Europawahl

Wer wird neuer EU-Kommissionspräsident?

Montage: Die Spitzenkandidaten bei der Europawahl, Jean-Claude Juncker für die Konservativen (l.) und Martin Schulz für die Sozialdemokraten
Die Spitzenkandidaten bei der Europawahl, Jean-Claude Juncker für die Konservativen (l.) und Martin Schulz für die Sozialdemokraten © dpa / Julien Warnand / Olivier Hoslet
Von Annette Riedel · 26.05.2014
Nach der Europawahl hat die Debatte über die Nachfolge des EU-Kommissionspräsidenten Barroso begonnen. Obwohl die Europäischen Volksparteien (EVP) mit Spitzenkandidat Juncker die meisten Stimmen erhielten, ist das Rennen für Martin Schulz (SPD) noch nicht gelaufen.
Die Konservativen haben die Europawahlen gewonnen. Die Fraktion der Europäischen Volksparteien, EVP, der CDU/CSU angehören, wird auch im neuen EU-Parlament die größte sein – mit welchem Vorsprung vor den Sozialdemokraten genau, war in den frühen Morgenstunden noch offen. Allerdings haben die Konservativen erhebliche Verluste hinnehmen müssen und werden wohl Dutzende von Sitzen verlieren. Was EVP-Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker nicht davon abhielt, in sehr klaren Worten seinen Anspruch darauf zu formulieren, verabredungsgemäß als Kandidat der stärksten Fraktion als Erster zu versuchen, im Parlament und unter den Regierungen der EU-Länder eine Mehrheit zu organisieren, um der nächste Präsident der EU-Kommission zu werden:
"Ich will EU-Kommission-Präsident werden, denn die EVP hat die Wahlen eindeutig gewonnen."
Das ist wohl so, obwohl in den kommenden Tagen noch zu klären sein wird, wohin sich die immerhin 64 neuen, noch keiner Fraktion zugeordneten Abgeordneten orientieren, ob nicht der eine oder andere davon in die bestehenden Fraktionen aufgenommen werden möchte und aufgenommen wird und diese dann entsprechend zahlenmäßig wachsen.
Das Gebot der Stunde: Mehrheiten organisieren
Der Abstand zwischen den beiden größten Fraktionen ist im Vergleich zur letzten Europawahl kleiner geworden. Obwohl auch die sozialdemokratische Fraktion Verluste hinnehmen musste, wird sie jedoch in erheblich geringerem Umfang dezimiert. Woraus deren Spitzenkandidat Martin Schulz zwar nicht den Anspruch ableiten kann, als Erster der Spitzenkandidaten zu versuchen, Mehrheiten zu organisieren. Aber das Rennen ist für die Sozialdemokraten im EU-Parlament, die ohnehin den ersten Ergebnissen in der Nacht noch nicht abschließend trauen wollten, noch keinesfalls endgültig gegen Martin Schulz gelaufen.
Martin Schulz: "Juncker wird versuchen, im Parlament eine Mehrheit zu organisieren. Das steht ihm zu, aber ich werde es auch versuchen. Wir werden sehen, wer am Ende für sein Programm eine Mehrheit findet."
Eine Mehrheit im neuen EU-Parlament mit 751 Abgeordneten ist nur in einer Art Großen Koalition möglich. Wenn nicht mit den Extremen im Parlament gemeinsame Sache gemacht würde. Juncker schloss in der Nacht kategorisch aus, sich von der extremen Rechten als Mehrheitsbeschaffer wählen zu lassen. Aber er werde auch nicht um die Unterstützung der Sozialdemokraten betteln:
"Als Spitzenkandidat der stärksten Partei muss ich nicht vor den Sozialdemokratie auf die Knie gehen. Aber selbst die stärkste Partei wird Kompromisse eingehen müssen."
Auch der Liberale Kandidat Guy Verhofstadt rechnet sich durchaus noch Chancen aus, Kommissionspräsident zu werden, sollten beide, Juncker und Schulz, keine Mehrheiten im Parlament und in den Hauptstädten finden.
Verhofstadt: "Ich halte es für möglich, für unsere Vorstellungen der Kommissionarbeit Mehrheiten zu finden."
Es war in der Nacht noch keineswegs ausgemacht, dass es nicht noch Wochen und Monate dauern könnte, bis tatsächlich ein Nachfolger für den amtierenden EU-Kommissionspräsidenten Barroso gefunden ist.
Dramatisches Desinteresse an der Wahl in Osteuropa
Deutlich zu spüren war die allgemeine Erleichterung, dass die Wahlbeteiligung zwar nur um einen Hauch gestiegen – aber zumindest erstmals gegen den Trend nicht weiter zurückgegangen ist, mit knapp jetzt über 43 Prozent im EU-Durchschnitt. Der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten Hannes Swoboda:
"Das vorhergesagte große Desaster, dass die Wahlbeteiligung noch einmal dramatisch nach unten gehen würde, ist ausgeblieben."
Wobei gerade in osteuropäischen EU-Ländern ein sehr wohl dramatisch zu nennendes Desinteresse an den Europawahlen zu verzeichnen wahr – mit Tschechien und der Slowakei als Negativrekord – mit lediglich 19 bzw. 13 Prozent Wahlbeteiligung.
Alle Europa befürwortenden Parteien haben Stimmen eingebüßt, geringfügig auch die Grünen mit Spitzenkandidatin Keller. Gestärkt werden in das neue EU-Parlament Parteien zu beiden Seiten der politischen Mitte – vor allem die EU-Gegner am rechten Rand.
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