Deutsches Historisches Museum

Viel Versöhnung

Sudetendeutsche verlassen im Juli 1946 ein Lager in Liberec (Reichenberg) in Nordböhmen in Richtung Deutschland.
Sudetendeutsche verlassen im Juli 1946 ein Lager in Liberec (Reichenberg) in Nordböhmen in Richtung Deutschland. © picture alliance / dpa / CTK_Photo
Von Thomas Fitzel |
Über ein Zentrum gegen Vertreibungen wurde in Deutschland lange und heftig diskutiert. Seit dem Jahr 2000 gibt es die Stiftung Flucht, Vertreibung und Versöhnung. Eine Ausstellung im Deutschen Historischen Museum in Berlin zeigt, wie die künftige Arbeit der Stiftung aussehen wird.
Geplant war die Eröffnung ursprünglich für das nächste Jahr, aber nun spricht man eher von Jahren, also vielleicht um 2017. Michael Dorrmann, der Ausstellungs- und Sammlungsleiter skizzierte zumindest die künftige Ausstellung:

"In der Dauerausstellung der Stiftung wird es sicher auch Zeitzeugenberichte geben. Es gibt auch ein Zeitzeugenprojekt, was an der Stiftung läuft, und natürlich werden diese Zeitzeugenberichte wissenschaftlich bearbeitet und eingeordnet und unsere Ausstellung versucht aber eigentlich alle Medien, die eine Ausstellung bieten kann, auch anzubieten."
Ausstellung ist ein Provisorium
Genau dies vermisst man aber, dass exemplarisch an einem einzigen Kapitel demonstriert wird, wie vielfältig man heutzutage ein Thema medial präsentieren kann. Stattdessen blättert man nur eine Art Inhaltsverzeichnis auf, ausgebreitet über 22 Tische. Die Holzplatten auf einfachen Böcken sollen den provisorischen Aspekt betonen.
"Wir haben mit dem Gestaltungsbüro 'Gewerkdesign' bewusst eine nüchterne Ausstellungssprache gewählt, die eigentlich den Begriff Werkstattausstellung tatsächlich beim Wort nimmt und in ein Bild umsetzt. Also man ist an diesen Arbeitstischen und beschäftigt sich mit den Objekten."
Zum Beispiel mit einer Tafel aus einem westdeutschen Wirtshaus aus der unmittelbaren Nachkriegszeit.
"Hinten drauf ist noch die Preisauszeichnung für die einzelnen Getränke und es hing wohl über so eine Art Stammtischsituation und es steht drauf: Jeden Sonntag Flüchtlingstreffen ab 14 Uhr und verdeutlicht, mit welcher Normalität und wie selbstverständlich damals die Anwesenheit von Flüchtlingen in Westdeutschland war."
Schlichtes Nebeneinander von Objekt, Fotografie und Text
Kann man dies wirklich davon ablesen? War nicht in Wirklichkeit der Begriff Flüchtling für viele damals ein Schimpfwort? Objekte sprechen eben nur selten für sich allein. Der ostpreußische Felltornister könnte ebenso auch schon von einem Soldaten in den Napoleonischen Kriegen getragen worden sein und das aus Konservendosen gefertigte Notgeschirr erzählt auch nur von Armut, aber nicht von der Gründen dafür. Die Ausstellung begegnet diesem Manko mit der einfachen Trias: Objekt, Fotografie, Text und wiederholt dies monoton in allen Kapiteln angefangen beim Genozid an den Armeniern, über die Verfolgung und Emigration der deutschen Juden, die Umsiedlung der Volksdeutschen durch die Nazis selbst, die Vertreibung der polnischen Bevölkerung und und und.
Es endet mit dem Bürgerkrieg in Jugoslawien und bis die Ausstellung fertig sein wird, können dann auch noch die Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak musealisiert werden. Denn all dies gehört zum Aufgabenbereich der Stiftung. Damit ist sie aber hoffnungslos überfrachtet. Und dies zeigt sich an diesen 22 Tischen ganz deutlich. Je mehr man das Thema Vertreibung auffächert, desto unschärfer wird es.
Zweite Ausstellung mit emotionalem Zugang
Einen anderen Weg gehen die griechischen Ausstellungspartner, denn es handelt sich um eine Doppelausstellung und so hat man die Chance, zwei im Ansatz grundverschiedene Konzepte zu betrachten. Die privat produzierte Wanderausstellung "Twice a stranger– Zweifach Fremder", behandelt den Bevölkerungsaustausch zwischen der Türkei und Griechenland nach dem Ersten Weltkrieg, zwischen Pakistan und Indien nach der Unabhängigkeit, sowie auf Zypern zwischen 1963 und 1974.
Ursprünglich war "Twice a stranger" lediglich als Dokumentarfilm konzipiert. So sind deshalb ausschließlich Filme zu sehen, darunter bewegende Interviews mit Zeitzeugen. Diese Ausstellung soll emotional berühren, mehr aber auch nicht. Einen methodischen Zugang zu den Aussagen ihrer Zeitzeugen besitzen sie gar nicht. Andreas Apostolidis von der Produktionsfirma Anemon:
"Because even if you handle a problem that had been created before 60, 70 years, the reaction remain the same."
Erinnerungen, Gefühle würden auch nach 60, 70 Jahren unverändert abrufbar bleiben, nein dem muss man doch energisch widersprechen: Sie verändern sich vielmehr ständig, werden überformt und in neue Zusammenhänge gestellt. Dieser Schwierigkeit muss sich auch Michael Dorrmann stellen.
"Das ist eine schwierige Frage natürlich. Wir versuchen sie, dadurch zu lösen, dass wir zum einen alle Themen multiperspektivisch darstellen zu versuchen. Also was wir schon machen müssen, dass wir in der Dauerausstellung auch die Sachverhalte, soweit sie in der historischen Forschung akzeptiert sind, als solche klar darstellen und nicht hinter jedem Sachverhalt ein Fragezeichen machen."
Ausstellung der Stiftung Vertreibung geht jeder Kontroverse aus dem Weg
Viele der dargestellten Vertreibungskonflikte sind auch heute noch virulent, daher auch nach wie vor Teil von gegenwärtiger Politik. Musealisierung bedeutet aber, ein Thema zu beruhigen, eben einen Punkt zu setzen. Dabei könnte man allein über den Ausstellungstitel ausgiebig streiten. Über zwei Zeilen verteilt, lässt sich "Gewalt-Migration" einmal als Gewalt und Migration lesen oder als neu geschaffener Begriff, als Gewaltmigration.
Diese Ausstellung will aber genau das Gegenteil, sie geht jeglicher Kontroverse aus dem Weg. Sie stellt nur nebeneinander. Und ihrem Stiftungsauftrag gemäß betont sie zuletzt die Versöhnung. Wer will aber dann noch jemals verstehen, warum es allein über dieses Vorhaben so heftige Kontroversen gab? Die Stiftung ist ein Kind der großen Koalition und in der Besetzung des Stiftungsrates wurde diese zudem verewigt. Daher muss die Stiftung es allen recht machen und dies dient am Ende doch keinem.
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