Ein Dorf zeigt Gesicht gegen Rechts

Mein Nachbar, der Neonazi

29:10 Minuten
25.08.2018, Thüringen, Kloster Veßra: Anhänger der rechten Szene treffen sich im August 2018 im Kloster Veßra zu einem Neonazi-Konzert während die Polizei das Geschehen überwacht. In Mattstedt war zuvor ein Konzert der rechten Szene mit juristischen Mitteln verhindert worden. Allerdings wurde in Kloster Veßra prompt ein Ausweichort für das Konzert gefunden. Es sei von einem bekannten Vertreter der rechten Szene in Thüringen kurzfristig als Versammlung auf eigenem Grundstück angemeldet worden, so die Polizei. Etwa 400 Menschen versammelten sich nach Polizeiangaben.
Anhänger der rechten Szene trafen sich im August 2018 in Veßra zu einem Neonazi-Konzert. © picture alliance / dpa / Steffen Ittig
Von Ernst-Ludwig von Aster  · 27.10.2019
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Konzerte, Flohmärkte, Kundgebungen. Seit fünf Jahren ist ein Gasthof im thüringischen Kloster Veßra Treffpunkt der ultrarechten Szene. Lange Zeit haben die Nachbarn geschwiegen. Seit einigen Monaten aber wächst der Widerstand.
Vögel zwitschern, Pferde grasen. Die Dorfstraße an der alten Klostermauer von Kloster Veßra ist am frühen Samstagmorgen menschenleer. Leichter Nebel steigt aus den Wiesen auf.
Ansicht der Klosterruine von Veßra inmitten grüner Wiesen und Bäume.
Die Klosterruine von Veßra ist heute ein Museum zum Mitmachen.© Deutschlandradio / Ernst-Ludwig von Aster
Im "Refektorium", einem Grill-Imbiss, glüht noch keine Kohle. Auch beim Gebrauchtwagenhandel gegenüber bewegt sich nichts. Nur aus dem Gasthaus schallt Musik über die Straße. "Screwdriver" – eine britische Neonazi-Band. Zwei junge Männer schleppen Kartons mit Kleidung und Spielzeug auf die Terrasse. Der "Goldene Löwe" lädt mal wieder zum Flohmarkt. Motto: "Deutsche helfen Deutschen".
Tommy Frenck schiebt einen Kinderbuggy auf die Terrasse. Er betreibt den Gasthof: 32 Jahre alt, gedrungen, muskulös, tätowiert, Kinnbärtchen. "Make Germany white again", steht groß auf seinem T-Shirt. Vor knapp fünf Jahren übernahm Frenck den einzigen Gasthof in Kloster Veßra. Heute ist der Goldene Löwe der Treffpunkt der rechtsextremen Szene in Südthüringen. Holocaustleugner, ultrarechte Kampfsportler, NPD-Funktionäre – sie alle kommen hierher. Essen, Trinken, Konzerte, politische Veranstaltungen, dazu noch ein Versandhandel – das ist Frencks Geschäftsidee. Geld verdienen, um Szene-Strukturen auszubauen und politisch Einfluss zu nehmen. Regelmäßige Gratis-Gaben für Gesinnungsgenossen gehören auch dazu.
"Ich bin schon das dritte Mal hier, ja, sehr viel los. Sehr schön, was er macht, der Tommy."

