Finanzkrise

Reform des Bankensektors

30.01.2014
Es sei viele Jahre nur mühsam vorangegangen, aber nun stünden neue Abwicklungs- und Aufsichtsregeln kurz vor der Realisierung, sagt der Bankenexperte Jan Pieter Krahnen. Auch beim sogenannten Eigenhandel gebe es jetzt einen interessanten Weg. Am jüngsten Gesetzentwurf der EU-Kommission lobt er die starke Rolle der Bankenaufsicht.
Nana Brink: Über fünf Jahre ist es her, dass die Pleite der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers einen globalen Schock in der Finanzwelt auslöste und nicht zuletzt auch die Eurokrise. Seitdem versucht die Politik, das Risiko einzuschränken, dass große Banken – Stichwort "too big to fail" – von Staaten und letztlich uns, dem Steuerzahler, gerettet werden müssen. Die EU-Kommission hat gestern einen Gesetzesentwurf veröffentlicht, um diese Risiken einzuschränken. Vor allem will sie rund 30 große Banken den sogenannten Eigenhandel verbieten. Warum? Da wiederum hilft ein Blick auf die Pleite von Lehman Brothers: Die hatten nämlich Finanzwetten auf den US-Immobilienmarkt betrieben und sich schlicht verzockt mit ihrem Geld. Unter Eigenhandel fallen also nicht die Geschäfte, die eine Bank im Auftrag ihrer Kunden macht, sondern auf eigene Rechnung – und die große Frage ist jetzt: Was genau versteht man unter Eigenhandel und wer entscheidet das? Die Finanzwelt war gespannt auf die Vorschläge aus Brüssel, und gespannt war auch Jan Pieter Krahnen, Direktor des Center for Financial Studies an der Universität Frankfurt. Er berät seit vielen Jahren die Politik zum Thema Banken. Schönen guten Morgen, Herr Krahnen!
Jan Pieter Krahnen: Guten Morgen, Frau Brink!
Brink: Wie weitgehend ist denn der Vorschlag von EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier – ehrgeizig genug?
Krahnen: Nun, auf den ersten Blick wirkt der Vorschlag sehr bescheiden, weil er sich ganz alleine auf den Eigenhandel bezieht, über den Sie gerade schon gesprochen haben. Auf einen zweiten Blick, über den man vielleicht auch noch reden sollte, ist der Vorschlag wohl doch sehr viel wirksamer, als das auf den ersten Blick erscheint.
Brink: Jetzt bleiben wir vielleicht mal bei dem ersten Blick, denn der Eigenhandel, so wie wir das verstehen, ist ja sozusagen eine Sache, die die Bankenaufsicht entscheidet.
Krahnen: Ja, das Problem der ganzen Regulierungsansätze, die wir gerade diskutieren – das findet ja auch in Amerika statt, auch in England – ist, dass der Eigenhandel als Konzept, als Tätigkeit der Banken nicht eindeutig abzugrenzen ist von dem Geschäft für Kunden, das sie tätigen.
Brink: Warum nicht?
Krahnen: Nun, weil der Eigenhandel – Sie hatten es gesagt – auf eigene Rechnung mit eigenem Geld erscheint, dass aber die Handlungen, die eine Bank im Auftrag der Kunden macht, wird in der heutigen Welt, in der heutigen modernen Verflechtung mit den Kapitalmärkten nicht mehr trennbar sein von dem Eingehen einer eigenen Position. Also um an einem Beispiel das zu verdeutlichen: Eine Bank, die ein Sicherungsgeschäft macht, zum Beispiel für ihre Kassenpositionen, die geht eine Position ein, die genau so aussieht wie ein Eigenhandel. Und es ist eigentlich nur eine Frage der Perspektive, ob das auf eigene Rechnung ist oder ob das zur Absicherung einer Kundenposition ist.
Brink: Aber ist das dann nicht Augenauswischerei, was dann sozusagen aus Brüssel kommt, nach dem Motto, wir wollen euch beruhigen, wir nehmen da mal eine Trennung vor der verschiedenen Geschäfte der Banken?
Krahnen: Also so auf den ersten Blick, wie gesagt, ist das so, denn die Institute könnten sehr leicht hingehen und ihre Geschäfte allesamt als irgendwie kundenbezogen deklarieren. Dann wären sie gar kein Eigenhandel mehr und würden gar nicht unter das Verbot fallen. Aber man darf auch nicht vergessen, dass jedes Geschäft, was die Banken jetzt eingehen, sozusagen unter dem Vorbehalt steht, dass eine Aufsicht anders entscheiden könnte und sagt, nein, das ist ja doch Eigenhandel, und damit müsste das und hätte das gar nicht gemacht werden dürfen.
Brink: Also ist es eine gute Idee, dass die Bankenaufsicht letztendlich das dann entscheidet?
