50 Jahre Hip-Hop

Der Breakbeat, der die Welt erschütterte

Hand eines DJs auf einem Plattenteller beim Scratching.
50 Jahre Hip-Hop: Mit zwei Plattenspielern und einem Mischpult startete DJ Kool Herc eine musikalische Revolution. © picture alliance / PYMCA / Photoshot / Jennie Baptiste
29.02.2024
Vor 50 Jahren legte eine Party im New Yorker Stadtteil Bronx den Grundstein für eine weltverändernde urbane Kultur: DJ Kool Herc "erfand" hier den Hip-Hop. Heute ist Hip-Hop das erfolgreichste Musikgenre überhaupt.
Rappen, DJing, Breakdance, Graffiti – alles, was zur Hip-Hop-Kultur dazugehört, kennt heutzutage fast jeder. Aber wie konnte es dazu kommen, dass eine kleine Subkultur aus der New Yorker Bronx weltweit erfolgreich wurde? Wir nehmen Sie mit auf einen kleinen Streifzug durch die Geschichte des Hip-Hop – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Die Anfänge

New York im August 1973: Die Stadt leidet unter einem Schuldenberg, Geld für Sozialprogramme fehlt, das zeigt sich vor allem im Stadtteil Bronx: kaputte Straßen, abrissreife Häuser, Jugendliche hängen desillusioniert auf der Straße rum.
In einem der Häuser, die Spekulanten absichtlich verkommen lassen, veranstaltet DJ Kool Herc eine sogenannte Blockparty. Hier präsentiert der Sohn jamaikanischer Einwanderer seine Technik, mittels zweier Schallplattenspieler und eines Mischpults die Instrumentalpassagen von Funk- und Soulsongs nahezu endlos zu verlängern - quasi ein manuelles Loopen und Samplen.
Ganz besonders angetan haben es Herc die Drumbreaks in den Stücken, meistens reine Schlagzeugfiguren, Passagen, zu denen die Tänzer besonders hart abgehen (weshalb Herc sie auch später Breakdancer nennt). Über diese Instrumentals spricht sein Freund Coke La Rock Reime, um das Publikum anzufeuern – der Rap war geboren.
Die Grundkonstruktion – ein DJ, der die Beats liefert, und ein MC (Master of Ceremonies), der die Party pusht – war lange Zeit stilprägend für den Hip-Hop.
Ein Flyer aus der Zeit datiert die Party auf den 11. August 1973. Sie wird im Nachhinein als Geburtsstunde des Hip-Hop bezeichnet.

Von der Bronx in die Welt

Zunächst breitete sich Hip-Hop in den Gettos von New York aus. Hip-Hop war aber nicht nur eine neue Musikrichtung, sondern eine ganz neue urbane Subkultur. Dazu gehörten die Graffiti-Sprayer, die sich auf New Yorks U-Bahnen verewigten, genauso wie die Breakdancer (kurz „B-Boys“) mit ihrem verrückten Tanzstil.
Weltweit bekannt wurde Hip-Hop aber erst 1979 durch einen Track, der auf einem Disco-Hit basierte: „Rapper’s Delight“ von der Sugarhill Gang. Das fast zwölfminütige Stück war ein Riesenhit auf den Dancefloors dieser Welt. Die einprägsame Basslinie stammte von dem Tune „Good Times“ der Disco-Band Chic.
War der Einfluss von Hip-Hop zunächst auf New York begrenzt, wurde er im Laufe der 80er-Jahre zu einer weltweiten Jugendkultur.

Eskapismus und Sozialkritik

Am Anfang war Hip-Hop vor allem eines: Partymusik, sagt Coke La Rock. Mit der Zeit wurde es aber auch zum Vehikel von Sozialkritik, was sich in dem Hit „The Message“ von Grandmaster Flash & the Furious Five aus dem Jahr 1982 zeigte. Darin geht es um das Leben in den überwiegend von Schwarzen bewohnten Gettos New Yorks, um Perspektivlosigkeit und Rassismus.