Rechte Kneipe vs. Romanisches Museum

300 Meter weiter, hinter den Klostermauern, bittet Dr. Uta Bretschneider ihre Gäste Platz zu nehmen. Vor ihren Füßen stolziert ein Hahn, Hühner picken vor einer Leinwand. Gut 20 Museums-Besucher warten auf Klappstühlen vor der alten Scheune. Heute ist "Tag des offenen Denkmals". Seit fast drei Jahren leitet die junge Historikerin das Museum. Schmiede, Wassermühle, Brauhaus, Backhaus – alles da. Lebendige Geschichte auf sechs Hektar. Inklusive Bierbrauen und Brotbacken. Zehntausende Museumsfreunde kommen pro Jahr. Einziger Wermutstropfen: Der Museums-Besucherparkplatz liegt direkt vor dem Goldenen Löwen. Und wenn Tommy Frenck dort zu Veranstaltungen lädt, macht die rechte Kneipe meist mehr Schlagzeilen als das romanische Museum. So wie 2017.
Tommy Frenck steht inmitten seines Flohmarkts vor dem Restaurant Goldener Löwe in Veßra.
Gaben für Gleichgesinnte - Tommy Frenck und sein Flohmarkt vor dem Goldenen Löwen© Deutschlandradio / Ernst-Ludwig von Aster
"Das war für uns ein ganz krasses Erlebnis, weil man uns eben auch informationsmäßig komplett außenvorgelassen hat. Und wir plötzlich hier von Neonazis umzingelt waren, die hier überall in der Ortslage und auf den Wiesen rund ums Museum parkten, das war fast ein traumatisches Erlebnis."
Im Nachbarort veranstaltete Tommy Frenck das größte Neonazi-Konzert Deutschlands. Die Polizei verhängte großflächig Fahrverbote. Also parkten die Rechtsrockfreunde in Kloster Veßra. 400 Einwohner sahen sich 6000 Neonazis gegenüber. Wieder einmal machte der Ort Schlagzeilen.

"Das Klima wird rauer"

"Es gab Hakenkreuze im Gästebuch, es gibt immer wieder Übergriffe bei Facebook und Social Media, es gibt schlechte Bewertungen von Menschen, die aus diesem Spektrum kommen, also das ist schon, das Klima wird rauer, das ist auch merkbar für uns."
Nicht einschüchtern lassen, angstfrei und ruhig dagegenhalten. Das ist Bretschneiders Devise. Geschichte erlebbar machen. Mit Ausstellungen über Vertreibung und Flucht nach Thüringen. Geschichten über Neuansiedlung und Wiederaufbau.
"Ich habe keine Lust, mich hier hinter Klostermauern einzuschließen und mich über den Neonazi zu ärgern."
"Grenzen: denken und überwinden" heißt dann auch die neueste Ausstellung. Acht Künstlerinnen präsentieren ihre Skulpturen und Installationen im Klostergarten.
Auf der Terrasse vor dem "Goldenen Löwen" drängen sich mittlerweile mehr als 30 Besucher. Stöbern nach Spielzeug und Kinderkleidung. Eine Frau Mitte 50 winkt ab. Sie will sie nichts ins Mikrofon sagen. Klar ist aber: Ausländer sollen von ihren Spenden nichts abbekommen.

Erinnerungsfoto mit Neonazi

Tommy Frenck posiert mit Gästen für Erinnerungsfotos. Er zeigt auf die andere Straßenseite. Dort steht eine alte Fabrikantenvilla, die hat er vor einigen Wochen ersteigert. Ein großer Fachwerkbau, zwei Stockwerke, einige Fenster sind eingeschlagen.
"Wir hätten da in verschiedenen Etappen gearbeitet. Und zwar hätten wir in der einen Etappe Übernachtungsmöglichkeiten in Kloster Veßra angeboten. In der zweiten Etappe hätte eingerichtet, hätten wir Sozialwohnungen errichtet, in dem oberen Teil. Und in dem großen Saal, den sie unten noch sehen können, hätten wir einen Gemeinschaftsfunktionsraum eingerichtet, wo sich mehrere Generationen hätten treffen können."
Hätten, hätten, hätten. Doch passiert ist nichts. Denn Anwohner schlugen Alarm. Das thüringische Innenministerium schaltete sich ein. Und dessen Juristen suchten und fanden einen Verfahrensfehler. Also wird es nichts mit der Villa. Gegenüber vom Goldenen Löwen. Der Eigentümer soll nun an einen Interessenten aus Berlin verkauft haben. Frenck zuckt mit den Schultern. Auf seiner Homepage konnte er mal wieder gegen "die da oben" wettern. Die Linken, das Establishment, die Gutmenschen. Der 32-Jährige pflegt das Image des Rebellen von Rechtsaußen.
"Ich finde es toll, dass er hier was auf die Beine stellt, was andere Leute halt nicht machen. Die spotten halt nur über ihn, finde ich halt eine Schweinerei sowas, ja."