"Großer Ermessensspielraum"
Krahnen: Ja. Ich glaube, der interessanteste Aspekt dieser Regeln, die in diesem Barnier-Vorschlag enthalten sind, bezieht sich auf die starke Rolle der Aufsicht. Die hat nämlich einen großen Ermessensspielraum, und im Unterschied zu Regeln, die ganz strikt sagen, das eine ist abzutrennen, das andere nicht, hat dieser Barnier-Vorschlag eine Komponente, in der die Aufsicht über die Zeit hinweg immer neu entscheiden kann, welche Teile der Handelsgeschäfte eigentlich auszugliedern sind. Ist es nur der Eigenhandel oder sind es weitergehende Sachen, das, was man heute als Market-Making bezeichnet, also das Angebot von Handelsaktivitäten für andere Marktteilnehmer.
Brink: Sie haben ja eben gerade erklärt, dass es sehr schwierig ist, zumindest für die Außenstehenden, die Geschäfte einer Bank zu trennen. Dann frage ich mich aber, warum eine EU-Expertengruppe ja ein System der sogenannten Trennbanken gefordert hat, also genau das, nämlich dass die Banken aufgeteilt werden in eine Kundenabteilung und eine risikoreiche Investmentbank. Das müsste doch eigentlich die Lehre aus der Lehman-Brothers-Pleite sein?
Krahnen: Ja, ich kann mir auch vorstellen, dass das am Ende das Ergebnis sein wird, was auch nach diesem Vorschlag von Barnier passieren wird. Diese Kommission, die Sie ansprechen, die Liikanen-Kommission hatte vor mehr als einem Jahr empfohlen, alle Handelsaktivitäten auszugliedern. Jetzt, im Barnier-Vorschlag, wird nur ein Teil der Handelsaktivitäten, nämlich der Eigenhandel, komplett verboten, also nicht einfach nur ausgegliedert, und die restlichen Handelstätigkeiten werden gewissermaßen unter Beobachtung gestellt, und es muss die Aufsicht entscheiden, ob sie das auch ausgliedern will oder nicht. Und von daher haben wir es hier doch mit einer größeren Ähnlichkeit zu tun, als es auf den ersten Blick erscheint. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die Aufsicht, die ja in Zukunft nicht mehr die nationale Aufsicht sein wird, sondern die europäische, einheitliche Aufsicht, hier sehr weitgehende und einer Abtrennung ähnliche Vorschriften erlassen wird.
Brink: Aber trotzdem bleibt ja das Risiko, was man ja uns verspricht, dass es gemindert werden würde, denn zum Beispiel sollte die Commerzbank fallen oder die Deutsche Bank taumeln, dann bliebe der Politik ja auch heute nichts anderes übrig, als den Steuerzahler zur Kasse zu bitten, eben um diese Institute zu retten, Stichwort "too big to fail". Funktioniert diese Erpressung mit der Angst dann vor dem Chaos immer noch?
Geldinstitute "kleiner, zerlegbarer, abwickelbarer machen"
Krahnen: Also die ganze Idee mit der Abtrennung war ja begründet in der Vorstellung: Wir wollen Institute handhabbarer, also im Grunde kleiner, zerlegbarer, abwickelbarer machen als bisher. Und ich denke, dass dieser Aspekt nur erreicht werden wird, wenn dieser zweite Blick, den ich eben angesprochen habe, sich auch in der Aufsicht durchsetzt, wenn wir also eine starke Aufsicht haben, die sich unter Umständen auch nicht scheut, die gesamten Handelsaktivitäten auszugliedern.
Brink: Nun wagen wir noch mal zum Schluss eine Perspektive: Die Pleite von Lehman Brothers ist ziemlich lange her. Wir haben Europaparlamentswahlen 2014. Unwahrscheinlich, dass sich die Politik bald damit beschäftigen wird. Sind Sie nicht frustriert als Politikberater?
Krahnen: Also ich war das lange Jahre, muss ich sagen, weil ich ja seit Jahren in dem Prozess drin bin und es sehr mühsam vorangeht. Aber jetzt sind die Fortschritte ganz enorm. Das gesamte Paket, was wir als Bankenunion bezeichnen, die Abwicklungsregeln, die Aufsichtsregeln sind im Endstadium der Realisierung, und wir haben jetzt eben auch diesen Schlussstein, möchte ich mal sagen, der sich um das Handelsgeschäft geht, auf einen interessanten Weg gebracht, sage ich mal. Also ich bin nicht pessimistisch.
Brink: Sehr diplomatisch – Jan Pieter Krahnen, Direktor des Center for Financial Studies an der Uni Frankfurt. Danke schön, Herr Krahnen, für Ihre Einschätzungen!
Krahnen: Danke, Frau Brink!
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