Carsharing

Mit Elektroautos über Land

06:39 Minuten
Ein Parkplatz für Elektroautos. Auf die Pflastersteine ist in Weiß ein Elektrofahrzeug mit Ladekabel gemalt.
Elektrofahrzeuge sind für Kurzstrecken attraktiv: Als Carsharing-Autos können sie auf dem Land dem Zweitwagen Konkurrenz machen. © picture alliance / Zoonar | stockfotos-mg
Von Bastian Brandau · 03.12.2021
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Carsharing mit umweltfreundlichen Elektroautos – für Großstädter ist das schon fast Normalität. Auf dem Land dagegen müssen Klimaschutzbeauftragte noch für dieses Modell werben. Ein Landkreis in Niedersachsen zeigt, wie es funktionieren kann.
An einem regnerischen Tag öffnet ein Mann auf einem Parkplatz ein Carsharing-Auto. Alltag in vielen deutschen Städten – aber immer noch neu und auch ein bisschen aufregend für Stephan Griesehop.
Griesehop ist Klimaschutzmanager beim Landkreis Grafschaft Bentheim: Gut 130.000 Menschen leben im vergleichsweise dünn besiedelten Landkreis an der Grenze zur Holland.
Das Fahrrad ist hier nicht nur für Schulkinder ein beliebtes Fortbewegungsmittel. Auf die Reaktivierung einer Zugstrecke hat der Landkreis lange hingearbeitet und bietet seit dem 1. April ein eigenes Carsharing an.

Zweit- und Drittwagen ersetzen

„Ich glaube, es ist illusorisch zu sagen, dass jetzt wirklich sämtliche Haushalte auf einen Privat-PKW kurzfristig verzichten können. Das wird mit diesem Carsharing auch noch nicht möglich sein. Aber zumindest dieser Zweit- und Drittwagen, der dann womöglich auch nur sehr, sehr selten und nur für Kurzstrecken benutzt wird, den wollen wir gerne dauerhaft ersetzen."
Stattdessen sollte auf Carsharing-Fahrzeuge zurückgegriffen werden: zum Einkaufen, für den Weg zum Sport oder um die Kinder zur Kita zu bringen. Denn das seien alles Kurzstrecken.

Transparentes Tarifsystem

In Zusammenarbeit mit einem Carsharingunternehmen aus Osnabrück stellt der Landkreis sieben Autos zur Verfügung, alle vollelektrisch. Sie stehen gut sichtbar an Bahnhöfen oder, wie hier in Bad Bentheim, am Marktplatz. Bei der Stadt- oder Gemeindeverwaltung oder in einem Reisebüro, an jedem dieser sieben Orte kann eine Mitgliedschaft abgeschlossen werden, auch online. Mit transparentem, einheitlichen Tarifsystem.
Zwei Männer stehen vor einem kleinen Elektro-PKW, der die Aufschrift  "Grafschafter Carsharing" trägt.
Klimaschutzmanager Stephan Griesehop und Christian Kluck, der Geschäftsführer von Stadtteilauto Osnabrück, hoffen auf eine Expansion der Carsharing-Stationen.© Deutschlandradio / Bastian Brandau
„Das hatten wir als Auftraggeber so gesetzt: Ohne monatliche Grundkosten, dass wirklich keine Fixkosten anfallen, sondern nur die Kilometer, die Zeit, die man dann
mit dem Fahrzeug verbringt, abgerechnet werden." So seien die Bedingungen eigentlich ganz gut, um daraus ein niedrigschwelliges Angebot zu machen und Elektromobilität kennenzulernen.