Schon immer Rechtsaußen

Nicole kennt Tommy Frenck noch aus der Schule. Sie war in der Parallelklasse. "Schon damals war er anders", erinnert sich die 32-Jährige. Aber solange sie ihn kennt, war er Rechtsaußen. Seinen Heimatort erklärte er zur "befreiten Zone", hängte die Reichskriegsflagge aus dem Fenster. Die freiwillige Feuerwehr lehnte ihn als Mitglied ab, der Gewichtheberverein ebenso. Frenck verlor seinen ersten Ausbildungsplatz, wurde im zweiten Anlauf Koch. Heute ist er Kneipenbesitzer, Versandhändler, Konzertveranstalter. Und Lokalpolitiker.
"Wir haben ihn alle gewählt. Ich bin halt froh, dass jemand da ist, der halt auch auf den Tisch haut und sagt, so geht’s nicht mehr. Und muss was gemacht werden."
Menschen bücken sich über Kisten auf einem Flohmarkt, ein Mann unter ihnen trägt einen Pullover mit rechtem Schriftzug und Symbolen.
Auf dem Flohmarkt in Veßra gibt es alles umsonst - aber nur für Deutsche.© Deutschlandradio / Ernst-Ludwig von Aster
Nicole klemmt sich einen großen Spielzeuglaster unter den Arm, blickt auf die Uhr. Sie muss jetzt los. Zuhause warten ihre beiden Kinder.
Von der anderen Straßenseite weht Grillduft herüber. Mittagstisch im Refektorium. Koch Uwe steht am Holzkohlegrill, wendet Rostbrätl, schneidet Mutzbraten. "Refektorium" – so hießen im Kloster früher Küche und Speisesaal. Bei Uwe ist es ein Imbisswagen mit angeschlossenem Holzkohlengrill. Und hölzernem Vorbau, zwei Sitzecken, ein paar Stehtischen. Gekocht wird über offenem Feuer. Nach alten Rezepten. Sprüche von Uwe, einem großen, kräftigen Mann, in schwarz-weißer Schürze, gibt es gratis.
Ohne den Imbiss eines Blickes zu würdigen geht Nicole zu ihrem Auto, verstaut den Spielzeug-Laster im Kofferraum. Uwe blickt kurz auf. Ein großes eisernes Kreuz prangt auf Nicoles Sweatshirt. Darin steht: "Klagt nicht, kämpft". Der Koch schüttelt den Kopf.

"Nur Schimpfen und Hetzen"

"Wir wussten ja damals noch nicht, wie es läuft. Selbst ich habe damals gesagt: Warten wir erstmal, was läuft. Ich gucke mir das erstmal ein Jahr an, bevor ich ein Urteil fälle. Und in dem Jahr habe ich eigentlich gesehen, das ist nur Schimpfen und Hetzen, extrem rechts, also in meinen Augen schon Neonazi. Also wenn ich ´nen Hitler-Geburtstag feiere und den Holocaust leugne, bzw. Holocaust-Leugnern ´ne Plattform biete, dann bin ich ein Nazi, Neonazi."
Und dem wollte er etwas entgegensetzen. Als Nachbar. Und Koch. Eine Frage des guten Geschmacks. Und der Küchenhoheit in Kloster Veßra. Darum hat Uwe das "Refektorium" eröffnet und ein Plakat an die Wand getackert, die direkt zum "Goldenen Löwen" zeigt. "Imbiss-Regeln" steht fett oben drüber. Der erste Satz: "Alle Menschen sind willkommen."
Der Koch Uwe steht vor dem Eingang seines Restaurants, dem "Refektorium".
In Uwes Refektorium sind alle Menschen willkommen.© Deutschlandradio / Ernst-Ludwig von Aster
Uwe schneidet noch zwei Scheiben Mutzbraten. Serviert sie mit Kraut und Brot. Auf der anderen Straßenseite liegt die Fabrikantenvilla, die Tommy Frenck ausbauen wollte.
"Er hat ja da drüben als Erstes angefangen und hat die Leute vertrieben, die da drinne sind. Der ist zu dem Vietnamesen gegangen und hat gesagt, er soll seine Koffer packen und weiterflüchten. Der Mann wohnt seit 30 Jahren in dem Haus. Dann hat er die Bäume erstmal umgesägt und liegenlassen."
Die Bäume liegen immer noch auf dem Grundstück. Der gebürtige Vietnamese, der als Vertragsarbeiter in der DDR schuftete, ist mit seiner Familie in den Nachbarort gezogen.

