Ein ganzer Tag Musik

Von Ursula Welter · 27.04.2012
Die Fassade des mächtigen Hauses in Paris ist Grau in Grau. Aber das lang gestreckte Hauptquartier der UNESCO hat Schwung - und den wollte es auf ganz besondere Art beweisen: 15 Stunden lang ging es nur um ein Thema: Jazz.
Von jetzt ab also jedes Jahr, ein Welt-Jazz-Tag. Allseits zufriedene Mienen auf den Fluren und in den gut gefüllten Sälen am Sitz der UNESCO in Paris. Viele junge Leute sind da, Musikstudenten, Musiker, ein internationales Publikum - und nicht nur Thomas findet die Entscheidung der Kulturorganisation der Vereinten Nationen gut und richtig :

"Wenn man überlegt, was für internationale Tage es alles gibt, ist es sicher keine schlechte Idee auch mal einen für den Jazz zu machen."

Weil es so viele internationale Tage für alles Mögliche gibt, war es ein Kraftakt, den Jazz-Tag auch durchzusetzen, heißt es hinter den Kulissen. Das Geld ist knapp, erst recht, seit die UNESCO entschieden hat, den Palästinenserstaat anzuerkennen und die USA infolge dieses Votums ihre Mitgliedsbeiträge nicht mehr zahlen. Einer, der diese Reaktion Washingtons im vergangenen Jahr öffentlich angeprangert hatte, stand nun beim ersten World-Jazz-Day auf der Bühne: Herbie Hancock.

Eine Ehre sei es für ihn, diesen ersten Welttag des Jazz in Paris aus der Taufe zu heben, versucht sich Hancock auch in der Sprache des Gastgebers. Und auch er redet über das Geld: Sehr teuer so eine Großveranstaltung, die zunächst in Paris gastierte und Ende April in New York stattfinden wird, gleichsam als Freundschaftsgeste in Zeiten angespannter diplomatischer Beziehungen zwischen den USA und der UNESCO. Das Geld für den Welt-Jazz-Tag kam nicht aus dem regulären Budget, es gab namhafte Sponsoren, Firmen, die Herbie Hancock brav auflistet. Und auch einzelne Mitgliedsländer der UNESCO setzten sich besonders für die Sache ein.

Deutschlands Botschafterin bei der UNESCO, Martina Nibbeling-Wrießnig:

"Wir haben auch ein Team gebildet mit dem Goethe-Institut und mit der deutschen Zentrale für Tourismus haben auch die Anreise afrikanischer Musiker möglich gemacht, darunter des afrikanischen Stars Hugh Masekela."

Sponsorendank ist Pflicht am Ersten Welt-Jazz-Tag, Herbie Hancock drückt es poetisch aus: Jazz, das sei eben Zusammenarbeit, Teilen, in einer bestimmten Situation mutig zu handeln, zu improvisieren ... .

Konzerte, Podiumsdiskussionen, Masterklassen mit den Stars der Jazz-Szene, alles wurde geboten an diesem ersten Welt-Jazz-Tag, neben Herbie Hancock reisten Dee Dee Bridgewater, Barbara Hendricks, und aus Deutschland Klaus Doldinger nach Paris:

"Ich bin sehr erfreut darüber und bin sehr beeindruckt von der Größe dieser Veranstaltung, hier in Paris."

Ein Welt-Jazz-Tag, weil der Jazz gerettet werden muss, weil er, wie Frank Zappa in den 80er-Jahren meinte, muffig rieche, fast schon morbide? Der Jazz lebt, hieß es allenthalben heute bei der UNESCO , aber - sagt Klaus Doldinger - so ein Tag gebe eben auch Gelegenheit zum Nachdenken: Etwa darüber:

"Erstaunlicherweise haben die USA den hohen kulturellen Wert, der Musik, die ja nun dort entstanden ist, etwas sagen man uramerikanisches, das ist dort noch nicht so ganz durchgedrungen bis in die Instanzen, die daran etwas ändern könnten und den Musikern geht es da zum Teil nicht besonders gut.."

Nachdenken aber auch über Zusammenhänge auf der Zeitachse. Der Jazz-Historiker Rainer Lotz nahm Platz auf einem der international besetzten Podien über die Entwicklung des Jazz:

"Dass der Jazz praktisch zeitgleich mit den USA auch in Deutschland angekommen ist und dass auch die Frühformen des Jazz in Europa und in Deutschland präsent waren."

Jazz als Stimme der Freiheit, als Kunst des Improvisierens, als Mittel des Dialogs - es wurden viele Überschriften gefunden an diesem ersten Welt-Jazz-Tag. Was denkt der Jazz-Historiker über die Zukunftswirkung eines solchen UNESCO-Gedenktages? Rainer Lotz :

"Dass der Jazz nun auch international anerkannt wird sozusagen als Kunstmusik, denn die ersten drei, vier Jahrzehnte war der Jazz Gebrauchsmusik, angefangen mit der Unterhaltung in den Bordellen von New Orleans, und später in den Kaschemmen von New York, es war eine Musik zum Tanzen, aber nicht, um in das Konzert zu gehen, heute hat sich das gewandelt, heute ist das eine von der seriösen Kritik anerkannte Kunstform, und die mit diesem internationalen Jazztag auf Augenhöhe auseinandersetzen kann mit den anderen , insbesondere mit der sogenannten ernsten, klassischen Musik."
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