Filmemacherin und Aktivistin Theresa Breuer

Ihre Luftbrücke rettet Menschen aus Afghanistan

38:26 Minuten
Porträt der Journalistin und Aktivistin Theresa Breuer in der Natur in Regenjacke mit Kamera in der Hand.
Nach ihrer journalistischen Ausbildung hat es Theresa Breuer in die Welt gezogen. © Julie Hotz
Moderation: Britta Bürger · 29.11.2021
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Die Journalistin Theresa Breuer arbeitete an einem Film über afghanische Bergsteigerinnen, als die Taliban Kabul eroberten. Um Menschen zu helfen, hat sie die "Luftbrücke Kabul" gegründet. 800 Personen konnte sie bisher aus Afghanistan evakuieren.
Den Vergleich mit einer Reiseleiterin und Logistikunternehmerin findet Theresa Breuer gar nicht so abwegig. Gerade ist sie aus Afghanistan zurückgekehrt und hat als Initiatorin der "Luftbrücke Kabul" die Ausreise von mehreren Hundert Menschen organisiert. Es mussten Pässe, Visa und Flugtickets besorgt werden.
"Am Ende des Tages stand ich tatsächlich wie eine Reiseleiterin vor dem Flughafengelände in Kabul mit einer Passagierliste", erzählt sie. "Dann habe ich mit den Taliban darüber verhandelt, dass das auch alles seine Richtigkeit hat, dass es exakt diese 147 Menschen sein müssen, die jetzt auf diese Maschine kommen."

Wochenlange Verhandlungen

Die Ausreise über die "Luftbrücke Kabul" sei aber nur für diejenigen möglich, "die eine Aufnahmezusage für Deutschland haben", erklärt die Journalistin und Aktivistin.
Aber wie chartert man überhaupt ein Flugzeug, zumal in der aktuellen Lage in Afghanistan? "Man ruft bei einer Fluggesellschaft an", erzählt Breuer, „und begibt sich in wochenlange Verhandlungen. Da werden einem erst exorbitante Preise genannt, dann einigt man sich irgendwann in der Mitte."
Aber auch über den Landweg habe man Afghanen aus dem Land bringen können. Insgesamt fast 800 sollen es mittlerweile sein.
Ohne die Hilfe der deutschen Botschaft in Pakistan sei das alles nicht möglich gewesen. In Kabul bekomme man auch Unterstützung von "Reporter ohne Grenzen", dem Max-Planck-Institut oder "Medica mondiale": Organisationen, so Theresa Breuer, die "selber noch Leute im Land haben".

Verantwortung für afghanische Frauen

Den Schritt zur Aktivistin erklärt die Filmemacherin mit ihrer Verantwortung, die sie "gewissen Personen" gegenüber habe.
"Die Taliban sehen Menschen als Verräter an, die mit Westlern, in welcher Form auch immer, zusammengearbeitet haben. Und ich habe besonders viel mit jungen Frauen zusammengearbeitet, die sich sehr laut und aktiv für ihre Rechte eingesetzt haben."
Zu den ersten Frauen, die Theresa Breuer evakuieren wollte, gehören junge Bergsteigerinnen. Die Filmemacherin hatte sie 2019 bei einer Expedition auf den Noshaq begleitet. Fast 7500 Meter misst der höchste Berg Afghanistans, im Hindukusch-Gebirge an der Grenze zu Pakistan.

"Die wollten ihr Land verbessern"

Als sie die Gruppe kennenlernte, waren die meisten von ihnen noch Teenager. Bis heute spricht Breuer daher von "den Mädchen". Eine der Bergsteigerinnen habe man mit zwölf Jahren verheiratet, mit "einem sehr gewalttätigen und älteren Ehemann".
Auch wenn die jungen Frauen alle sehr "unterschiedlich" seien, habe Breuer eine Gemeinsamkeit festgestellt: "Sie sind alle durch das Bergsteigen aufgegangen. Sie haben das erste Mal Freiheit erlebt. Ein Mädchen hat mal zu mir gesagt: Ich habe in den Bergen festgestellt, dass ich meine eigenen Gedanken habe. Das war mir vorher so nie klar. Die sind einfach aufgeblüht.“
Heute leben die Frauen in Deutschland. Aber, so erzählt die Aktivistin, es gehe ihnen schlecht. "Die wollten ihr Land verändern und sind damit gescheitert. Diese Menschen wollten ihr Land nicht verlassen. Die wollten ihr Land verbessern."

Ein Leben in Krisenregionen

Theresa Breuer wurde 1986 in Düsseldorf geboren, studierte Publizistik und Politikwissenschaften, absolvierte die Journalistenschule in München. Danach zog es sie schnell in die Welt. Breuer lebte in Ägypten, Israel oder dem Libanon. Erst schrieb sie Reportagen, später beschäftigte sie sich immer öfter mit dem Dokumentarfilm. "Ich habe gemerkt, dass das meine absolute Leidenschaft ist, dass mir das sehr viel mehr liegt, sehr viel mehr Befriedigung gibt."
Der Libanon und Afghanistan "haben es mir angetan", sagt die Journalistin. "Wie sich Menschen in Krisensituationen verhalten, hat mich schon immer interessiert."
Für ihren Film über die Bergsteigerinnen zog Breuer 2019 daher auch nach Afghanistan. Von den Eltern habe sie für ihre Entscheidungen stets Unterstützung erfahren, auch regelmäßige Besuche bekommen. Aber nach Kabul sollten sie besser nicht reisen. "Afghanistan ist kein Ort für Mütter", habe sie am Telefon gesagt.
Breuers Film ist bislang nicht erschienen. Für die Angehörigen der jungen Frauen, die noch in Afghanistan leben, sei die Veröffentlichung zu gefährlich. "Am Ende muss es die Entscheidung der Bergsteigerinnen sein, ob dieser Film rauskommt oder nicht."
(ful)
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