Fabio Genovesi: "Die Botschaft der Riesenkalmare"

Aus Krakenmythos wird Realität

Das Cover des Buchs "Die Botschaft der Riesenkalmare". Darauf ist der Titel des Buches sowie ein Kopf eines Kalmars mit seinen Tentakeln.
© S. Fischer Verlag

Fabio Genovesi

Übersetzt von Karin Krieger

Die Botschaft der RiesenkalmareS. Fischer, Frankfurt am Main 2022

192 Seiten

20,00 Euro

Von Michael Lange · 23.08.2022
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Zahlreiche Erzählungen ranken sich um die vielarmigen Riesenkalmare. Seefahrer berichteten von gigantischen Kraken aus der Tiefsee. Erst später entdeckten Wissenschaftler, dass es sich nicht um Fantasiewesen handelte, sondern um reale Weichtiere.
Fabio Genovesi liebt das Meer und Geschichten über das Meer. Deshalb wundert es nicht, dass in seinem Gehirn immer wieder Fabelwesen herumspukten, schon in seiner Kindheit. Er sammelte alles, was er über mysteriöse Seeungeheuer finden konnte.
Immer wieder berichteten fantasiebegabte Seeleute von schockierenden Begegnungen auf hoher See. Oft war von vielarmigen Kraken die Rede, die versuchten, die Seefahrer samt ihren Schiffen mit sich in die Tiefe zu ziehen.

Verliebt in Tiefsee-Ungeheuer

So berichtete die Besatzung der französischen Corvette Alecton von einer riesigen Medusa mit unzähligen verschlungenen Schlangen auf ihrem Kopf. Andere hatten angeblich ein zwei Kilometer langes schlangenförmigen Monster gesehen.  
Trotz der gewaltigen Größe und der grausamen Geschichten ist Genovesi geradezu vernarrt in das Ungeheuer. Er liebt die Geschichten, aber will auch wissen: Was ist dran an den unzähligen lebendigen Schilderungen? Was ist wirklich passiert und was haben sich übernächtigte Seefahrer nur ausgedacht?
Die Wissenschaft zweifelte. Lange Zeit blieb unklar, ob es die vielarmigen, monströsen Kreaturen aus der Tiefe überhaupt gibt. Wer die Berichte der Seeleute akzeptierte, machte sich im Kreise der Experten zur Lachnummer.
Doch die Funde häuften sich und bestätigten die nur manchmal übertriebenen Geschichten. Anscheinend wussten begabte Geschichtenerzähler mehr über die Lebewelt der Tiefsee als die an Fakten orientierte Fachwelt.

Wissenschaft lernt von Geschichten

Irgendwann musste die Wissenschaft kapitulieren. Ende des 19. Jahrhunderts stand fest: In der Tiefe der Ozeane leben zwei Spezies riesiger „Kopffüßler“, bis zu 20 Meter lang. Der Riesenkalmar und der Kolosskalmar.
Sie gehören zu den Tintenfischen, verwandt nicht etwa mit Walen oder Haien, sondern mit Schnecken und Muscheln. Weichtiere mit großen Augen und einem verzweigten Gehirn, das bis in die langen Tentakel reicht. Ein Wunder der Natur, mit Verstandesleistungen, die die Wissenschaft ihnen lange Zeit nicht zugetraut hatte.

Neues Monster heißt Plastik

Zum Schluss erzählt Genovesi eine aktuelle Geschichte aus dem Meer: Menschgemachtes Plastik verbreitet sich unaufhörlich und zerstört den größten und schönsten Lebensraum. Eine wunderbare Welt geht zugrunde.
Unfassbar und doch wahr. Eine Schildkröte verwechselt eine Einkaufstüte mit einer appetitlichen Qualle. Der Pottwal hält Unterseekabel für Tentakel eines Kalmars und möchte sie verspeisen.
Fabio Genovesi hat viel recherchiert, aber sein Buch ist kein Sachbuch. Mehr als die Fakten interessieren ihn die Erzählungen. Er ist überzeugt: Geschichten, die sich Menschen über das Meer erzählen, sind mindestens so bedeutsam wie nachprüfbare Informationen. Er schreibt mit viel Sympathie, manchmal melancholisch: Ein Liebesbrief an das Meer, die Riesenkalmare und an das Geschichtenerzählen.

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