Frenck spaltet den Ort

Jetzt kommen ein paar Museumsmitarbeiter zum Mittagessen. Uwe greift wieder zu Messer. Und Mutzbraten. Drüben auf der anderen Straßenseite serviert Tommy Frenck Schnitzel und Burger für seine Flohmarktgäste.
"Er spaltet den Ort. Mittlerweile ist es so, die meisten im Ort wollen ihn nicht haben, weil er Unruhe reinbringt. Er lässt mich in Ruhe, ich lass ihn in Ruhe – das bringt nichts, wenn man sich hier bekriegt."
Ein Mittwoch, zehn Tage nach dem Flohmarkt im Goldenen Löwen. Gemächlich ruckelt der Regionalzug von Erfurt nach Hildburghausen. Von der thüringischen Hauptstadt in die Kreisstadt, unweit von Kloster Veßra. Steffen Harzer hat sein E-Bike dabei. Der 59-Jährige blickt auf die Uhr. Er ist spät dran. Harzer kommt gerade aus dem Landtag, da sitzt er als Abgeordneter der Linken, nun will er nach Hildburghausen. Zur Kreistagssitzung. Dort wird er wieder auf Tommy Frenck treffen: Seit gut 15 Jahren kreuzen sich ihre Wege regelmäßig.
"Dass er eine gewisse Bauernschläue hat und Organisationstalent, das war ja damals schon erkennbar. Nicht erkennbar war, was er dann für eine berufliche Karriere, dass er dann Koch lernt, er war dann ja auch mal ein Jahr verschwunden, er war da im Kreistag und war fort. Wäre er fortgeblieben, wäre uns das alles erspart geblieben."
Eine Rentnerin, auf dem Nebenplatz, nickt zustimmend. Tommy Frenck – den kennt hier jeder. 18 Jahre war Steffen Harzer Bürgermeister in Hildburghausen, einer Kreisstadt mit 12.000 Einwohnern. Er sorgte dafür, dass Frencks rechtsextreme Gruppen keine Sportplatz-Zeiten bekamen, er ließ Veranstaltungen und Konzerte auflösen. Von der Drohung, man werde ihm die Beine brechen, ließ er sich nicht beeindrucken.
Harzer steigt aus, setzt den Helm auf, schwingt sich aufs E-Bike. Muss los. Die Rentnerin schiebt ihr Fahrrad über den Bahnsteig.
"Es ist schlimm, dass sich so etwas wiederholt, ich kenne auch jüdische Menschen, mit denen ich stark verbunden bin. Man muss schon starke Bedenken haben, wie die Tendenz geht, wie sich das so entwickelt."