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Gesellschaftskritik auf einem Breakbeat: Das perfektioniert Mitte der Neunzigerjahre die New Yorker Crew Public Enemy. Mit einem Feuerwerk an Samples und aggressivem Rap halten sie den USA den Spiegel vor – aus Sicht der Unterprivilegierten.
Ihr zweites Album „It Takes a Nation of Millions to Hold Us Back“ gilt heute als Meilenstein des Genres – und sprengt zugleich Grenzen, was die Zusammenarbeit mit den Trash-Metallern von Anthrax oder später mit Rage Against The Machine zeigt.
Mit Reimen auf gesellschaftliche Missstände hinzuweisen, das kommt im Hip-Hop nie aus der Mode.
Mitte der 90er-Jahre etabliert sich als neues Genre der sogenannte Gangsta-Rap, der vor allem an der US-Westküste aufblüht. Künstler wie N.W.A., Ice-T oder Snoop Dogg beschreiben darin das (vermeintliche) Leben eines Kriminellen aus dem Getto mit besonderem Augenmerk auf Drogenhandel, Gangrivalitäten und Schusswaffengebrauch.
Kritiker werfen ihnen vor, sie würden das Gangsterleben glorifizieren. Die Künstler selbst erwiderten, sie schilderten nur die Realität.

Deutschrap: Musik für Ausgegrenzte und Mittelstandskids

Auch in Deutschland fand Hip-Hop schnell Anhänger. Zu Beginn traf man sich in Jugendzentren zum Freestyle-Battlen oder Breakdance. Als einer der Pioniere des deutschsprachigen Freestyles gilt Torch von der Heidelberger Formation Advanced Chemistry. Die Heidelberger Hip-Hop-Kultur hat inzwischen höchste Weihen erfahren, sie wurde in diesem Jahr in das immaterielle Kulturerbe der UNESCO aufgenommen.
Die Hip-Hop-Szene in Deutschland sei am Anfang sehr überschaubar gewesen, erzählt der Rapper Samy Deluxe: „Bei den Hip-Hop-Jams kam das Publikum aus der Szene. Die Breakdancer, die Graffiti-Maler, die DJs standen selber im Publikum und haben jeweils den anderen auf der Bühne angeguckt. Dann haben wir den Switch Anfang 2000 gemerkt, wo man auf einmal quasi den Schulhof erreicht hat.“
Der Hype habe aber auch etwas Positives gehabt: „Hip-Hop hat der Gesellschaft den Stock aus dem Arsch gezogen, Hip-Hop hat die Schleuse geöffnet, um die echte Welt auch in der Medienwelt stattfinden zu lassen.“
Mitte der 90er-Jahre wurde deutscher Hip-Hop durch Bands wie die Fantastischen Vier zum Pop-Phänomen und Kassenschlager. In Hamburg zeigten Eins Zwo, Fettes Brot, Der Tobi und Das Bo oder Fischmob, dass deutscher Hip-Hop voller Wortwitz und Ironie sein kann. Was den Genannten aber im Gegensatz zu ihren US-Vorbildern fehlte, war Street-Credibility. Themen wie Gewalt auf der Straße, Kriminalität oder Gangrivalität waren diesen Mittelstandskids fremd.

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In den Nullerjahren sorgte das Label Aggro Berlin mit Künstlern wie Bushido, Sido und Fler für Aufsehen, denn die Songs waren gewaltverherrlichend und sexistisch – fanden zumindest die Prüfstelle für jugendgefährdende Schriften und zahlreiche Pädagogen. Dem Erfolg tat das keinen Abbruch: Die Platten heimsten Platin und Echos ein.
Heute zeigt der Erfolg von Künstlern wie Peter Fox, Haiyti, Trettmann oder auch Apache 207, dass Deutschrap sehr vielfältig ist und längst zum Mainstream gehört.

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Vom Underground zum Mega-Business

Heute ist Hip-Hop aufgespalten in unzählige Subgenres von Trap über Cloud-Rap bis Trip-Hop. Und es ist schon lange kein Subkultur-Phänomen mehr, sondern vor allem ein Riesengeschäft. Hip-Hop wird an Unis unterrichtet, es gibt Hip-Hop-Akademien, an denen man Breakdance, Graffiti oder eben Freestylen lernen kann, Rapper betreiben eigene Modelabels oder treten in Realityshows auf.
„Hip-Hop ist das erfolgreichste Musikgenre, das es zurzeit gibt“, sagt Musikjournalist Raphael Smarzoch. „Musikerinnen und Musiker wie Beyoncé, Drake oder Kendrick Lamar – das sind die Rockstars von heute.“
Doch trotz des Mega-Erfolges klingt Hip-Hop auch heute noch fresh und dope.

abu, Falk Schacht, Raphael Smarzoch
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