Eröffnung des Körperwelten-Museums

Lebhafte Debatte über Leichenkunst

Plastinator Gunther von Hagens kommt zur Eröffnung des Berliner Körperwelten-Museums "Menschen Museum".
Plastinator Gunther von Hagens bei der Eröffnung des Berliner "Menschen Museums" © picture alliance / dpa - XAMAX
Von Anja Nehls · 18.02.2015
Seit Jahren tourt die umstrittene Körperwelten-Ausstellung des Plastinators Gunter von Hagen durch Deutschland. Am Mittwoch eröffnet er in Berlin sein "Menschenmuseum", das Leichen unter anderem in Engelspose und Denkerhaltung zeigt. Politiker und Kirchenvertreter kritisieren die Ausstellung als würdelos.
Der tote Körper wirkt lebendig. Im Sprung hat der Mann das Skateboard noch unter den Füßen, der Rücken ist gekrümmt, die Muskeln angespannt, jede Muskelfaser ist sichtbar. Kein Wunder, denn Haut befindet sich nicht mehr über den Knochen, Sehnen und Muskeln. Der Skateboarder ist ein Plastinat und war einmal ein lebendiger Mensch, sagt Dr. Angelina Whalley, Ehefrau des Plastinators Gunter von Hagen und Kuratorin der Ausstellung:
"Den menschlichen Körper hier in einer menschlichen Form darzustellen, ich kann wirklich nichts daran erkennen, was daran unwürdig sein soll."
Aber genau das wird den Ausstellungsmachern vorgeworfen. 200 Teil- und 20 Ganzkörperplastinate sind ab heute im sogenannten "Menschenmuseum" Körperwelten am Berliner Fernsehturm zu sehen.
Es gibt einen Turner an Ringen, eine Frau in Engelspose mit einer hinten offenen Rumpfwand und Blick in die inneren Organe, einen Mann in Denkerhaltung mit freigelegten Nervenfasern und ein Paar in inniger Umarmung. Für Cordula Machoni, Pfarrerin der Marienkirche sind das allesamt Leichen, die würdevoll bestattet werden müssen. Sie will mit ihrer Gemeinde für die Totenruhe der Plastinate beten:
"Ich finde, es braucht doch einen ruhigen, einen stillen, einen würdevollen Ort, sich mit dem Thema Tod zu beschäftigen."
Bezirk wollte Ausstellung verhindern
Das sieht der Bezirk Mitte ähnlich. Bezirksbürgermeister Christian Hanke hat deshalb versucht, die Ausstellung mit allen Kräften zu verhindern:
"Es ist so, dass ich diese Ausstellung für ethisch absolut bedenklich halte."
Und er sah in der Ausstellung einen Verstoß gegen das Berliner Bestattungsgesetz. Das Verwaltungsgericht entschied für den Veranstalter und untersagte auch das vom Bezirk angedrohte Zwangsgeld von 10.000 Euro am Tag. Eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts steht noch aus.
Detlef von Wengler, jetzt 61 Jahre alt, wird irgendwann auch Teil dieser Ausstellung sein. Er ist Körperspender und will sich nach seinem Tod plastinieren lassen – das ist ihm lieber als jede Bestattung:
"Es ist besser so, als von Maden aufgefressen zu werden oder verbrannt zu werden. Ich sehe das als Kunst an. Eklig oder gruselig ist das gar nicht, sieht ja aus wie Plastik alles und wenn Sie es dann noch anfassen, die Figuren, die nicht unter Glas sind, das ist wirklich wie Plastik."
Dennoch wird es wohl über das, was gruselig ist und was nicht, geteilte Meinungen geben. Denn neben Körpern in ästhetischen Posen liegen auch in Vitrinen indirekt beleuchtet Schrumpf- und Fettlebern, Raucherlungen, krebsbefallene Nieren und missgebildete Föten. Dass auch Voyeurismus eine gewisse Rolle beim Auswählen der Exponate spielt, gibt spielt, gibt Karen Schüssler-Leipold, Mitorganisatorin der Ausstellung, gerne zu. Allerdings sei das zum Beispiel beim medizinhistorischen Museum der Charite auch nicht anders. Für die Organisatoren steht aber hier die medizinische Aufklärung im Vordergrund:
"Aus medizinischer Sicht das mal darzustellen, was es da für Probleme geben kann, finde ich nur legitim. Und ich finde, das ist in der Ausstellung auch sehr dezent und sehr vorsichtig gelöst, man kann sich auch entscheiden, ob man das sehen möchte oder nicht. Die Ausstellung soll die Leute anregen, über sich und ihren Umgang mit dem Körper nachzudenken."
Körperwelten-Ausstellung war schon 19 Mal zu sehen
Deshalb gibt es auch Informationen über Ernährung, die Funktionsweise des Stoffwechsels, die Alterung von Zellen oder das Verdauungssystem. Aspekte des Jugendschutzes.
Die Körperwelten-Show tourt seit 1996 als Wanderausstellung durch die ganze Welt. 19 Mal war sie bereits in Deutschland zu sehen, dreimal in Berlin. Eine bestattungsrechtliche Sondergenehmigung war damals nicht nötig, auch unter Aspekten des Jugendschutzes gab es noch nie Probleme, sagt Karen Schüssler-Leipold.
"Wir wissen, dass Kinder einen sehr sehr unverkrampften Zugang zu unseren Plastinaten haben, dass alles sehr spannend finden, was unter der Haut ist. Meistens machen sich Erwachsene einen viel größeren Kopf als die Kinder."
Dennoch will sich der Bezirk Mitte die Ausstellung auch unter dem Jugendschutzaspekt nochmal genauer anschauen. Körperspender Detlef von Wengler gefällt jedenfalls die Vorstellung, dass seine Enkel, Ur- und Ururenkel ihn irgendwann mal im Menschenmuseum statt auf dem Friedhof besuchen kommen können – und denen will er dann sozusagen post mortem auch ein bisschen was bieten:
"Weil meine Vorfahren Ritter waren, deswegen hatte ich den Wunsch vielleicht als kniender Ritter mit Schwert ausgestellt zu werden."
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