Durs Grünbein über Monika Maron

"Ich sehe bei ihr eine gewisse Furcht vor einer Überfremdung"

08:11 Minuten
Der Lyriker Durs Grünbein
Von verhärteten Fronten im Literaturbetrieb spricht der Lyriker Durs Grünbein. © imago stock&people
Moderation: Joachim Scholl · 20.10.2020
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Was sich derzeit um die Autorin Monika Maron abspielt, verstört ihren Schriftstellerkollegen Durs Grünbein. Er rätselt, was Maron bewogen haben könnte, in einem Verlag zu veröffentlichen, der auch Werke der Neuen Rechten publiziert.
Joachim Scholl: Die literarische Welt in Deutschland – das Feuilleton bebt angesichts der Entscheidung des S. Fischer Verlags, sich von seiner Hausautorin Monika Maron nach bald 40 Jahren zu trennen. Schon länger gab es Kontroversen im Verlag um Monika Marons politische Überzeugung. Dass die Autorin nun einen Essayband in der edition buchhaus loschwitz veröffentlicht, das ist für den Fischer-Verlag nun der Hauptgrund für die Trennung. Jene Edition wird von Susanne Dagen betreut, einer Frau, die in Dresden als Aktivistin der Neuen und auch radikalen Rechten gilt.
Nun gehen die Vorwürfe hin und her, und wir wollen den Fall besprechen mit einem der prominentesten deutschen Schriftsteller, mit Durs Grünbein. Für die "Süddeutsche Zeitung" ist das eine traurige, ja tragische Geschichte. Für Sie auch?
Durs Grünbein: Es ist zumindest verstörend. Ich muss gleich dazusagen, was wir gar nicht wissen, sind jetzt die eigentlichen Sätze oder Aussagen, um die es sich hier dreht. Aber dass ein Verlag, der so lange zu seinem Autor gehalten hat, eine so langjährige Vertragsbindung jetzt gelöst wird, das ist wirklich etwas irritierend, muss ich sagen. Aber auch hier, ich kenne leider gar nicht die Details, wir wissen ja gar nicht, wie der genaue Wortlaut ist, wer hat hier eigentlich wem gekündigt und mit welcher Begründung.

Suhrkamp störte sich nicht an Tellkamp

Scholl: Die Begründung, die ist eher lapidar. Es ist sozusagen wirklich dieser Fall dieses Buches, dieses Essaybands von Monika Maron, der eben bei Susanne Dagen erscheint. Dass dieses Buch nun auch vertrieben wird von Götz Kubitschek, dem Neuen Rechten des Antaios Verlags, das war für den S. Fischer Verlag irgendwie der Hauptgrund zu sagen, wir wollen auf keinen Fall, auch nicht mittelbar, in diesem doch ja auch als rechtsextremistisch eingestuften Umfeld, mit unserer Autorin, die immer noch unsere Autorin ist, wollen wir nichts zu tun haben.
Monika Maron sagt nun, man hätte mit ihr wenig darüber geredet, sondern ihr das einfach lapidar mitgeteilt. Es ist natürlich eine Haltung, die man vielleicht akzeptieren müsste, oder?
Grünbein: Na ja, zunächst mal, ich kenne bisher nur den Titel dieses Essaybandes, "Krumme Gestalten, vom Wind gebissen", auch da wüsste ich gern mehr, also einzelne Texte eben und verschiedene Textpassagen, über die wir dann streiten könnten.
Sie sagt wohl auch selber wörtlich, dass der politisch mir ferne Kubitschek das Buch vertreibt, wusste ich nicht. Das ist ein bisschen seltsam, weil man im Grunde die Szene ja ganz gut kennt. Nebenbei: Der bei Suhrkamp verlegte Autor Uwe Tellkamp, der hat direkt ein Buch in diesem Antaios Verlag herausgebracht, und das hat zumindest unseren gemeinsamen Verlag, Suhrkamp, bisher erst mal nicht gestört, ihn auch weiterhin zu verlegen. Hier muss man wirklich genau, finde ich, sich mit dem Inhalt der Texte auseinandersetzen.
Scholl: In den nächsten Tagen wird das wahrscheinlich vielfach gemacht, denn wir werden das auch noch prüfen und natürlich analysieren. Ich meine, Monika Maron hat am Wochenende der "Welt am Sonntag" erstmals von diesem Rauswurf, wie sie es nannte, erzählt und ist fassungslos, fühlt sich heimatlos und auch in ihrer Existenz bedroht. Den Vorwurf allerdings, in diesem umstrittenen jetzt Dresdner Verlag ihren Essayband zu veröffentlichen, tut sie ja mehr oder minder achselzuckend ab mit dem Hinweis, Susanne Dagen sei eine langjährige Freundin. Und dass ihr Buch nun ausgerechnet von jenem Götz Kubitschek vertrieben sei, davon hätte sie gar nichts gewusst. Macht sich da eine so politisch wache Autorin wie Monika Maron nicht einen allzu schlanken Fuß, Herr Grünbein?
Grünbein: Hier ist ja über Jahre etwas Seltsames passiert. Ich kenne zum Beispiel die Susanne Dagen auch seit vielen Jahren. Früher war es üblich, ich komme aus Dresden, dass wenn irgendein neues Buch von mir erschien, wir bei ihr in dieser Buchhandlung dann die Buchpremiere gemacht haben oder Lesungen aus dem Buch.

