Forscher für Ernährungssicherheit

Die Welt ist falsch organisiert

06:59 Minuten
Ein Mann in Uganda hackt Elefantengras für Milchkuhfutter.
Um den Hunger in Afrika zu bekämpfen, bedarf es gerade im Klimawandel in den Ländern neuer Ideen und Ansätze in der Landwirtschaft. © picture alliance / imageBroker / FLPA / Wayne Hutchinson
Tilman Brück im Gespräch mit Ute Welty  · 02.07.2022
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Wirtschaftswissenschaftler Tilman Brück blickt optimistisch auf die Veränderungen bei der Ernährungssicherheit weltweit. Eine Welt ohne Hunger sei möglich. In seinem "Zero Hunger Lab" will er erforschen, wie es geht.
Trotz der schwierigen Lage bei der weltweiten Versorgung mit Nahrungsmitteln und dramatischen Hungerkrisen in verschiedenen Ländern Afrikas, wagt der Wirtschaftswissenschaftler Tilman Brück eine optimistische Prognose.
"Zero Hunger" sei eines der nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen. "Und man hat vor Jahren, als man diese Ziele formuliert hat, gesagt, es ist eigentlich möglich, eine Welt zu schaffen, in der niemand Hunger leiden muss, in der alle Menschen gut und qualitativ hochwertig ernährt werden."

Bessere Verteilung ist wichtig

Er teile diesen grundlegenden Optimismus, sagt Brück, der gerade an der Berliner Humboldt-Universität als Heisenberg-Professor für „Wirtschaftliche Entwicklung und Ernährungssicherheit“ berufen wurde und dort ein „Zero Hunger Lab“ etablieren soll.
"Diese Welt ist möglich, und wir können das machen", sagt er. Es gebe ausreichend natürliche Ressourcen auf der Welt, um alle Menschen vernünftig zu ernähren. "Wir organisieren die Welt nur falsch." Deshalb müssten bessere Wege gefunden werden, damit sich die Menschheit besser ernähren könne.
Im "Zero Hunger Lab" soll die Abhängigkeit verschiedener Bereiche stärker untersucht werden, erläutert Brück. So gebe es derzeit den russischen Krieg gegen die Ukraine, der zu steigenden Lebensmittelpreisen führe. Aber auch der Klimawandel beschleunige sich deutlich und zerstöre in einigen Ländern die Grundlagen für Landwirtschaft.
Es gebe zudem eine ungleiche Verteilung von Einkommen, Arbeitsplätzen und Kapital, wodurch Menschen aus dem Wirtschaftssystem ausgeschlossen würden.

Komplexe Lage erfordert genaue Analyse

Brück verweist auch auf politische Instabilitäten in einigen Ländern, beispielsweise im Libanon, wo der Staat praktisch zerstört sei und den Menschen nicht mehr helfen könne. "Wenn diese verschiedenen Faktoren aufeinanderprallen, dann vertiefen sich Krisen, dann leiden Menschen Hunger und dann sterben auch Menschen an Unterernährung."
Aufgrund dieser Komplexität der Lage sei es wichtig, genauer zu verstehen, wie Menschen mit diesen vielfältigen Krisen umgehen, sagt Brück. "Wir müssen verstehen, was ist ihr Verhalten in einer Krise?" Das gelte für den Libanon, aber auch für Länder wie der Jemen, Libyen oder der Sudan. Aktuell sei die Region Dafur sehr akut von einer Hungersnot bedroht, so Brück.

Veränderung vor Ort ist wichtig

Erst wenn man die Dynamiken in diesen Gesellschaften ausreichend verstehe, könne Hilfe geleistet werden. "Oft sind Hilfsmaßnahmen leider sehr standardisiert", kritisiert der Experte. "Aber wenn jemand Hunger hat, ist es nicht immer die beste Lösung, ihm Nahrungsmittelhilfe zu geben, also Reis, Bohnen und Öl."
Stattdessen müsse überlegt werden, wie eine Familie ihre Lebensgrundlagen erneuern könnten. "Wie kann sie in Zukunft zum Beispiel anders Landwirtschaft betreiben, um dem Klimawandel gerecht zu werde?" Solche Veränderungen fielen allerdings vielen Menschen schwer, auch Staaten schafften es nur begrenzt, ihre Strategien anzupassen.
(gem)
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