Mit 6000 Stimmen in den Kreistag

Ein rechter Spinner – das hörte sie damals oft. Frenck wurde bespöttelt. Manchmal belächelt. Die Zeiten sind vorbei. "Bündnis Zukunft Hildburghausen", kurz BZH, heißt die Vereinigung, mit der er regelmäßig zur Wahl antritt. Bei der Kreistagswahl Ende Mai wählten ihn mehr als 6000 Unterstützer. Nur der Landrat bekam mehr Stimmen.
Im Kreistag ist Pause. Tommy Frenck wartet vor der Tür des Sitzungssaals. Blaue Stoffhose, auberginefarbenes Hemd. Die oberen beiden Knöpfe offen, so dass sein großes Tattoo gut zu sehen ist. "Aryan" – "Arier" steht in Großbuchstaben zwischen den Schlüsselbeinen. Aus dem rotumrandeten "Y" laufen stilisierte Blutstropfen nach unten.
Tommy Frenck sitzt mit seiner Mutter an einem Tisch, an seinem Hals ist deutlich das "Aryan"-Tattoo erkennbar.
Tommy Frenck und seine Mutter bei der Kreistagssitzung.© Deutschlandradio / Ernst-Ludwig von Aster
"Wir haben Sitze in den Stadträten von Eisfeld, Schleusing, Hildburghausen, Themar, wir sind in ganz vielen Gemeinden vertreten, wie in Kloster Veßra, in Hemmstedt, im Schleusengrund, in Römhild, fast flächendeckend im ganzen Landkreis sitzen wir jetzt mit drin und haben einen Fuß in der Tür drinne."
Auch seine Mutter wurde in den Kreistag gewählt. Und noch ein weiterer BZH-Kandidat. Thüringen auf Landesebene unregierbar machen. Und in den Kommunen einen Fuß in die Tür bekommen. Das ist Frencks politische Wunschvorstellung. Er ist gegen den Euro, gegen die EU-Verfassung, gegen die Aufnahme von Flüchtlingen, gegen Windkraftanlagen, gegen die Altparteien. Er preist Feuerwehr und Vereine, Vaterland, Volk und Nazi-Generäle. Feiert Heldengedenken und Wintersonnenwenden. Lange Zeit konnte er mit seinem rechten Netzwerk weitgehend ungestört agieren. Das hat sich in den letzten Monaten geändert.
"Die Repression hat natürlich zugenommen, aber das stört mich nicht. Wir leben ja in keinem richtigen freien Land hier. Aber davon lässt sich keiner abhalten. Die Leute wissen, dass es kein Britney Spears Konzert ist."
Bei Konzerten beschlagnahmt die Polizei nun schon mal das Bier, der Kauf der Villa wurde gestoppt. Und für die Gaststätte Goldener Löwe versucht die Kommune derzeit vor Gericht ein Vorkaufsrecht durchzusetzen. Denn Tommy Frenck ist bis heute – trotz Kaufvertrag – nur Pächter der Gaststätte.

"Man kann ihn nicht greifen"

Im Kreistag sitzen Frenck und seine Mutter Rechtsaußen. Der dritte BZH-Kandidat fehlt heute. Eine Wortmeldung zum Protokoll, einmal zwei Enthaltungen, einmal zwei Gegenstimmen. Als es um die Besetzung der Ausschüsse geht. Die klären die anderen Parteien unter sich. Nach eineinhalb Stunden ist Feierabend. Tommy Frenck fährt zurück nach Kloster Veßra. Steffen Harzer, von der Linken, schiebt seine Unterlagen zusammen. Im nächsten Monat werden sie sich wiedersehen.
"Das Problem ist, man kann ihn ja nicht greifen, er stellt ja keine Anträge, politisch kann man ihn hier im Kreistag nicht greifen. Er erzählt dann nach dem Kreistag seinen Fans auf Facebook, was für tolle Geschichten er gemacht hat und wer alles gefehlt hat oder nicht gefehlt hat. Aber politisch macht er seinen rechtsradikalen Scheiß mit seinen Konzerten und seiner Kneipe."
Wieder einmal Wochenende. Im Goldenen Löwen. Der Gastraum ist voll. Zwei Dutzend Männer und ein paar Frauen drängen sich zwischen Eingang und Tresen. Einige tragen "Division Thüringen" Shirts, andere "Divison Sachsen". Auch "Bollwerk Oberpfalz" ist zu sehen. In Glas-Vitrinen präsentiert Tommy Frenck Devotionalien: Militaria- und nationalen Souvenir-Kitsch.
Eigentlich wollte Tommy Frenck heute gar nicht hier sein. Sondern auf einer Wiese im Nachbarörtchen Themar. Dort, wo er 2017 das große Neonazi-Konzert veranstaltete. Mit 6000 Besuchern. Für dieses Wochenende hatte er wieder Kundgebung und Konzert angekündigt: Zwei Tage, neun Bands. Motto "Wann Rechtsrock gespielt wird, bestimmen wir und nicht der Innenminister".
"Im Vorfeld ist leider die Überraschungsband weggefallen. Der Hauptakteur von Sturmwehr der Sänger, der dort Gitarrist ist, ist ausgefallen, wegen einer Handverletzung."
Und er ist nicht der einzige, der in letzter Minute absagt. Eine regelrechte Verletzungswelle hat das Rechtsrocklager getroffen. Statt neun Bands treten nun zwei Liedermacher auf. Aus zwei Tagen Festival auf der Wiese wird ein Abendkundgebung mit Musik im Hinterhof vom "Goldenen Löwen".

