Dürres Land

Südafrika leidet unter historischer Trockenheit

Missernte angesichts der historischen Dürre in Südafrika.
Missernte angesichts der historischen Dürre in Südafrika. © Deutschlandradio / Leonie March
Von Leonie March · 27.06.2016
Die Konsequenzen der Dürre in Südafrika sind verheerend: Bauern mussten Tiere notschlachten und konnten kaum eine Ernte einfahren. Betroffen sind auch die Landwirte, die zunächst von der groß angelegten Landreform profitiert haben.
Ein paar Hühner sind ihm geblieben. Doch von dem Verkauf allein wird der Kleinbauer Andson Kunene seine Familie kaum ernähren können. Südafrikas Jahrhundert-Dürre hat ihn hart getroffen. Nun kämpft er um seine mühsam erarbeitete Existenz.
"Im letzten Jahr konnte ich wenigstens zwei Hektar bewirtschaften und zwei Tonnen Mais ernten. Aber in dieser Saison konnte ich gar nichts anbauen. Die Erde war einfach zu trocken. Auch mein Vieh hat gelitten. Ich habe mit aller Kraft versucht, genug Wasser und Futter aufzutreiben, aber es hat einfach nicht gereicht."

Die Viehherde ersetzt das Bankkonto

Einige seiner Kühe sind verendet, andere musste er notschlachten, die letzten hat er verkauft. Es ist ein herber Verlust. Denn für viele Kleinbauern in Südafrika ersetzt die Viehherde gewissermaßen das Bankkonto – sie ist ihre einzige Rücklage. Ihre Familien überleben gerade so von dem, was sie anbauen. Mit der Ernte fallen oft auch die Mahlzeiten aus.
Ein paar Kilometer weiter macht sich auch der Großbauer Günther Muhl Sorgen um die Zukunft. Zwar grasen auf seiner Weide noch immer Mutterkühe, doch seine Herde musste auch er deutlich verkleinern. Die Mais- und Sojaernte fällt ebenfalls wesentlich geringer aus als sonst. Weil der Regen erst spät und nur spärlich gefallen ist, sind Monate verstrichen, bevor er mit der Aussaat beginnen konnte. Der Pegel seines Staudamms ist zu niedrig, um die Felder zu bewässern. Nahezu ein Drittel der Anbaufläche liegt brach, erklärt der deutschstämmige Farmer:
"Die Ernte von 2015 war nur eine halbe Ernte. Ich konnte nur meine Kosten decken und hatte natürlich schon eigenes Kapital aufgebaut, womit ich denn das neue Jahr finanziert habe; mit Krediten dazu, etwa 50/50. Und jetzt in diesem Jahr werde ich das wahrscheinlich nicht schaffen. Ich würde langfristige Kredite anfragen müssen, um dann hoffentlich in der Zukunft das wieder abzudecken, die Verluste, die aufgebaut sind von der Trockenheit, wo ich keine Einnahmen hatte."

Wegen Überschuldung den Hof verloren

Viele Landwirte sind bereits so überschuldet, dass sie ihre Höfe aufgeben mussten. Daran mag Günther Muhl gar nicht denken. Er bewirtschaftet seine Farm bereits in dritter Generation. Doch es gehe hier nicht nur um ihn, betont er und deutet auf die Frauen, die gerade säckeweise frisch geerntete Maiskolben in einen Pick-Up hieven. Es sind Einheimische aus der Gegend, wie Nomsa Sibande, die seit Jahren zu seinen Kundinnen gehört:
"Dieser Mais ist unser Geschäft. Wir kochen ihn und verkaufen ihn dann am Straßenrand an die Passanten. Doch in den ersten drei Monaten dieses Jahres gab es nirgendwo frische Maiskolben. Das war eine schwere Zeit. Denn ich ernähre mit diesem kleinen Geschäft normalerweise etwa 20 Familienmitglieder. Wir mussten irgendwie mit der Rente meiner Mutter und dem Kindergeld überleben."
An einem Landwirt hängen viele Existenzen: von Händlerinnen wie Sibande über kleine und mittelständische Zuliefererbetriebe und Futtermittelhersteller bis zu Erntehelfern und Angestellten. Die Farmen sind die Lebensader ländlicher Regionen wie dieser im Norden von Kwazulu-Natal - einer der Provinzen Südafrikas, die wegen der extremen Trockenheit zum Notstandsgebiet erklärt wurden.

