Ende des Wachstums in den Anden

"Gutes Leben" per Verfassung

25:10 Minuten
Der Fischer Galo navigiert sein Kanu auf dem Río Bobonaza im ecuadorianischen Amazonasgebiet.
Ein Fischer auf dem Río Bobonaza im ecuadorianischen Amazonasgebiet. © Deutschlandradio / Burkhard Birke
Von Burkhard Birke · 03.12.2018
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Gutes Leben für alle statt Dolce Vita für wenige - das ist das Prinzip, nach dem das indigene Volk der Kitchwa im Amazonasgebiet wirtschaftet. Ein Versuch, das Konzept des "Buen Vivir" umzusetzen, das in Ecuador und Bolivien in der Verfassung steht.
Es ist früher Nachmittag. Eribero Gualinga fährt den Rio Bobonaza stromaufwärts zum Fischen. Heute soll ein guter Tag zum Jagen und Angeln sein. Das hatte der Familienrat beim morgendlichen Wayasutee-trinken festgestellt.

Wo endet das Wachstums? Alle Folgen der Reihe hören Sie im Podcast der Weltzeit. Wir berichten u. a. aus Singapur, Belgien, den Niederlanden und Barcelona.

"Hier findet man verschiedene Fische: kleine, aber auch große – sogar Tigerwelse. Seit sieben Uhr heute früh werden Fische gefangen: mit Netzen und Harpunen. Alle haben welche gefangen. Und wer nicht zum Angeln rausgefahren ist, dem werden Fische geschenkt."

Nur so viel von der Natur nehmen, wie sie verkraftet

Solidarität ist ein Prinzip der Kitchwa von Sarayaku, einer indigenen Gemeinschaft im ecuadorianischen Amazonasgebiet. Der Schutz der Natur, der Erhalt der eigenen Ressourcen, ein weiteres: Gefischt wird nur so viel, wie der Natur zuträglich ist.

Bei Buen Vivir stehen weder der Mensch noch das Materielle im Mittelpunkt: Die meisten indigenen Völker Südamerikas wie die Kitchwa, aber auch die Kogis in Kolumbien betrachten alles als Einheit und sich als integralen Teil davon. Die Konsequenz: Gesucht wird ein Gleichgewicht mit der Natur, die Verringerung von sozialer Ungleichheit, eine solidarische Wirtschaft und Raum für demokratische Partizipation an wichtigen Entscheidungen für die Gemeinschaft.
Sumak Kawsay nennen die Kitchwa dieses Prinzip.
Patricia Gualinga, Sprecherin der Gemeinde von Sarayaku
Patricia Gualinga, Sprecherin der Gemeinde von Sarayaku© Deutschlandradio Kultur / Burkhard Birke
Patricia Gualinga, Sprecherin der Gemeinschaft von Sarayaku:
"Das Leben in all seiner Fülle ausschöpfen, den Kontakt zur Natur suchen, sie zu verstehen und mit ihr in Harmonie zu leben. Essen im Überfluß, ein Dach überm Kopf und keine Sorgen zu haben. Nicht in Angst leben, sondern sich zu integrieren. Das ist Sumak Kawsay. Das schaffen wir noch nicht ganz, aber in der Stadt gelingt das den Menschen noch viel weniger."

Mit Mingas: Gemeinschaftsarbeiten, bei denen alle zum Wohle der Kommune anpacken, oder ranti ranti – gegenseitige Hilfsleistungen ohne Entgelt streben die Kitchwa nach dem guten Leben.

Der Widerstand der Indigenen hat einen Teil Urwald gerettet

Kann die Natur nachhaltig geschützt werden? Täglich wird in Ecuador durch Erdölförderung Regenwald zerstört und Wasser verseucht. Dabei ist das Recht der Natur in der Verfassung verankert. Der Gemeinschaft in Sarayaku gibt das zumindest die rechtliche Basis für Widerstand, für ihr Recht auf "Buen Vivir".

"Aufgrund unseres Widerstandes haben wir noch Urwald, in dem wir fischen, jagen und Pflanzen züchten können. Das ist doch die Lebensgrundlage für alle indigenen Völker. Wenn die Erdöl-, die Bergbau- und Holzunternehmen anrücken, ist es mit dem Zusammenleben mit der Natur vorbei."
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