Zugang nur nach Leibesvisitation

Tommy Frenck geht in den Hinterhof. Eine kleine Bühne, daran das Banner "Rechtsrockcafe Kloster Veßra", ein Bierstand, einige mobile Toiletten, dazu ein paar Bänke und Tische. Angemeldet hat er 100-150 Besucher. Und von denen wird jeder kontrolliert. Die Polizei ist im Großeinsatz. Dutzende Mannschaftswagen stehen auf dem Museumsparkplatz. Rot- weiße Sperrgitter riegeln den Gasthof ab. Zugang zum Konzert gibt es nur nach Leibesvisitation.
Vor einer kleinen Bühne sitzen die Rechten auf Bierbänken.
Rechte Balladen unter Aufsicht - das Konzert hinter dem Goldenen Löwen.© Deutschlandradio / Ernst-Ludwig von Aster
Auf der anderen Seite der Absperrung, vorm Refektorium, bläst ein Demonstrant mit der Nasenflöte die Internationale. Seine Begleiterin reckt dazu ein Plakat in die Luft. "Nazis raus". Gut ein Dutzend Zelt-Stände sind aufgebaut, dazu eine kleine Bühne, Gewerkschafter, Grüne und Linke verteilen Broschüren, ein örtlicher SPD-Kandidat wirbt mit seinem Plakat um Stimmen, das Bündnis "Kloster Veßra bleibt bunt" verkauft Kaffee und Kuchen. Museumsdirektorin Uta Bretschneider verteilt gut gelaunt Postkarten. Werbung für die aktuelle Ausstellung über Grenzen.
Rund 100 Besucher bei Tommy Frenck, fast 200 hier auf der Gegen-Demo. Auch der Innenminister ist mit seinen Teenager-Töchtern gekommen. Nazis gucken. Und Gegendemonstranten begrüßen. "Das heute ist keine Wahlkampfveranstaltung", betont der SPD-Minister immer wieder. Einige Umstehende grinsen. Seine Partei liegt in Umfragen unter zehn Prozent.
Der Innenminister macht auf allen Ebenen Druck, das erzählen viele hier. Polizei und Verwaltung ziehen weitgehend mit. Machen strenge Auflagen, nutzen die ganze Bandbreite des Ordnungs- und Versammlungsrechts.
Hinter dem Goldenen Löwen greift Sebastian Schmidtke zum Mikrofon. Der Berliner NPD-Politiker hat die Kundgebung angemeldet, er muss die Auflagen der Polizei vorlesen. 15 Punkte – das dauert knapp fünf Minuten. Gleich neben der Bühne haben Polizeibeamte ihre Digitalkamera positioniert. Filmen die Besucher. An vier Biertischen, ganz vorne, sitzen gerade Mal 20 Neonazis. Der Rest hält sich lieber im Hintergrund.
Der Sänger, Axel Schlimper, verspätet sich. Er muss noch einige Fragen der Polizei beantworten. Nach 15 Minuten kommt er auf die Bühne. Ist überrascht, dass er etwas sagen soll. Weil ihm spontan nichts einfällt, singt er lieber.
Vor dem Holztor zum Hinterhof wartet eine Gruppe fränkischer Rechtsextremer. Die Männer sind sauer. Die Polizei lässt sie nicht rein. Stattdessen: Ausweiskontrolle, Foto, Sicherheitsabfrage. Der Grund: Verdacht auf Uniformierung. Alle tragen ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Bollwerk Oberpfalz".