Tausende Farmarbeiter ohne Job

In der weiten, sanften Hügellandschaft treibt Sifiso Ntuli ein Dutzend Kühe von ihrem Pferch auf die Weide. Er könne sich noch vergleichsweise glücklich schätzen, erzählt der junge Mann. Denn er hat wenigstens noch Arbeit. Im Gegensatz zu mehreren zehntausend Farmarbeitern in Südafrika, die ihren Job angesichts der Dürre verloren haben:
"Es tut mir im Herzen weh, dass viele meiner Kollegen entlassen wurden und jetzt vor dem Nichts stehen. Denn hier auf dem Land gibt es keine anderen Jobs. Die meisten haben so wie ich, große Familien und wissen jetzt nicht, wie sie sie ernähren sollen. Die Dürre macht unser ohnehin hartes Leben unerträglich."
Der junge Mann kramt einen Einkaufszettel aus der Tasche seines Blaumanns. Maismehl, Zucker, Öl – alles ist teurer geworden. Unerschwinglich für Millionen armer Südafrikaner, die ihren Gürtel nicht mehr enger schnallen können. Experten sagen jedoch weitere Preissteigerungen voraus. Schuld ist die historische Dürre gepaart mit der teils hausgemachten Schwäche der südafrikanischen Währung.
Südafrika muss Grundnahrungsmittel wie Mais, die es früher exportiert hat, nun teuer importieren, rechnet Ralf Küsel vom südafrikanischen Verband der Getreidebauern, Grain SA, vor:
"Wir werden etwa 4,5 Millionen Tonnen Mais importieren müssen, vielleicht etwas mehr. Dazu kommen Sojabohnen und Sojaprodukte für Öl und Tierfutter. Weizen müssen wir jedes Jahr importieren – ob es diesmal mehr sein wird, müssen wir noch abwarten. Hier in der Provinz Kwazulu Natal schauen wir mit Sorge auf die extrem niedrigen Wasserstände unserer Flüsse und Staudämme. Denn nun hat die Trockenzeit begonnen. Wenn die Niederschläge tatsächlich bis zur nächsten Regenzeit ausbleiben, dann wird sich die Situation weiter zuspitzen."

Etwas Saatgut als Dürrehilfe

Der Kleinbauer Andson Kunene schaut sorgenvoll in den blitzblauen, wolkenlosen Himmel. Er hat etwas Saatgut als Dürrehilfe bekommen, aber ob er es tatsächlich auch aussäen kann, ist unklar:
"Das hängt davon ab, wie lange die Dürre noch anhält. Mir würde es mehr helfen, wenn man hier einen Brunnen bohren würde, dann wären wir nicht mehr vom Regen abhängig. Mehrere Familien könnten ihn gemeinsam nutzen und unser Leben wäre etwas besser."
Der Mittsechziger hat davon gehört, dass zivilgesellschaftliche Organisationen und die Regierung neue Brunnen bohren – als Teil eines landesweiten Hilfsprogramms. Gesehen hat er davon jedoch noch nichts.
Andson Kunene (2.v.r.) Mbongiseni Malunga (3.v.r.) - Kleinbauern der African Farmers Association in Südafrika.
Andson Kunene (2.v.r) Mbongiseni Malunga (3.v.r) - Kleinbauern der African Farmers Association in Südafrika.© Deutschlandradio / Leonie March
Er ist auf eine Nachbarfarm gefahren, um sich über den neusten Stand zu informieren. Dort trifft er auf andere Mitglieder der "African Farmers Association", kurz AFASA. Der Verband vertritt insbesondere die Interessen schwarzer Landwirte in Südafrika. Die Männer versammeln sich zwischen Traktoren und Tierfutter in der Scheune ihres Vorsitzenden, Mbongiseni Malunga:
"Bislang hat die Provinzregierung umgerechnet rund 3,6 Millionen Euro für betroffene Bauern bereitgestellt. Landesweit hat der Staat Hilfen in Höhe von etwa 68 Millionen Euro versprochen. Dafür sind wir natürlich dankbar. Aber diese Summen werden nicht ausreichen. Die Not ist einfach zu groß. Viele Bauern haben keinerlei Einnahmen und auch keine Ersparnisse mehr. Sie können nicht einmal ihre Stromrechnungen, geschweige denn ihre Schulden begleichen und auch ihre Arbeiter nicht mehr bezahlen. Deshalb bitten wir die Regierung, schnell einzugreifen."

Unzufriedenheit mit dem Krisenmanagement der Regierung

Die versammelten Männer nicken zustimmend. Viele sind unzufrieden mit dem Krisenmanagement der Regierung. Sie habe viel zu spät reagiert und Hilfe nach dem Gießkannenprinzip verteilt, kritisiert Musi Hlongwane, der als technischer Berater für AFASA arbeitet:
"Einige der Finanzhilfen sind an die Land- und Entwicklungsbank geflossen, von wo aus sie weiter verteilt werden sollen. Doch das hilft unseren Mitgliedern überhaupt nicht. Denn die Banken verlangen Sicherheiten und Papiere, die kein Kleinbauer vorweisen kann. Auch von den Futtermittelhilfen haben längst nicht alle profitiert: Viele haben uns davon berichtet, dass zuerst regierungsnahe Bauern versorgt wurden. Als die anderen endlich an die Reihe kamen, war nichts mehr übrig."
Erstaunlich deutliche Worte für einen dunkelhäutigen Bauernvertreter in der Heimatprovinz von Südafrikas umstrittenem Präsidenten Jacob Zuma – dort, wo der ANC traditionell eigentlich eine starke Wählerbasis hat. In dieser Scheune aber scheint die Unterstützung mit der Dürre langsam auszutrocknen.

