Der verschwiegene Erzähler

Von Marion Kolbach · 15.05.2007
Der Erzähler erledigt für seine Freundin Marie etwas Geschäftliches in China. Als er im Nachtzug nach Peking eine schöne Chinesin namens Li Qi umarmt, klingelt sein Handy: Maries Vater ist gestorben. Eine grandiose Überblendung folgt, in der Lieben, Zufälle, Geheimnisse und Orte, das prächtige alte Europa und das sich undurchsichtig im Aufbruch befindende China Schwindel erregend einander berühren.
"Fliehen" heißt der neue, mit dem Prix Médicis ausgezeichnete Roman von Jean-Philippe Toussaint. Der große belgische Schriftsteller, ein hoch gelobter Autor der lakonischen, kargen Prosa, löste mit seinem Debüt "Das Badezimmer" vor zwanzig Jahren in Frankreich und Japan unter den Kritikern eine wahre Begeisterung aus. Inzwischen ist sein Ton sinnlicher, fast barock. In seinem asiatischen Diptychon fallen die Grenzen erstaunlich spielerisch, der "globale Erzähler" schafft einen intimen, wilden, alltäglichen Kosmos von Liebe und Abenteuer in der sich enger zusammenschließenden Welt.

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