Musikmanagerin Eva Ries
Eva Ries und Rapper Raekwon in der Doku “EVIL-E – Eva Ries und der Wu-Tang Clan” © NDR / Thomas McKenna
Die Bändigerin des Wu-Tang Clans

Eva Ries managte viele Jahre den skandalumwitterten Wu-Tang Clan. Sich als Frau und Deutsche in der männerdominierten Hip-Hop-Szene der USA durchzusetzen, war nicht immer einfach. Was ihr geholfen hat: authentisch sein und smartes Kontern.
Als Eva Ries in den frühen 90ern zum ersten Mal einen Song des Wu-Tang Clan hört, ist das in ihren Ohren eine Katastrophe. „Es war wirklich so, dass ich dachte: Um Himmels willen, was ist das für ein fürchterlicher Krach?“
Die erprobte Marketingmanagerin hatte vorher mit Bands wie Nirvana oder Guns N‘ Roses zu tun – Grunge und Hardrock, überwiegend weiß geprägt. Beim Wu-Tang Clan fragt sie sich: Kann man diese Musik jemals verkaufen? Vielleicht in den USA. Aber auch in Europa und anderswo? Eher nicht …
Trotz riesiger Zweifel wagt die damals 30-Jährige Ries den Sprung über den großen Teich – und macht den „Clan“ später zu einer der erfolgreichsten Gruppen der Hip-Hop-Geschichte.
Der Wu-Tang Clan – neun skandalumwitterte Gangster-Rapper
Die Mitglieder des Wu-Tang Clans sind nicht etwa an der Upper East Side aufgewachsen. In den 90ern leben sie in den Armenvierteln New Yorks: in Staten Island, in Brooklyn oder der Bronx. Vor den Kameras wird gestritten und geprügelt, hinter den Kulissen gelten sie ebenso als unberechenbar.
Aber: Ihren harten Alltag, Kriminalität und Knasterfahrung – all das bringen die Rapper mit Namen wie RZA, GZA, Ghostface Killah oder Method Man in ihre Tracks ein. 1993 markiert das Debütalbum der Gruppe einen musikalischen Meilenstein. Mit der Platte „Enter the Wu-Tang (36 Chambers)“ gab es plötzlich einen neuen Sound und Gebaren auf der Bühne. Der Wu-Tang Clan beeinflusst den weltweiten Hip-Hop bis heute.
Von der badischen Provinz ins New Yorker Problemviertel
„Ich komme aus einem kleinen Städtchen zwischen Mannheim und Heidelberg, wo alles irgendwie heile Welt ist“, betont die gelernte Fotografin Ries. 1994 dann plötzlich in den Brennpunktvierteln der Mega-Metropole New York.
Anfangs schlägt ihr das neunfache Misstrauen der „Clan“-Mitglieder spürbar entgegen. Eine weiße Frau aus Deutschland – mit Perlenkette und Jeanskleid – soll die harten Jungs des Wu-Tang Clans managen?
Die erste große Herausforderung: zu verstehen, was die Wu-Tang-Jungs überhaupt rappen. „Es ist ja wirklich auch ein bisschen Ghetto-Englisch und da muss man sich erst mal reinhören“, sagt sie.
Die erste große Herausforderung: zu verstehen, was die Wu-Tang-Jungs überhaupt rappen. „Es ist ja wirklich auch ein bisschen Ghetto-Englisch und da muss man sich erst mal reinhören“, sagt sie.
Die Aussprache ist die eine Sache – eine weitere sind sprachliche Codes: „Diese Worte, die sie benutzen, die haben ja oft eine doppeldeutige oder ganz andere Bedeutung als das, was man auf den ersten Blick dahinter vermutet.“
Hip-Hop-Nachhilfe vom Wu-Tang Clan
Vor ihrem Engagement beim Wu-Tang Clan hatte Eva Ries das Marketing in Europa für Rockbands wie Guns'n'Roses übernommen. In musikalischer Hinsicht fühlt sie sich deshalb beim „Clan“ anfangs wie von einem anderen Planeten. Ihre Lösung: das Problem einfach beim Namen nennen.
„Ich war brutal ehrlich und habe gesagt: Ich verstehe von nichts etwas, was ihr macht.“ Die gesamte Black Culture, sagt Ries, war ihr fremd. Vielleicht ist es genau diese Geradeaus-Mentalität der Deutschen, die die rauen Wu-Tang-Rapper beeindruckt. Die neun Musiker nehmen Ries unter ihre Fittiche, werden quasi zu ihren Mentoren in Sachen Hip-Hop.