Staatliche Unterstützung auf Abwegen

Ein paar hundert Kilometer südlich, in der Hafenstadt Durban, schaut Sandy La Marque aus ihrem Bürofenster auf die belebte Straße. Sie ist die Geschäftsführerin des Bauernverbands Kwanalu, zu dem auch weiße Großbauern gehören. Angesprochen auf die staatliche Unterstützung für die dürregeplagten Landwirte wird sie noch deutlicher:
"Ein großer Teil der Hilfe wurde fehlgeleitet. Es ist besorgniserregend, wie viele Landwirte in diesem Zusammenhang von Korruption, Missmanagement und Betrug erzählen. Es ist traurig, dass diese Hilfen nicht bei denen ankommen, die eigentlich Anspruch darauf hätten. Bauern standen stundenlang Schlange, um Futtermittel zu bekommen, mussten dann jedoch mit leeren Händen wieder nach Hause gehen. Leute, die nicht einmal in der Landwirtschaft tätig sind, hatten das Futter erhalten und verkaufen es weiter. Solche Geschichten hören wir täglich."
Landwirt Günther Muhl hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Neben einer effizienteren und gerechteren Verteilung der Hilfen wünscht er sich aber auch mehr Weitsicht der Behörden im Umgang mit Dürreperioden wie dieser. Sorgenvoll blickt er über seine Felder: Verkümmerte, kleinwüchsige Mais-Pflanzen, deren Kolben sich nicht richtig gebildet haben. Zwischen den Körnerreihen klaffen etliche Lücken. Daneben ein Hektar halb vertrockneter Sojapflanzen, ebenfalls eine Missernte. Und weites, brach liegendes Land auf dem statt saftigem Grün nicht mehr als struppig-gelbliche Grasbüschel wachsen. Das massive Stahlgerüst der ungenutzten Bewässerungsanlage wirkt hier seltsam fehl am Platz.

Wertvolles Wasser versickert ungenutzt

Das Wetterphänomen El Niño kann jedoch nicht allein für das Ausmaß der Krise verantwortlich gemacht werden; Schuld ist auch schlechte Planung. Wasserrestriktionen gibt es erst, wenn die Staudämme ein kritisches Niveau erreicht haben - nicht schon früher. Vielerorts wird Wasser verschwendet: Auf den Feldern ebenso wie in Haushalten und durch marode Infrastruktur. Aus alten, undichten Rohrleitungen versickern jeden Tag hunderte Millionen Liter wertvolles Wasser ungenutzt. Die Gemeinden brauchen zu lang, um die Lecks zu reparieren. Ebenso wie für den Ausbau und die Modernisierung der Wasserreservoire.
"Da sind Staudämme, aber die sind schon alt. Zu der Zeit war die Bevölkerung 30 Millionen, jetzt wahrscheinlich an die 55 Millionen. Da ist keine Planung neue Staudämme zu bauen, nicht auf den Farmen, nicht in den Dorfgebieten. Es ist unglaublich schwierig im Augenblick, überhaupt Dämme größer zu bauen. Weil so viel Forschung muss erst gemacht werden und die ganzen Kosten liegen auf uns Landwirten. Wir sind total auf uns selber angewiesen."
Der Wasserstand in Günther Muhls Staudamm ist extrem niedrig.
Der Wasserstand in Günther Muhls Staudamm ist extrem niedrig.© Deutschlandradio / Leonie March
Günther Muhl baut seinen eigenen Staudamm gerade aus. Trotz hoher Kosten für diverse Gutachten und bürokratischer Hürden. Er steht am Rande der großen Senke, deren Boden nur mit wenig Wasser und einem Film grüner Algen bedeckt ist. Die Rohe für die Bewässerungsanlage ragen mehrere Meter darüber in die Luft. Daneben liegen schwere Betonstreben, mit denen Muhl die Staumauer erweitert und erhöht.

