Enno Bunger: "Was berührt, das bleibt"

Gefühle ohne Kitsch und Pathos

06:04 Minuten
Der Sänger Enno Bungers steht zwischen Bäumen unter einem grauen Himmel.
Die Frau von Enno Bungers Schlagzeuger starb an Krebs. Bunger widmete ihr den Song "Konfetti". © Sony Columbia / Dennis Dirksen
Von Christiane Rebmann · 02.08.2019
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Der Singer-Songwriter Enno Bungers verarbeitet auf seinem neuen Album gleich mehrere Schicksalsschläge. Die Lieder berühren. Auch weil Bungers die ehrliche Erzählung dem großen Drama vorzieht.
Mit seinem Song "Bucketlist" aus seinem neuen Album "Was berührt, das bleibt" möchte uns der ostfriesische Musiker Enno Bunger motivieren, eher mal an unsere Grenzen zu gehen.
"Dass man sich durchaus mehr zutrauen kann, dass man sein Leben in die Hand nehmen kann und was verändern kann. Und dass man nicht zu lange warten darf, mit Dingen, die man schon immer machen wollte, sondern dass man sie möglichst zeitnah umsetzen muss."

Ein Denkmal gesetzt

Eigentlich können wir es ja nicht mehr hören, wenn uns Künstler mit derlei klugen Sprüchen bevormunden wollen. Aber der 32Jährige darf das. Denn er spricht aus eigener Erfahrung:
"Innerhalb kürzester Zeit sind zwei Menschen, die mir sehr nah stehen, zum einen die Freundin meines besten Freundes und Schlagzeugers Nils, dessen Freundin Lena an Blutkrebs erkrankt mit einer nicht so guten Prognose und sieben Monate später meine Freundin, die Frau, die ich liebe, Sarah Maldoon, die auch Songwriterin ist, an Krebs erkrankt. Beide in einem Alter, Mitte 20 gerade, was mich einfach umgehauen hat, dass man so früh schon mit sowas konfrontiert wird und da durch muss."
Lena starb, kurz nachdem sie ihren Freund Nils geheiratet hatte. Enno Bunger hat ihr mit dem Lied "Konfetti" ein Denkmal gesetzt.
Bungers Freundin Sarah Maldoon dagegen geht es wieder gut. Gemeinsam haben die beiden den Song "Stark Sein" geschrieben. In ihm schildern sie die traumatisierende Zeit, als Sarah um ihr Leben kämpfte.
"Wenn man in einem Raum sitzt und Angst hat. Man weiß nicht, was los ist. Man hat Angst davor, dass der Arzt reinkommt und einem irgendwas Schlimmes sagt. Und man denkt: Ne, das wird schon alles gut werden. Und dann sieht man aber an dem Blick des Arztes, dass es ernst ist. Dieses Gefühl möchte ich nie wieder haben. Und trotzdem wollte ich diese Erfahrung in einem Lied festhalten."

Rap als Stilmittel

Die Songs auf "Was berührt, das bleibt" transportieren starke Gefühle, ohne dass sie pathetisch oder gar kitschig wirken. Das hat auch damit zu tun, dass Bunger in den kritischen Momenten zusätzlich zum Folkpop gern Rap als Stilmittel verwendet.
"Dass ich eben nicht die Melodie so stadiongroß mache, sondern sie ein bisschen kleiner halte. Dadurch habe ich das Gefühl: Es ist ein bisschen ehrlicher, als wenn ich das so überdramatisch groß aufziehe, mit so großen gesungenen Melodien. Ich bleibe dann eher in einem erzählerischen Modus, der fast schon sich reflektierend wirkt."
Es hilft auch, dass der frühere Barpianist und Kirchenorganist, der Beerdigungen musikalisch begleitete und auf Hochzeiten auch schon mal mit Songs von Andrea Berg die Stimmungskanone spielte, mit einem gewissen Humor an die Songs rangeht. So erinnert er sich in "Weichzeichnungsfilter" daran, dass er sich als Kind Sorgen machte, wie seine verstorbene Oma wohl im Himmel zurechtkommt.
Enno Bunger steht zwischen Büschen unter grauem Himmel.
Enno Bunger nutzt manchmal lieber Sprechgesang statt großer Melodien, um nicht pathetisch zu klingen.© Sony Columbia / Dennis Dirksen
"Ja, die hatte eben Höhenangst, deswegen habe ich als Kind dann, als sie verstarb, gedacht, was soll die im Himmel? Die hat Höhenangst! Da will die überhaupt nicht hin, was ist das für ein Schwachsinn. Die muss da raus."

Ein Album als Therapie

Das Resümee, das er aus den Erfahrungen der letzten Jahre gezogen hat, lautet: Das Leben genießen – und anderen helfen. So unterstützt er die gemeinnützige Organisation DKMS, bei der die Informationen über Knochenmarkspender zusammenlaufen. Er nutzt unser Gespräch auch gleich für einen Aufruf, sich typisieren zu lassen.
"Wenn jemand Blutkrebs hat, bekämpft sich sein Immunsystem selbst. Man muss dann versuchen, mithilfe einer Knochenmarkspende ein neues Immunsystem aufzubauen, das kann man ganz einfach machen, indem man sich typisieren lässt. Eventuell ist man derjenige, der anderen Menschen ganz einfach und unkompliziert das Leben retten kann. Das ist nur ein Pieks. Das hat Lena noch einen wunderschönen Sommer gebracht. Ansonsten hätten wir sie vorher schon verloren."
So gewinnt er auch den tragischsten Momenten etwas Positives ab. Mit "Was berührt, das bleibt" hat sich Enno Bunger selbst therapiert und ein in Text und Musik gut austariertes melancholisches Werk mit einer gewissen Aufbruchstimmung geschaffen.
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