Mit Klimaanlage und Navi

Stephan Griesehop ist dienstlich mit Elektro-Autos eines deutschen Herstellers unterwegs. Mit dem französischen Elektrokleinwagen des Carsharings fährt aber auch er heute zum ersten Mal. Pin eingeben, Ladekabel abziehen und in den Kofferraum, dann kann es losgehen.
„Klimaanlage und die Navigation hatten wir als feste Bestandteile vorgegeben, die vom Betreiber dann auch zu erfüllen sind. Dieses Fahrzeug hatte noch einiges mehr an Komfortausstattung wie beispielsweise, das hören Sie jetzt, auch eine Rückfahrkamera. Die kann man bei diesen schlechten Sichtverhältnissen hier heute im Regen durchaus auch gut gebrauchen.“

Für Elektromobilität insgesamt werben

Vom Marktplatz geht es raus durch den Regen aus dem historischen Zentrum Bad Bentheims. Schnell wird es grün. Wiesen, Felder, Wälder, vereinzelt liegen Bauernhöfe abseits der Landstraße. „Hier ist es, und das ist eben die große Herausforderung, sehr schwer, alternative Mobilitätsangebote zu etablieren, gänzlich ohne Auto", sagt Griesehop.
"Wenn man sich hier umschaut, dann muss man auch fairerweise sagen: Es wird nicht gehen. Aber wenn diese Mobilität dann zukünftig auch klimafreundlich elektrisch stattfindet und das Carsharing ein Erstangebot ist, um auch für die Elektromobilität insgesamt zu werben, dann ist das aus Klimaschutzsicht natürlich schon ein großer Gewinn.“

EU-Fördermittel für den ländlichen Raum

Die Europäische Union fördert das Carsharingprojekt mit seinem Leaderprogramm für den ländlichen Raum und finanziert mehr als die Hälfte der Kosten. Der Rest kommt von den Kommunen des Landkreises.
Die Zustimmung geht dabei quer durch alle Parteien. Zunächst gelte es, das Projekt bekannt zu machen. Doch der Erfolg des Carsharings hänge nicht allein von der Ausstattung der Autos und dem Marketing des Landkreises ab, sagt Stephan Grieshop, als es wieder zurückgeht in die Kleinstadt Bentheim.
„Wir kommen jetzt an einer Tankstelle vorbei, wo die aktuellen Diesel- und Benzinpreise angezeigt sind. Auch die gestiegenen Preise führen tatsächlich zu einer verstärkten Nachfrage nach E-Fahrzeugen, und ich hoffe tatsächlich auf eine verstärkte Nachfrage nach dem E-Carsharing.“

Die Pandemie war ein Bremsklotz

2023 läuft die Förderung aus. Bis dahin kostenneutral zu laufen, ist das wirtschaftliche Ziel des Carsharings des Landkreises. Die Pandemie ist dabei alles andere als ein günstiger Zeitpunkt für ein Angebot zum Teilen eines Autos. Rekordpreise für Gebrauchtwagen in diesem Jahr führt das Portal AutoScout24 auch auf die Angst vor einer Corona-Ansteckung in öffentlichen Verkehrsmitteln zurück.
Zurück am Markplatz von Bad Bentheim. Stephan Griesehop hängt das Auto wieder ans Ladekabel. Die Kosten für die 26 Minuten Fahrtzeit und die 15 Kilometer werden demnächst von seinem Konto abgerechnet: 5,70 kostet die Fahrt, 18 Cent der Kilometer, die angefangene Stunde drei Euro.
Noch kein Jahr gibt es das Carsharing, doch hat das Bundesumweltministerium es bereits mit einem Preis ausgezeichnet – im Wettbewerb „Klimafreundliche Kommune“.

Der Wunsch für die Zukunft: Expansion

Klimaschutzmanager Stephan Griesehop blickt derweil in die Zukunft und wünscht sich: weitere teilnehmende Kommunen, Stationen auch in größeren Kommunen und mehr Auswahl bei den Fahrzeugtypen. Damit man sich, zum Beispiel, auch mal einen kleinen Transporter für einen Umzug mieten kann.
Insbesondere der Standort in der Kreisstadt Nordhorn erweist sich bereits als durchaus beliebt. Dorthin hatte Stephan Griesehop übrigens zunächst zum Interview eingeladen.
Doch eine Probefahrt mit dem Carsharing-Auto in Nordhorn wäre zum vereinbarten Interviewtermin nicht möglich gewesen. Das Auto dort hatte bereits eine Woche zuvor jemand anderes gebucht.

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