„Die drei Pintos“ nach Carl Maria von Weber

Gustav Mahler, ein Opernkomponist?

Das Deckblatt einer Partitur, in aufwändig gestalteten schwarzen Buchstaben steht dort: Die drei Pintos von Carl Maria von Weber., 1888. Copyright:xxFinexArtxImages/HeritagexImagesx / IMAGO ,2671605  ACHTUNG: AUFNAHMEDATUM GESCHÄTZT PUBLICATIONxNOTxINxUK Copyright:xFinexArtxImages/HeritagexImagesx / IMAGO
Das Deckblatt zur Partitur der Oper "Die drei Pintos", basierend auf Fragmenten von Carl Maria von Weber, vervollständigt von Gustav Mahler, 1888. © imago / Heritage Images
Moderation: Olaf Wilhelmer · 03.06.2023
Heute wird er als Komponist verehrt, zu Lebzeiten galt er vor allem als bedeutender Operndirigent. Eine eigene Oper hat Gustav Mahler nie komponiert – bis auf die Bearbeitung eines Fragmentes von Carl Maria von Weber.
Ein rauschender Erfolg, Zuspruch von allen Seiten, das Werk wird an vielen Orten nachgespielt: Mehr kann sich ein junger Komponist für seine erste Oper nicht wünschen als das, was Gustav Mahler 1888 als Kapellmeister des Leipziger Stadttheaters erlebte. „Die drei Pintos“ waren seine Visitenkarte als Komponist, bald sollte die 1. Sinfonie folgen.
Spärliche Skizzen Carl Maria von Webers zu einer komischen Oper, einem in Spanien angesiedelten Studentenschwank, entstanden in den frühen 1820er Jahren parallel zum „Freischütz“. Dann zog Weber andere Stoffe vor, und nach seinem frühen Tod lehnten es Komponisten von Meyerbeer bis Brahms ab, das Werk in Webers Sinn zu vollenden. Nicht so Mahler, der das Material über Webers Enkel Carl erhielt – und der sich nicht nur dafür, sondern auch für Carl von Webers Frau Marion interessierte, die eine der wichtigsten Musen seiner frühen Jahre wurde.

Wo hört Weber auf und fängt Mahler an?

In Windeseile arbeitete Mahler die Skizzen aus, ergänzte rund zwei Drittel der Musik und fügte einige Nummern in freier Fortspinnung Weberscher Ideen hinzu. Trotz der zeitlichen Distanz von mehr als einem halben Jahrhundert gelang Mahler ein so geschlossenes Werk, dass selbst Fachleute nach dem Studium der Quellen einräumen mussten, nicht genau erkannt zu haben, wo „Weber aufhört“ und „Mahler anfängt“.
Zu ihnen gehört Dmitri Jurowski, jüngster Spross einer Dirigentendynastie, der die Partitur der „Drei Pintos“ vor zwanzig Jahren einmal durchsah und danach ins Regal stellte, um sie nun in einer dramatischen Aktion wieder hervorzuholen: Das Gewandhausorchester wollte mit einer konzertanten Aufführung dieser Rarität sein Mahler-Festival Leipzig eröffnen, doch der ursprünglich engagierte Dirigent Petr Popelka und zwei Sänger erkrankten, und die Produktion musste zwei Tage vor Probenbeginn neu disponiert werden – Jurowski führte das Projekt in kürzester Zeit zum Erfolg.

Eine etwas aus der Zeit gefallene Geschichte

Die Mühe hat sich gelohnt, denn das Werk enthält zahlreiche musikalische Geistesblitze, die sowohl als Nachhall von Webers Opern als auch als Vorschein von Mahlers liedhafter Sinfonik verstanden werden können. Die turbulente Verwechslungskomödie um ein ungewolltes Eheversprechen, das listenreich ausgehebelt wird, mag aus der Zeit gefallen sein – die Musik hat dem Mahler-Festival Leipzig einen ersten Höhepunkt beschert.

Carl Maria von Weber
„Die drei Pintos“, Komische Oper in drei Akten
Aufführungsfassung des Fragments durch Gustav Mahler
Libretto: Theodor Hell mit Revisionen von Carl von Weber und Gustav Mahler

Don Pantaleone de Pacheco – Wilhelm Schwinghammer, Bass
Clarissa – Viktorija Kaminskaite, Sopran
Don Gomez de Freiros – Matthew Swensen, Tenor
Laura – Annelie Sophie Müller, Mezzosopran
Don Gaston Viratos – Benjamin Bruns, Tenor
Don Pinto de Fonseca – Franz Hawlata, Bass
Ambrosio – Krešimir Stražanac, Bariton
Inez – Katja Stuber, Sopran
GewandhausChor
Gewandhausorchester
Leitung: Dmitri Jurowski

Aufzeichnungen vom 11. und 12.05.2023, aus dem Gewandhaus Leipzig
Mehr zum Thema