Die Frist für Landklagen bis 2019 verlängert

Viele andere Landwirte schrecken vor einer solchen Investition zurück. Das liegt nicht nur an der momentan prekären finanziellen Lage, sondern auch an unsicheren Besitzverhältnissen, betont Sandy La Marque vom Bauernverband Kwanalu. Seit dem Ende der Apartheid ist die Umverteilung des Landes, das weiterhin überwiegend Weißen gehört, eines der vorrangigen politischen Ziele. Schwarze Südafrikaner sollen die Farmen übernehmen oder wenigstens für historische Ungerechtigkeiten finanziell entschädigt werden. Doch die Landreform verläuft schleppend; die eigentlich bereits abgelaufene Frist für neue Landklagen wurde bis 2019 verlängert:
"Hier in Kwazulu Natal sind allein über 80 Prozent der Zuckerindustrie betroffen. Es gibt abertausende ausstehende Klagen. Weder die Kläger noch die Landwirte wissen, wie es weitergeht. Denn leider gibt es in vielen Fällen auch nach über zwanzig Jahren noch keine Klarheit. Von den Bauern wird erwartet, dass sie ihr Land trotzdem weiter bewirtschaften. Die Kläger sollen sich in Geduld üben. Diese Situation führt natürlich zu Konflikten – zu Landbesetzungen und Gewalt bis zu Farm-Morden. Für uns als Bauernverband stellt sich die Frage, wie wir diese Spannungen und den Stress mildern können, unter denen die Leute in diesen ländlichen Gemeinden leiden."

Ein grundlegender Sinneswandel ist nötig

Diese Frage treibt längst nicht nur weiße Landwirte, sondern auch die schwarzen Kleinbauern um, die nach ihrer Krisensitzung aus der Scheune nach draußen auf den Hof treten. Sie seien es leid, dass die politischen Grabenkämpfe auf ihrem Rücken ausgetragen würden, fasst Mbongiseni Malunga die Stimmung zusammen:
"Wir brauchen einen grundlegenden Sinneswandel. Es bringt uns nicht weiter, mit dem Finger auf die Weißen zu zeigen. Es geht schließlich um die Ernährungssicherheit und wir brauchen alle etwas zu Essen. Wir dürfen nicht nur an uns selbst denken, sondern an das Wohl unserer Nation. Es reicht nicht, das Land einfach nur von Weiß nach Schwarz umzuverteilen. Die neuen Bauern müssen es auch erfolgreich bewirtschaften. Dazu brauchen sie mehr Unterstützung von der Regierung, eine bessere Schulung und natürlich den Willen, wirklich als Landwirt zu arbeiten. Wir können es nicht zulassen, dass Leute eine Farm bekommen, aber dort nichts produzieren."
Was dann passiert, davon kann Landwirt Günther Muhl ein Lied singen. Ein Nachbar hat seine Farm bereits an die Regierung verkauft. Doch statt neuer Eigentümer verwaltet nun ein Trust das Land. Die Farmarbeiter wurden entlassen. Acker- und Weideflächen liegen weitgehend brach. Unkraut überwuchert die einst fruchtbaren Felder. Die Pflöcke des Grenzzauns stehen windschief in der Landschaft. Nur das rostige Metallgerippe einer alten Farmmaschine erinnert an bessere Zeiten.

Regierung liebäugelt mit Schiefergasförderung

Statt die Landwirtschaft zu fördern, liebäugelt die Regierung in der Gegend nun mit der umstrittenen Schiefergasförderung. Fracking statt Farming, sagt der gestandene Landwirt kopfschüttelnd. Trotz der historischen Dürre und den Risiken für das ohnehin knappe Trinkwasser. Doch Aufgeben kommt für ihn trotz alledem nicht in Frage:
"Wir haben noch gute Nachbarn, mit denen wir gut zusammenarbeiten und uns gegenseitig helfen. Da ist keine Regierungshilfe, das tun wir alles privat unter uns. Wir haben auch noch gute Genossenschaften, die beraten und helfen uns auch. Ich habe gute Mitarbeiter, schwarze Mitarbeiter. Und ich denke, da ist so viel Potenzial in unserem Land, dass wir mit den Schwarzen einfach zusammenarbeiten, dass ihr Niveau nach oben kommt. Wir könnten alle glücklich in diesem Land leben, wenn wir zusammenarbeiten und einander helfen."
Auch der Kleinbauer Andson Kunene blickt etwas optimistischer in die Zukunft, als er am Nachmittag nach Hause zurückkehrt. Einige seiner Bekannten haben weiße Großbauern als Mentoren oder Geschäftspartner gewinnen können. So bekommen sie das Knowhow, das sie sich eigentlich von der Regierung erhofft hatten. Die Jahrhundertdürre hat einige Landwirte über die historischen Rassenschranken hinaus enger zusammengeschweißt:
"Ich bin für alles offen, was mir dabei hilft, mich weiterzuentwickeln. Ich träume immer noch davon, einmal ein richtiger Landwirt zu sein. Nicht nur, um meiner Familie eine bessere Zukunft zu bieten, sondern auch anderen, indem ich Arbeitsplätze schaffe. Darauf arbeite ich hin."
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