Als deutsche Frau in der Männerdomäne Hip-Hop
Frauenfeindlichkeit ist in der Welt des Rap auch heute präsent – im amerikanischen Hip-Hop der 90er aber noch potenziert. Rückblickend bestätigt Eva Ries diese toxische Männlichkeit. „Es gab natürlich sexistische Äußerungen des Wu-Tang Clans oder Chauvinismus“, sagt sie, „aber das gehört irgendwie zum Genre.“
Kann sein, dass ich aussah wie eine Grundschullehrerin. Aber das war auch ein bisschen tatsächlich meine Rolle. Es war immer wie ein permanenter Klassenausflug.
Bei Äußerungen, die wirklich „nur blöd“ sind, wie sie sagt, gibt die damals 30-Jährige hart Kontra – zum Beispiel, als ein „Clan“-Mitglied ihr im Tourbus sagt, sie müsse doch endlich mal schwanger werden, wegen der biologischen Uhr.
„Da habe ich zu ihm gesagt, es geht dich einen Scheiß an, ob ich Kinder kriege oder nicht. Kümmere dich um deinen eigenen Dreck!“
Meistens, sagt Ries, kamen aber Kommentare, die sich in einem witzigen Rahmen befinden – „das habe ich ihnen dann nicht übel genommen.“
RZAs Schwester – ein Fels in der Brandung
In den 90ern gibt es nur wenige Frauen in Eva Ries‘ Arbeitsumfeld – das gilt für den US-Rap, aber auch für die Musikindustrie generell. Eine Art Insel findet die junge Managerin in Sophia Diggs, die ältere Schwester von Rapper „RZA“ – das treibende Mastermind hinter dem Wu-Tang Clan. „Die war auch für mich oftmals eine Frau, bei der ich mich ein bisschen auskotzen oder ausheulen konnte, obwohl die jetzt nicht in einer Managementfunktion war. Aber sie war halt Familie“, erinnert sich Ries.
Ich habe es nie nötig gehabt, wie ein Teil der Szene auszusehen.
Schon früh kapiert die Deutsche aus der badischen Kleinstadt: Wenn sie einfach sie selbst bleibt, wirkt das am ehrlichsten. Hip-Hop-Klamotten oder Rapper-Slang sind für Ries deshalb keine Option. „Ich habe es nie nötig gehabt, wie ein Teil der Szene auszusehen“, sagt sie.
Ries: „Kann sein, dass ich aussah wie eine Grundschullehrerin. Aber das war auch ein bisschen meine Rolle. Es war immer wie ein permanenter Klassenausflug.“
Ries: Ein Mann hätte es als Manager schwerer beim Clan gehabt
Dass ihre weiße Hautfarbe ein Vorteil für den Job ist, glaubt Ries im Rückblick nicht. Im Gegenteil: Sie erzählt von Verschwörungstheorien und Unterstellungen, die es vor allem anfangs zu widerlegen gilt. Ries sei in Wahrheit FBI-Agentin und wolle den „Clan“ unterwandern, heißt es einmal. „Da sind die unmöglichsten Sachen über mich verbreitet worden.“
Gleichzeitig ist sie überzeugt: Ein Mann hätte es als Manager beim Wu-Tang Clan noch schwerer gehabt. „Mich haben die Jungs ja nicht als direkte Konkurrenz gesehen. Ich glaube, bei einem Mann bricht immer sofort dieser Pissing Contest aus. Wer kann am weitesten pissen?“
Die ARD-Doku über Eva Ries
In einer Doku, die in der ARD Mediathek zu sehen ist, wird Eva Ries` Zeit mit dem Wu-Tang Clan in 74 Minuten vertieft. Der Titel beinhaltet auch den street name, die die Wu-Tang-Jungs ihrer Managerin damals liebevoll verleihen: Evil-E. Genaugenommen sei das aber nur der halbe Name, sagt Ries. Vollständig lautet er: Evil-E-Killerbee. „Also ich bin ja auch noch die tödliche Biene, die zusticht.“
In der Dokumentation wechseln sich Archivaufnahmen mit neueren Interviews ab – letztere stammen aus dem Jahr des 30. Bandjubiläums, also 2023.
Kritik an ihrer früheren Managerin äußern die Wu-Tang-Rapper in der Doku nahezu gar nicht.
Ries: „Es war tatsächlich so, der Wu-Tang Clan hatte nichts Negatives über mich zu sagen und das finde ich eigentlich sehr schön. Also nach all den Jahren.“
Vielleicht sind die neun Rapper im Laufe der Jahre auch einfach milder geworden. In der Doku sagt Wu-Tang-Mitglied Raekwon zu Ries: „Du hattest mit uns zu tun, da waren wir noch Kinder. Viele verstehen nicht, wie schwer das war. Ein Haufen Männer aus kaputten Familien zu babysitten, die über Nacht zu Superstars wurden.“