Experte zum Weltspieltag

"Wir nehmen das Spiel nicht ernst"

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Ein Schild mit der Aufschrift "Spielende Kinder" an einem Spielplatz, im Hintergrund ein Spielzeug-LKW
Wenn man schon ein Schild braucht: "Spielende Kinder" © imago/blickwinkel/R.Schoenenberg
André Stern im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 28.05.2019
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Ballett, Chinesisch, Fußball: Der Alltag der Kinder ist oft durchgetaktet. Das Wichtigste kommt dabei zu kurz, sagt der Buchautor André Stern: das freie Spiel. Und das habe auch negative Folgen für das Lernen.
Einen Spielzeugbus hin und her fahren lassen, immer und immer wieder: Was für Erwachsene stupide wirkt, ist für Kinder spannend. Denn sie tauchen in eine andere Welt ein und zeigen dabei eine "unglaubliche Ausdauer", erklärt André Stern im Deutschlandfunk Kultur. Der Autor ("Begeisterung: Die Energie der Kindheit wiederentdecken") sieht im freien Spiel der Kinder etwas Elementares:
"Sie tauchen dabei in zwei Welten ein, die wir getrennt haben. Aber es geht uns erst gut, wenn wir sie wieder zueinander bringen: nämlich die imaginäre Welt einerseits und die so genannte reale Welt andererseits. Kinder sind Grenzbewohner, die ständig von der einen in die andere reisen. Die holen einen Stein aus der Realität und machen in der imaginären Welt daraus ein Auto."

Misstrauensantrag an die Kindheit

Dass Zeit für freies Spiel heute immer knapper zu werden scheint, hat nach Sterns Ansicht mit der Haltung zu tun, wie wir als Gesellschaft entwickelt haben:
"Wir haben nämlich so eine Art Misstrauensantrag erstens an die Kindheit prinzipiell ausgesprochen und zweitens auch an das Spiel." Das sei nun aber einmal das Element der Kinder. "Wir nehmen das Spiel nicht ernst." Dabei sei es die "heiligste" Tätigkeit des Kindes und überhaupt des Menschen.
Auch Spielen und Lernen hätten wir getrennt, so Stern: "Wir denken immer, dass Lernen so wichtig sei und Spielen nur noch nebenbei machbar, und zwar in der Freizeit."
Dabei habe die Wissenschaft erwiesen, dass das Gehirn eine Information nur speichern könne, wenn sie interessant sei. Wir lebten in einer Gesellschaft, die es für normal halte, dass wir 80 Prozent von dem vergessen, was wir lernen sollten. Sterns Rat an die Eltern: Einfach mal den Druck aus dem Kessel nehmen.
(bth)
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