Enrico Brissa über "Auf dem Parkett"

Der Hüter der guten Sitten

04:36 Minuten
Porträtbild von Enrico Brissa, Buchautor und Protokollchef des Deutschen Bundestags
Die Deutschen pflegen einen "libertinären Umgang mit sozialen Formen", kritisiert Enrico Brissa. © imago images / Jakob Hoff
Von Etienne Roeder · 17.01.2020
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"Hate Speech" und Verrohung der Sprache: Brauchen wir einen neuen Knigge für unsere Zeit? Enrico Brissa, der Protokollchef des Bundestages, hat ein "Kleines Handbuch des weltläufigen Benehmens" geschrieben. Wir haben mit ihm über die Bedeutung sozialer Normen gesprochen.
Aufgewachsen als Sohn eines italienischen Vaters und einer deutschen Mutter, lernte Enrico Brissa schon früh, wie wichtig es ist, sich in seiner Rolle zurechtzufinden. Zum Beispiel bei den Familienfesten im Piemont, wo die italienischen Großtanten großen Wert auf den Wangenkuss legten, inklusive Wangenkneifen.
Es sei ihm völlig klar gewesen, "dass ich mich in Heidelberg, wo ich herkomme, anders verhalte als es im Piemont der Fall gewesen ist. Und das ist ja auch eine wichtige Lektion. Rollentreue ist eine Voraussetzung dafür, dass die Kommunikation gelingt."

Mit anderen Normen zurechtkommen

Brissa sagt über sein Buch: "Es geht mir darum, dass wir uns über die Bedeutung von sozialen Normen klar werden und ein Gespür dafür entwickeln, weil ich der Überzeugung bin, dass es uns dann leichter fällt, mit den Normen anderer Kulturkreise zurechtzukommen."
Ein neuer Knigge fürs globale Dorf? Weit gefehlt, denn Enrico Brissa plädiert für die schönen Künste der Höflichkeit. In Zeiten von Hate Speech und Verrohung der Sprache engagiert er sich im evangelisch-katholischen Projekt Anstand Digital:
"Es ist doch geradezu paradox, dass wir in Deutschland, die wir die Papiergröße normieren und alles andere normieren, einen so libertinären Umgang mit sozialen Formen pflegen."

Enrico Brissa: "Auf dem Parkett. Kleines Handbuch des weltläufigen Benehmens"
Siedler Verlag, München 2018
272 Seiten, 18 Euro

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