Syrern, weil die ersten, die Pakistanis, verstehen, dass sie die Ersten sind, die zurück in die Türkei geschickt werden und dass vielleicht – also das haben sie auch in ihrem Kopf, das ist irgendwie auch so – dass die Syrer eine bessere Zukunft haben werden.
Aber man kann leider nichts anderes machen. Die EU beziehungsweise Griechenland, die können nicht Millionen von Menschen gleich bekommen. Also irgendwie muss es laufen, und leider sind die Migranten die Ersten, die zurückgeschickt werden. Das klingt auch nicht gut, wenn man zu einem Menschen sagt, ich schicke ihn zurück, aber ich weiß nicht, wie das anders funktionieren könnte.
Kassel: Nikos Kostopoulos, Nea-Dimokratia-Politiker und Berater der Gouverneurin der Region Nordägäis aus Athen über die aus seiner Sicht im Moment recht reibungslosen Abläufe, zumindest in den beiden Hotspots auf Lesbos. Herr Kostopoulos, ich danke Ihnen sehr für das Gespräch!
Kostopoulos: Ich mich auch für die Einladung, eine schöne Woche wünsche ich Ihnen!
Kassel: Wünsche ich Ihnen auch, tschüss nach Athen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.