Digitalstrategie der Ampel

„Da ist nachgearbeitet worden“

08:49 Minuten
Unterschiedliche farbige Glasfaserkabel
In drei Jahren soll die Hälfte der deutschen Haushalte und Unternehmen einen Glasfaserkabel-Anschluss haben. Das hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt. © picture alliance / Zoonar / Alfred Hofer
Stefan Heumann im Gespräch mit Jenny Genzmer und Tim Wiese · 03.09.2022
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Lange hat es gedauert. Nun hat die Regierung ihre Digitalstrategie vorgelegt. Richtig begeistern kann das Papier kaum jemanden. Immerhin: Es würden mehr Details geliefert und konkrete Ziele genannt, sagt der Politikwissenschaftler Stefan Heumann.
Mehrfach wurde sie angekündigt – und mehrfach verschoben: Es hat lange gedauert, doch nun liegt die Digitalstrategie der Bundesregierung vor.
Die Reaktionen auf das von Digitalminister Volker Wissing (FDP) vorgestellte Papier fallen allerdings sehr verhalten aus. Die Wirtschaft fürchtet eine Überregulierung, Open-Data-Expert*innen sind enttäuscht, weil das Thema nicht ausreichend durchdacht sei. Auch Netzpolitik.org sieht nicht mehr als einen “zaghaften Aufbruch”.
Immerhin, die Digitalstrategie sei weniger schwammig, als vorangegangene Entwürfe vermuten ließen, meint der Politikwissenschaftler Stefan Heumann, der unter anderem im Vorstand der Stiftung Neue Verantwortung (SNV) und Open Knowledge Foundation Deutschland e.V. sitzt. „Ich würde sagen, die neue Ausgabe ist besser. Die Ziele sind klarer definiert worden, die sind auch messbar.“
Eines der Beispiele – die elektronische Patientenakte: „Wenn man sagt, man will, dass die elektronische Patientenakte von 80 Prozent der gesetzlich versicherten Patienten genutzt wird, dann ist das ein konkretes Ziel, an dem sich die Regierung auch messen lassen muss“, so Heumann.

18 Projekte mit Hebelwirkung

Das Papier definiert insgesamt 18 sogenannte Projekte mit Hebelwirkung, also „Projekte, die eine ganz große Ausstrahlungskraft haben für die Digitalpolitik insgesamt“, so Heumann – und die mit Priorität vorangetrieben werden sollen.
Beispielsweise der Breitbandausbau: „Das ist ganz klar, dass das ein Hebelprojekt ist.“ Denn die schönsten digitalen Angebote nützen nichts, wenn man nicht mit dem Internet verbunden ist. Hier verspricht die Regierung, dass die Hälfte der Haushalte bis 2025 einen Glasfaseranschluss bekommen sollen. Mobilfunk soll es bis 2026 flächendeckend geben.

Digitale Identität und Open Data

Auch viele Behördengänge sollen in Zukunft am Computer zu erledigen sein. Dafür sollen die Bürgerinnen und Bürger eine sichere digitale Identität bekommen. „Das ist gut, das so prominent zu machen“, meint Heumann. „Denn, wenn Sie nicht die Möglichkeit haben, sich gegenüber dem Staat digital zu identifizieren, dann können Sie eigentlich keine staatlichen Leistungen nutzen, und das ist ja oft der Frust der Bürgerinnen und Bürger, wenn sie mit dem Amt zu tun haben: Dass es immer noch ganz unterschiedliche Wege gibt, wie man belegen muss, dass man die Person ist, die den Antrag stellt. Das ist immer noch aufwendig und mühsam. Das ist ein echter Game-Changer.“
Auch Daten aus Forschung und Verwaltung sollen öffentlich leichter zugänglich werden. Zwar könnte zum dem Thema Open Data „sicherlich wieder ein bisschen mehr“ im Papier der Bundesregierung stehen, meint Heumann. Die dort skizzierte Idee, Datenräume zu schaffen und unterschiedliche Sektoren miteinander zu vernetzten, finde er aber richtig. „Die elektronische Patientenakte bietet ja auch die Möglichkeit, Daten zu teilen zwischen Patienten und behandelnden Ärzten oder sie auch der Forschung zur Verfügung zu stellen.“

Keine Fehleranalyse

Doch die schönsten Ziele nützen nichts, wenn sie nicht erreicht werden. „Was mir nach wie vor fehlt, ist eine Auseinandersetzung damit, warum es in der Vergangenheit nicht geklappt hat mit der Digitalpolitik, was die strukturellen Probleme in Regierung und Verwaltung sind, die uns so langsam machen“, sagt Heumann. „Dazu findet man in dem Dokument leider nichts, und das finde ich das größte Versäumnis.“
Dass Deutschland in Sachen Digitalisierung bisher nicht gerade schnell vorankommt, hat aus Sicht Heumanns vor allem „mit den Arbeitsweisen in den Ministerien zu tun und mit den langsamen Prozessen, mit den komplizierten und hierarchischen Entscheidungswegen, und darüber wird eben nichts gesagt.“

Mehr Details, mehr Klarstellungen

Als im Juni diesen Jahres ein erstes Papier zur Digitalstrategie veröffentlicht wurde, übte Heumann bei uns auf Deutschlandfunk Kultur noch massiv Kritik . Nun räumt er ein: „Man sieht schon, dass da über den Sommer nochmal viel gearbeitet worden ist an dem Papier. Ich glaube, das ist auch auf den erstens öffentlichen Druck zurückzuführen.“
Die Digitalstrategie enthalte mehr Details, mehr Klarstellungen und neue Themen – wie die Zivilgesellschaft zu stärken und auch einzubinden in Prozesse. „Ein Thema, das ich persönlich sehr wichtig finde.“
Zudem stehe „auch mehr drin zur Bedeutung der Wirkungsmessung der Maßnahmen“. Es sollen unabhängige wissenschaftliche Evaluierung stattfinden. Diese könnten dann zeigen, ob die Bundesregierung ihre Ziele wirklich erreicht habe – „und, wenn nicht, auch aufzeigen, woran es gelegen hat“.
(lkn)

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