Eckhart Nickel: "Von unterwegs"

Neugier auf das Unbekannte

04:56 Minuten
Covercombo Eckhart Nickel "Von unterwegs"
Eckhart Nickels "Von unterwegs" ist eine Art Reisekatechismus im besten Sinne. © Deutschlandradio / Piper Verlag
Von Michael Opitz · 31.05.2021
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Vielleicht können wir ja bald wieder ungehemmt unserer Reiselust frönen. Bis es soweit ist, kann man in Eckhart Nickels „Von unterwegs“ schmökern und sich so daran erinnern, dass jede Reise ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang ist.
Neben den unentbehrlichen Reiseutensilien werden auf jede Reise auch viele im Gedächtnis abgespeicherte Bilder mitgenommen. Die Reisenden des 21. Jahrhunderts sind bestens informiert. Was auf einer Reise unbedingt gesehen werden sollte, kennen sie bereits aus den Medien, noch bevor sie jemals vor Ort waren.
Wer aber mit so viel Vorwissen unterwegs ist, läuft Gefahr, Sekundärtugenden zu vergessen, die der Reiseexperte Eckhart Nickel in seinem Buch "Von unterwegs" für unverzichtbar hält: Wer reist, muss bereit sein, sich überraschen zu lassen, und sollte neugierig auf alles Unbekannte sein.
Ratsam wäre es insofern, vor jeder Reise Gepäck ein-, zugleich aber auch die im Gedächtnis abgespeicherten Bilder auszupacken.

Die Fremde ist ohne Widrigkeiten nicht zu haben

Dass keine Reise selbstverständlich ist und jeder Aufbruch in die Fremde ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang bleibt, daran erinnert der weltgewandte Reisende Nickel seine Leser, die, bei der Lektüre bequem im Sessel sitzend, von ihm erfahren, wie er auf Flugplätzen und Bahnhöfen unterwegs ist, um Schnellzüge oder Passagierflieger zu erreichen.
Seine Reisen führen nicht nur in die Ferne, nach Indonesien und Bangkok, sondern er macht sich auch auf den Weg nach München oder Naumburg. Dass die Fremde ohne Widrigkeiten nicht zu haben ist, erfährt man aus Nickels Reisebuch ganz nonchalant.
Im besten Sinne des Wortes versteht Nickel sein Buch als eine Art "Reisekatechismus", in dem mit dezent gehaltenen Hinweisen belehrt und daran erinnert wird, dass man angesichts der Möglichkeit, reisen zu können, demütig und dankbar sein sollte.
Denn wer reisen kann, um seine Neugier zu befriedigen, der sucht fremde Gegenden aus Vergnügen auf und ist insofern anders unterwegs als jene, die als Emigranten ihre Heimat verlassen mussten.

Wortgewandter Fabulierer

Eckhart Nickel ist ein wortgewandter Fabulierer, der es versteht, die Besonderheiten von Metropolen und Landschaften in anspruchsvoll nachgezeichneten Reisebildern festzuhalten. Ein Beispiel dafür ist seine Impression "Am Mythenquai der Schweiz", in der er das "semiotische Grundmuster" der Schweiz – überaus überzeugend und zugleich auch mit Augenzwinkern – aus dem Loch erklärt.
Es findet sich im Emmentaler Käse, den Tresorschächten der Schweizer Banken und in jedem Tunnel, der durch einen Berg führt. Dass Nickel bei seinen Reiseerkundungen oft von Dichtern begleitet wird, etwa von Claudio Magris, der seine Donau-Biografie in einem Triester Altstadtcafé schrieb, verleiht diesem Buch zusätzlichen intellektuellen Glanz.

Von Reisehandschuhen und Rimowa-Koffern

Zwischen den Reisebeschreibungen wartet Nickel mit kleinen Novitäten auf, wenn er über den Vorteil von Reisehandschuhen sinniert, die Vorzüge eines Rimowa-Koffers abwägt oder über Reiseschuhe nachdenkt. Das Besondere der Reiseimpressionen wird in stilistisch anspruchsvollen Texten festgehalten. Nickel listet Sehenswertes nicht nur schmallippig auf, sondern er zelebriert in der Sprache, was sich ihm eingeprägt hat.
Wer demnächst nur irgendwo Urlaub machen wird, wer nur wohin fährt, um sich am Strand zu rekeln, dem wird Nickels Buch eher wenig sagen. Für die wirklich Reisenden aber dürfte "Von unterwegs" eine Art Vorspiel auf das wieder mögliche Weltschauspiel des Reisens sein.

Eckhart Nickel: "Von unterwegs"
Piper Verlag, München 2021
283 Seiten. 20 Euro

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