Ein Thesenroman als ökologisches Warn-Buch
Ilija Trojanow ist ein mehrsprachiger Weltenwanderer mit Lebensstationen in Italien, Kenia, Indien, Südafrika und Deutschland. Der literarische Durchbruch gelang ihm 2006 mit dem Buch "Der Weltensammler" - gerade ist sein neuer Roman "EisTau" erschienen.
In dem historischen Roman "Der Weltensammler" über den englischen Entdecker und Reiseschriftsteller Richard Francis Burton kulminiert Trojanows Lebensthema: die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen den Kulturen des Westens und des Ostens.
Mit seinem neuen Roman "EisTau" wendet sich Trojanow einer ganz neuen Thematik zu – der alarmierenden Abschmelze der Gletscher und des Polar-Eises infolge des Klimawandels. "EisTau" ist ein Thesenroman, ein ökologisches Warn-Buch, das den Leuten ins Gewissen reden, sie aufrütteln und ihnen die Folgen der weltweiten Klimakatastrophe vor Augen führen will. Kernsatz des Romans: "Etwas muss geschehen. Es ist höchste Zeit."
Sprachrohr und Perspektiv-Figur des Autors ist der Glaziologe (Gletscher-Wissenschaftler) Zeno, der sein Leben der Erforschung eines Alpengletschers gewidmet hat – bis er eines Sommers entsetzt feststellen muss, dass sein Gletscher tot ist. Das Eis ist unter Geröll, Schutt und Schmutzablagerungen fast völlig verschwunden. Um überhaupt noch Eis in reiner Form studieren zu können, verlässt Zeno die Universität und heuert als Lektor auf einem Kreuzfahrtschiff in die Antarktis an, um betuchten Touristen diese nahezubringen.
Auf der Fahrt von Feuerland zur antarktischen Küste kommt es zu Zwischenfällen, die Zeno zunehmend erbittern und verstören. Die Ignoranz, Fahrlässigkeit und Gedankenlosigkeit der Touristen, die Respekt- und Achtlosigkeit, mit der sie durch dieses hochempfindliche Biotop trampeln, empören ihn. Es ist eine ohnmächtige, hilflose Empörung: "Ich will keine Menschen und kein Treiböl in der Antarktis, ich will, dass sie in Ruhe gelassen wird."
Zenos Trauer über diese gefährdete, letzte noch unberührte Terra Nullius auf Erden wandelt sich in Wut – besonders, als ein berühmter, Christo-artiger Land-Art-Künstler an Bord kommt, der in der Antarktis ein Kunst-Event inszenieren will: Die Kreuzfahrt-Passagiere sollen sich auf dem Eis zu einem gigantischen SOS-Zeichen formieren. Dieses billige Spektakel eines Pseudo-Protests lässt Zeno völlig außer sich geraten und radikalisiert ihn. Er entschließt sich zu einem verzweifelten Fanal, das aber nicht verstanden, sondern nur von den Medien zu Nachrichtenmüll verarbeitet wird – heute gesendet, morgen vergessen.
Zenos Einsichten sind bitter: "Die Hölle ist kein Ort; die Hölle ist die Summe unserer Versäumnisse." Und die Menschen «werden nicht ruhen, bis sie alles verbraucht verdreckt verschwendet vernichtet haben». Als Alarmist des Untergangs scheitert Zeno auf ganzer Linie. Und dieses Scheitern wird von seinem Autor Trojanow mitreflektiert, in aller Hoffnungslosigkeit: "Wie sollen lebende Autoren aufrütteln? Beschämung funktioniert nicht, Pathos funktioniert nicht, da alles kleingeredet wird. Und Gewalt? Wir verstehen einzig die Gewalt, die sich gegen uns richtet. Die Gewalt, die anderen angetan wird, bleibt für uns unverständlich oder stumm."
Besprochen von Sigrid Löffler
Ilija Trojanow: "EisTau"
Hanser Verlag, München 2011
172 Seiten, 18,90 Euro
Mit seinem neuen Roman "EisTau" wendet sich Trojanow einer ganz neuen Thematik zu – der alarmierenden Abschmelze der Gletscher und des Polar-Eises infolge des Klimawandels. "EisTau" ist ein Thesenroman, ein ökologisches Warn-Buch, das den Leuten ins Gewissen reden, sie aufrütteln und ihnen die Folgen der weltweiten Klimakatastrophe vor Augen führen will. Kernsatz des Romans: "Etwas muss geschehen. Es ist höchste Zeit."
Sprachrohr und Perspektiv-Figur des Autors ist der Glaziologe (Gletscher-Wissenschaftler) Zeno, der sein Leben der Erforschung eines Alpengletschers gewidmet hat – bis er eines Sommers entsetzt feststellen muss, dass sein Gletscher tot ist. Das Eis ist unter Geröll, Schutt und Schmutzablagerungen fast völlig verschwunden. Um überhaupt noch Eis in reiner Form studieren zu können, verlässt Zeno die Universität und heuert als Lektor auf einem Kreuzfahrtschiff in die Antarktis an, um betuchten Touristen diese nahezubringen.
Auf der Fahrt von Feuerland zur antarktischen Küste kommt es zu Zwischenfällen, die Zeno zunehmend erbittern und verstören. Die Ignoranz, Fahrlässigkeit und Gedankenlosigkeit der Touristen, die Respekt- und Achtlosigkeit, mit der sie durch dieses hochempfindliche Biotop trampeln, empören ihn. Es ist eine ohnmächtige, hilflose Empörung: "Ich will keine Menschen und kein Treiböl in der Antarktis, ich will, dass sie in Ruhe gelassen wird."
Zenos Trauer über diese gefährdete, letzte noch unberührte Terra Nullius auf Erden wandelt sich in Wut – besonders, als ein berühmter, Christo-artiger Land-Art-Künstler an Bord kommt, der in der Antarktis ein Kunst-Event inszenieren will: Die Kreuzfahrt-Passagiere sollen sich auf dem Eis zu einem gigantischen SOS-Zeichen formieren. Dieses billige Spektakel eines Pseudo-Protests lässt Zeno völlig außer sich geraten und radikalisiert ihn. Er entschließt sich zu einem verzweifelten Fanal, das aber nicht verstanden, sondern nur von den Medien zu Nachrichtenmüll verarbeitet wird – heute gesendet, morgen vergessen.
Zenos Einsichten sind bitter: "Die Hölle ist kein Ort; die Hölle ist die Summe unserer Versäumnisse." Und die Menschen «werden nicht ruhen, bis sie alles verbraucht verdreckt verschwendet vernichtet haben». Als Alarmist des Untergangs scheitert Zeno auf ganzer Linie. Und dieses Scheitern wird von seinem Autor Trojanow mitreflektiert, in aller Hoffnungslosigkeit: "Wie sollen lebende Autoren aufrütteln? Beschämung funktioniert nicht, Pathos funktioniert nicht, da alles kleingeredet wird. Und Gewalt? Wir verstehen einzig die Gewalt, die sich gegen uns richtet. Die Gewalt, die anderen angetan wird, bleibt für uns unverständlich oder stumm."
Besprochen von Sigrid Löffler
Ilija Trojanow: "EisTau"
Hanser Verlag, München 2011
172 Seiten, 18,90 Euro