Drogenarzt Chaim Jellinek

"Aufgeben akzeptiere ich nicht"

Für Eltern kann ein drogenabhängiges Kind zur Lebensqual werden.
Drogensucht kann Leben verstören: Chaim Jellinek hilft Betroffenen. © imago/Mavericks
Chaim Jellinek im Gespräch mit Ulrike Timm · 03.08.2016
In seiner Jugend hat er selbst fast alle Drogen ausprobiert, heute hilft er als Drogenarzt Suchtpatienten. Das Leben von Chaim Jellinek ist aber auch im Privatleben reich an überraschenden Wendungen.
Schon mit 13 hatte Jellinik seinen ersten "Vollrausch". Die Drogen, die er mehr als 15 Jahre nahm, empfand er als Hilfe. "Meine Eltern waren Nazis", Gewalt prägte seine Kindheit und er fühlte sich als "reichlich verklemmtes, unglückliches Kind."
"Gewalterfahrungen spielen für viele Suchterkrankungen eine entscheidende Rolle", meint der inzwischen 60-Jährige. Seit 30 Jahren konsumiert er keine Drogen mehr, er ist verheiratet, hat Kinder und schaffte seine Ausbildung zum Mediziner. Der Wahlberliner ist Mitbegründer der Ambulanz für integrierte Drogenhilfe (a.i.d.), die seit bald 20 Jahren Schwerstsüchtige behandelt und begleitet. Eine schwierige Aufgabe:
"Also erstmal muss man sich klarmachen, dass es keine Diagnose gibt, die so stigmatisierend ist wie die Diagnose-Abhängigkeitserkrankung. Das kommt, glaube ich, sogar lange vor psychiatrischen Störungen. Wenn man Rheuma hat oder eine Herzerkrankung, dann wir das anders gewertet, sowohl von außen als auch von den Patientinnen und Patienten selber. Und das ist eine hohe Behandlungshürde."
Drogenarzt Chaim Jellinek im Studio von Deutschlandradio Kultur.
Drogenarzt Chaim Jellinek im Studio von Deutschlandradio Kultur.© Deutschlandradio / Manuel Czauderna
Jellinek war einer der ersten Mediziner in Deutschland, die bei der Behandlung von Heroinsüchtigen Methadon als Ersatzmittel eingesetzten. Kritik an der Methadonbehandlung kontert er mit der Aussage, die Sterblichkeit bei Drogensüchtigen habe sich seit dem Einsatz von Methadon halbiert. Allerdings sei die psychosoziale Behandlungen Suchtkranker ebenso wichtig. Ziel sei es, eine gute Beziehung zu den Süchtigen aufzubauen. Das sei oft sehr schwer, aber "aufgeben akzeptiere ich nicht", lautet Jellineks Lebensmotto:
"Ich glaube, das muss man sich selber zum Motto machen, wenn man Erfahrungen gemacht hat, dass man auch eine Seite in sich hat, die gerne aufgeben möchte, wenn man an sich selber einen Hang zur Selbstzerstörung mitkriegt, den man auch nicht mehr loswerden kann. Ich kann niemanden vorschreiben, wie oder wann auch ein Leben zu beenden ist oder beendet wird. Das kann ich nicht, dazu habe ich kein Recht. Aber nach Lösungen zu suchen, die das Überleben dann doch möglich machen – das finde ich ganz wesentlich."
Mehr zum Thema