Mit Transplantation gegen Blutkrebs

Von Martin Winkelheide · 15.03.2010
Dank ihm konnten etliche Leukämiekranke geheilt werden: Der amerikanische Mediziner und Forscher Edward Donnall Thomas entwickelte die Knochenmarktransplantation. Durch sie lässt sich der Blutkrebs effektiv bekämpfen.
1987: José Carreras ist ein gefeierter Tenor. 60 Opernvorstellungen im Jahr, dazu 20 Konzerte, ein halbes Dutzend Schallplattenaufnahmen. Doch die Karriere des 41-Jährigen wird jäh unterbrochen.

"Ich hatte Zahnschmerzen und ging zum Arzt. Ich bekam Medikamente, fühlte mich aber schlecht. Bei dem Check-up im Krankenhaus behielten sie mich dann gleich da."

Die Diagnose: Blutkrebs, akute Leukämie. Carreras reist in die USA, nach Seattle. Er wird am Fred-Hutchinson-Krebsforschungszentrum behandelt - und geheilt. Dank einer Knochenmarktransplantation.

Im Sommer 1988 feiert José Carreras in Barcelona sein Comeback - vor 150.000 Menschen. Und er gründet eine eigene Stiftung für Leukämieforschung.

Der Heilerfolg beschert Carreras behandelndem Arzt Prominenz: Edward Donnall Thomas. In Fachkreisen gilt der Krebsmediziner schon lange als Kapazität - und als wissenschaftlicher Vater der Knochenmarktransplantation.

Thomas erkannte: Bei einer Leukämie lassen sich die bösartigen Zellen, so wie andere Krebszellen auch, erfolgreich abtöten. Durch Medikamente, also eine Chemotherapie, und durch eine Bestrahlung. Das Problem: Auch gesunde Zellen werden abgetötet, vor allem die roten Blutzellen und die Zellen der körpereigenen Abwehr. Thomas Idee: Wird vor der Behandlung Knochenmark entnommen und eingefroren, können die Krebszellen aggressiver bekämpft werden. Das erhöht die Heilungschancen.

Anschließend bauen die Knochenmarkzellen ein neues Blutsystem auf. Die sogenannten Blutstammzellen reifen zu neuen Blutzellen heran: zu roten und weißen Blutzellen und Blutplättchen. Michael von Bergwelt ist wissenschaftlicher Leiter der Stammzelltransplantation an der Universitätsklinik Köln.

"Man macht damit letztendlich einen Kunstgriff, dass man das Organ, das am meisten durch die Chemotherapie geschädigt wird, aus dem Körper rausholt und, nachdem die Chemotherapie wieder komplett ausgewaschen ist, wieder zurückgibt."

Edward Donnall Thomas wurde am 15. März 1920 in Mart im US-Bundesstaat Texas als Sohn eines Landarztes geboren. Er studierte Medizin im texanischen Austin. Mit seiner Frau Dorothy - sie wurde später seine Laborassistentin - ging er nach Boston, wo er 1946 an der Harvard University promovierte. In New York, an einer Klinik der Columbia University, wagte es Thomas nach zahlreichen Tierversuchen, vor allem an Hunden, 1956 erstmals, Menschen Stammzellen zu transplantieren. Thomas machte die Versuche mit eineiigen Zwillingen. Er wollte sicher sein, dass die fremden Stammzellen keinen Schaden anrichten im Körper des Empfängers.

"Die Verläufe waren entsprechend erfreulich in den ersten Wochen, dass die Transplantation relativ gut vertragen wurde vom Empfänger. Das Problem ist aber: Diese Leukämie kam leider nach wenigen Monaten zurück."

Der Patient starb. Donnall Thomas erkannte: Das Risiko für ein erneutes Aufflammen der Leukämie ist geringer, wenn die transplantierten Stammzellen nicht zu 100 Prozent identisch sind mit den Zellen des Empfängers. Das neue, etwas andere Immunsystem kann helfen, den Krebs zu bekämpfen. Krebszellen zu erkennen und zu zerstören.

In welchen Gewebemerkmalen aber muss es unbedingt Übereinstimmungen geben? Wie viele Unterschiede sind erlaubt? Das erforschte Thomas ab 1963 in Seattle.

"Man macht heute in der Regel Transplantationen, wo acht oder mehr Eiweißkomponenten von den Zehnen übereinstimmen."

Seit den 80er-Jahren gelten die Risiken der Stammzelltransplantation als medizinisch beherrschbar: vor allem das Infektionsrisiko. Denn in den ersten Wochen nach der Transplantation sind an sich harmlose Infekte für Patienten lebensbedrohlich. Eine Herausforderung ist nach wie vor, einen passenden Knochenmarkspender zu finden.

"Das schafft man nur, indem man in riesigen Datenbanken von über zehn Millionen registrierten Spendern weltweit einen Abgleich macht. Trotzdem ist die Erfolgsquote für einen passenden Spender knapp unter 90 Prozent."

Knochenmark zu spende, ist heute auch ohne Operation möglich. Die Stammzellen müssen nicht mehr unbedingt aus dem Beckenknochen entnommen werden. Sie können maschinell aus dem Blut heraus sortiert werden - ähnlich wie bei einer Blutwäsche.

Viele Tausend Patienten weltweit haben ihre Blutkrebserkrankung überlebt - dank Edward Donnall Thomas. Mit 70 Jahren, 1990, erhielt er den Nobelpreis für Medizin. In sein Labor in Seattle geht er immer noch drei Mal die Woche.