Die Polizei filmt jede Regung

Auf der Bühne singt Axel Schlimper von "Germania" und "Todesverachtung", vereinzelt schunkeln Rechts-Rock-Fans auf den Bierbänken. Die Polizeibeamten filmen jede Regung. Heute zeigt hier niemand den Hitler-Gruß. Tommy Frenck steht neben der Biertheke. Gibt sich ungerührt:
"Das ist halt wie zu DDR-Zeiten, es wird halt alles gefilmt und aufgenommen. Man gewöhnt sich dran, was soll man denn sagen, das macht jetzt ja keinen Sinn eine Kamera wegzuhauen, da aktuell, und dann muss man das über sich ergehen lassen."
Hinter der Absperrung ist von den Blut- und Boden-Balladen nichts zu hören. Bei der Gegendemo klingt orientalische Musik aus den Boxen. Am Stand von "Kloster Veßra bleibt bunt" sortiert Lars Flyer. Der durchtrainierte 50-Jährige wohnt gegenüber vom "Goldenen Löwen".
"Man hat es ja jeden Tag vor Augen, speziell in meinem Fall. Und man bekommt ja auch mit, wer geht da rein, wer kommt da raus, da macht man sich schon seine Gedanken."
Seine Gedanken behielt er, wie viele in Kloster Veßra, lange Zeit für sich. Tauschte sie höchstens mit der Familie und Freunden aus. Das änderte sich in diesem Jahr.
"Das eine war natürlich, dass die eine Familie, die eben auch einen vietnamesischen Vater hat, dass der nahegelegt wurde, weiter zu flüchten. Das war der eine Knackpunkt, dann natürlich auch die Ankündigung, dass Herr Frenck sich da aufstellen lässt. Und in dem Moment war einfach klar, dass wir da auch mit in den Gemeinderat müssen."
Sechs Sitze gibt es im Gemeinderat. Drei entfallen auf Kloster Veßra. Bisher hatte dort immer die freiwillige Feuerwehr das Sagen. Diesmal aber trat auch Tommy Frenck an. Mit zwei Verbündeten. Ein Bürgerbündnis stellte sich dagegen. Doch fehlten für die Wahlzulassung 24 Unterstützer-Unterschriften. Lars und seine Mitstreiter gingen von Haustür zu Haustür.
"Das war natürlich dann, wenn man mit den Leuten geredet hat, wirklich befreiend, dass man gesehen hat, dass da eben nicht dieses stillschweigende `Ja, wir können es ja nicht ändern´ rüberkam, geschweige denn `es ist ja ganz toll, was man da macht´. Und das man gesehen hat, man ist nicht die Ausnahme, man ist eigentlich fast die Mehrheit."

Kampf um den Gemeinderat

In letzter Minute hat das Wählerbündnis die nötigen Unterschriften eingereicht. Am Ende reichte es für zwei Sitze. Tommy Frenck und seine Unterstützer bekamen einen. Ganz neue Zeiten in Kloster Veßra.
"Das hat sich schon geändert. Man kommuniziert wieder mehr miteinander, man hat da einmal den Uwe mit seinem Imbiss, der da auch ein bisschen die Fahne hochhält. Und dann hat man da auch Mal die Möglichkeit wieder zusammenzukommen."
Und zu reden. Über das, was passiert. Vor der eigenen Haustür.
Einige Tage später. In Kloster Veßra. Die Absperrungen sind verschwunden. Tommy Frenck schiebt auf der Terrasse des Goldenen Löwen ein paar Stühle zurecht. Uwe, im Refektorium auf der anderen Straßenseite, serviert Mittagstisch.
Uwe tritt kurz vor den Imbiss. Blickt hinüber zum Goldenen Löwen.
"Die Leute kommen nicht mehr, die wollen nicht mehr her, die Bands wollen nicht mehr her, weil sie hier nicht das Geschäft haben, was sie haben wollen. Und ansonsten läuft die Kneipe nicht, die ganze Woche über ist nicht viel. Wenn ist es Freitagabend, Samstag und Sonntagmittag. Und dann ist der Käs´ gestreut. Es ist ein seltsames Gasthaus."
Auf der Terrasse gegenüber blinzelt Tommy Frenck in die Herbstsonne. "Ich bin zufrieden", sagt er. Die Entscheidung in Sachen Vorkaufsrecht der Kommune für den Goldenen Löwen ist vom Gericht vertagt worden. Es fehlen noch Unterlagen. Und Gutachten. Sein Geschäft wird also erstmal weitergehen.
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