Verhärtete Fronten

Eines Tages ging das nicht mehr, und das war auch hier eher eine einseitige Kündigung oder ein Desinteresse, ein neues. Denn ich bin sozusagen in eine Debatte hineingeraten – hat man vielleicht gehört, so eine große, im Dresdner Kulturpalast stattfindende öffentliche Debatte mit dem Schriftsteller Uwe Tellkamp –, und danach herrschte plötzlich Funkstille.
Ich hab damals dieses berühmte Manifest, das Susanne Dagen veröffentlicht hatte – da geht es um anscheinend gestörte Meinungsfreiheit und so weiter –, das hab ich nicht unterschrieben und ihr das auch genau begründet, und wie gesagt, seither herrscht Funkstille, und zwar von der anderen Seite. Das muss ich jetzt mal sagen, das hat mich etwas irritiert, ich finde es bis heute bedauerlich, da sind praktisch verhärtete Fronten. Nur habe ich diese Front nicht aufgemacht, das ist eigenartig, kann ich bis heute sagen.
Seither wird da in dieser Szene eben eine ganz eigene Literaturpolitik betrieben, zum Beispiel eine Reihe, die heißt "Mit Rechten lesen", die Susanne Dagen betreibt mit der Gattin von Götz Kubitschek. Und da ist dann eben auch Monika Maron aufgetreten. Auf einmal wird praktisch die Literatur von dieser Seite aus auch stark sortiert nach sozusagen meinungsstarker, sich um Meinungsfreiheit bemühende und angepasste Literatur.

Immer dieser Komplex, etwas Falsches zu sagen

Scholl: Nun ist schon das böse Wort von Cancel Culture gefallen. Diese Debatte, die durchzieht momentan ja viele unserer Diskurse, dass man Meinungen ideologisch ausgrenzt, und Monika Maron fühlt sich, wie sie jetzt sagt, wie früher in der DDR, dort sei man mit Kritik auch sofort als Klassenfeind und konterrevolutionär diskreditiert worden. Ist das nicht ein bisschen überspitzt, oder wie sehen Sie das?
Grünbein: Na ja, es geht immer um diesen Komplex, man könnte irgendetwas Falsches sagen. Das erlebt man ja auch im Alltag, das kann ich sozusagen in meinem Bekannten- oder Familienkreis auch bestätigen. Da gibt es immer diese diffuse Vorstellung, also dies oder das darf ich jetzt nicht mehr sagen.
Diese Meinung hab ich nicht. Ich wüsste immer gerne, was das dann ist, was man nicht mehr sagen darf. Anscheinend haben die Leute mittlerweile auch Angst vor ihrem Inneren sozusagen, in dem sich Abgründe auftun müssen. Wir reden hier von der Debatte über die Migration, wir reden über den Islam, wir reden hoffentlich nicht mehr über die Juden, und da ist zum Beispiel die nächste Frage: Wer in irgendeiner Form latent oder offen einen Antisemitismus hat, natürlich sind das Meinungen, die man dann nicht sagen kann, ist ja völlig klar.
Aber eben diese Angst, hier wäre irgendwie ein Meinungskorridor und ich könne mich nicht mehr frei äußern, die teile ich natürlich überhaupt nicht. Umgekehrt wüsste ich eben auch ganz genau ganz gern, was in diesen jeweils jetzt hier indizierten Texten gesagt wird, und dann können wir uns darüber unterhalten. Ich sehe bei Monika Maron seit Langem eine gewisse Furcht vor einer Überfremdung, es ist ein ähnlicher Komplex auch vor dem Islamismus zu sehen, auch in dem letzten Roman. Aber wenn wir jetzt mal Frankreich als Beispiel nehmen, dort ist ja dieses Kampffeld viel weiter fortgeschritten, aber vielleicht kommen wir darauf noch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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