Dokumentarfilm über Kinder- und Jugendklinik

Warum man den Film "Elternschule" sehen sollte

02:57 Minuten
Eine Frau hält einen Jungen an der Hand während er auf einer Brüstung auf dem Spielplatz balanciert.
Der im Dokumentarfilm "Elternschule" gezeigte Umgang mit Kindern und Jugendlichen löste heftige Debatten aus. © Zorro Film
Ein Standpunkt von Matthias Finger  · 03.07.2019
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Der Dokumentarfilm "Elternschule" sorgte schon zum Kinostart für heftige Debatten. Nun zeigt die ARD den umstrittenen Film über den Alltag in einer Gelsenkirchener Kinder- und Jugendklinik im Fernsehen und in der Mediathek.
Der Film "Elternschule" nimmt uns mit in die Gelsenkirchener Kinder- und Jugendklinik. Dort wird ratlosen Eltern geholfen, wenn Kinder permanent schreien, nicht schlafen oder essen wollen. "Die Zuschauer erleben das Auf und Ab einer radikalen, ganzheitlichen Behandlung, die nicht nur den Kindern einiges abverlangt – vor allem sind die Eltern gefordert", heißt es im Begleittext der ARD, die den Film heute Abend um 23 Uhr ausstrahlt. Der Dokumentarfilm ist dieses Jahr für den Deutschen Filmpreis nominiert.
Die vielen weinenden Kindergesichter und die gezeigten Methoden haben schon nach dem Kinostart im November viel Widerspruch hergerufen. Unser Autor Matthias Finger hält den Film aber dennoch für sehenswert - aus fünf Gründen:
Dieser Film rüttelt zu allererst an einem Tabu. Ja, Kinder können nerven, auch die eigenen. Zugeben will das normalerweise keiner: Hut ab vor der Ehrlichkeit der überforderten Eltern im Film. Insgeheim freut man sich: Die eigene Brut ist nicht ganz so schlimm.

Kindern Grenzen setzen

Zweitens stärkt dieser Film die Autorität der Eltern. Endlich mal. Denn Mama und Papa sind zurzeit vor allem eins: verunsichert. Keiner will irgendwas falsch machen, also sagt keiner "Nein". Dabei würde das guttun – vor allem den durchgeknallten kleinen Heulsusen im Film, die ihre Eltern mit dicken Kullertränen erpressen. Nein, Eltern sollen keine besten Freunde sein und nicht bei jeder Erziehungsmaßnahme freudige Luftsprünge ihres Nachwuchses erwarten. Grenzen zu setzen, ist nicht leicht. Im Film machen Pfleger und Ärzte das – für lasche Eltern.
Diesen Film sollten wir drittens sehen, weil er eine richtig guten Spannungsbogen hat: Für echte Probleme wird nach Lösungen gesucht. Es gibt keinen Sprecher, wir hören nur, was die Protagonisten wirklich sagen.

Die Empörungsspirale

Trotzdem können wir – viertens – an der "Elternschule" exemplarisch das Phänomen Shitstorm studieren. Statt den Film als Diskussionsgrundlage zu nehmen, wird fleißig an der Empörungsspirale gedreht. Weil der Dokumentarfilm "pädagogische Nazimethoden" zeige, fordern 22.000 Unterschriften ein Verbreitungsverbot. Was ja auch schon wieder was nazihaftes hat.
Und, Entschuldigung, die Nahaufnahmen der wutverzerrten Kindergesichter in Zeitlupe sind Hingucker. Fünftens. Wie überhaupt die Ästhetik des ganzen Filmes. Einziger Wermutstropfen ist die fehlende Diskussionsrunde, in die der Film eingebettet sein könnte. Zu allen Themen gibt es ermüdende Talkshows. Und gerade bei so einem umstrittenen Werk wird diese Möglichkeit verschenkt? Schade.

Die Dokumentation "Elternschule" läuft heute um 23 Uhr in der ARD und in der Mediathek.

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