"Der Meisterfälscher"

"Ich kann jeden malen!"

Der Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi diskutiert am 21.05.2014 in Köln (Nordrhein-Westfalen) auf der Phil.Cologne mit dem Philosophie-Professor Christoph Menke.
Der Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi © picture alliance / dpa / Oliver Berg
Von Tobias Wenzel · 05.12.2014
Er gilt als der beste Fälscher des 20. und 21. Jahrhunderts: Wolfgang Beltracchi. Zwar verbüßt er noch immer den Rest seiner Haftstrafe. Aber am Tag hat er Freigang. Den hat er nun genutzt, um zu einer 3sat-Dokumentation beizutragen.
Wolfgang Beltracchi: "So, jetzt übernehme ich den dunklen Ton noch mal für den Mund. He, he, der ist gut so! So lassen den Mund!"
Schmidt: "Hmmm."
Es ist bezeichnend für die erste Folge der 3sat-Reihe "Der Meisterfälscher": Harald Schmidt hält den Mund. Nicht nur, weil Wolfgang Beltracchi ihn vor laufender Kamera porträtiert. Auch wenn Schmidt reden darf, wirkt er geradezu stumm im Vergleich zum dreisten Kunstfälscher. Der malt den Entertainer im Stile von Otto Dix.
Schmidt: "Liegt Ihnen Dix?
Beltracchi: "Ich kann jeden malen!"
Schmidt: "Toll."
Beltracchi: "Der muss mir nicht liegen."
Noch rund 200 gefälschte Bilder in Umlauf
Wolfgang Beltracchi, von dem nach eigenen Angaben noch rund 200 gefälschte Bilder unerkannt in Umlauf sind, hält einige seiner Fälschungen für besser als die Originale. Angeblich wusste Wolfgang Beltracchi vor dem Treffen gar nicht, wer Harald Schmidt ist. Das lässt der Fälscher den Entertainer genüsslich spüren, während er ihn im Fernsehstudio Schmidts und bei selbst sich im Atelier porträtiert.
Beltracchi: "Wenn Sie sich mal überlegen: In 100 Jahren, wahrscheinlich weiß da keiner mehr, wer Harald Schmidt ist."
Schmidt: "Vermutlich."
Beltracchi: "Aber so ein Bild von Beltracchi ..."
Schmidt: "... das bleibt?"
Beltracchi: "... das bleibt."
Schmidt: "... das bleibt."
Harald Schmidt ist überfordert mit dieser Überheblichkeit. Auch einige Versuche, Gemeinsamkeiten der beiden aufzuzeigen, gehen nach hinten los:
Schmidt (lachend): "Ab dem Zeitpunkt, wo Sie dann im Gefängnis waren, ging's bei mir auch bergab. Insofern ist es eigentlich eine perfekte Konstellation."
Beltracchi: "Ich fühle mich jetzt gar nicht so, dass es mit mir bergab geht."
Schmidt: "Nee, nee, das unterscheidet uns, ja."
Sechs Jahren Haft
Wolfgang Beltracchi wurde 2011 zu sechs Jahren Haft verurteilt. Noch immer muss er nachts im Gefängnis bleiben. Tagsüber darf er bei Helene Beltracchi sein, seiner Ehefrau und Komplizin. Auch sie hat sich den Fragen von Pino Aschwanden gestellt, dem Autor der Dokumentationsreihe:
Aschwanden: "Frau Beltracchi, wie wurden Sie Mitglied der Beltracchi-Bande?"
Wolfgang Beltracchi: "Nee, so 'ne Frage beantworten wir nicht."
Helene Beltracchi: "Doch, natürlich!"
Wolfgang Beltracchi: "Nein."
Helene Beltracchi: "Ist doch witzig."
Wolfgang Beltracchi: "Nein, ist doch scheiße: 'Beltracchi-Bande'! Wenn ich das schon höre!"
Helene Beltracchi: "Ist doch witzig. Also, ich muss immer, wenn ich das Wort 'Beltracchi-Bande' höre ... Kennen Sie die Panzerknacker-Bande? Das sind drei Figuren, mit der schwarzen Maske ..."
Wolfgang Beltracchi: "Wir sind eine Familienbande. Wenn überhaupt."
Helene Beltracchi: "Genau."
Pino Aschwanden hat es nicht leicht: Er muss die Position des Moralisten einnehmen, wird aber geradezu weggelacht vom Ehepaar Beltracchi. Aschwanden bezeichnet den Fälscher, der sich selbst nur Maler oder Künstler nennt, als Verbrecher. Er, ein Verbrecher? Wolfgang Beltracchi lehnt diesen Begriff natürlich ab. Und wie ist es mit dem Begriff "schlechtes Gewissen"?
Wolfgang Beltracchi: "Ein schlechtes Gewissen hatte ich nicht, natürlich nicht. Ich meine, es gab ja keine Opfer, in dem Sinne. Ich habe keiner armen, alten Dame ein Bild verkauft, so etwas gab's nicht."
Es sei ja nicht schlimm, wenn man die Reichen um Millionen betrüge. Im Laufe der Dokumentation ist man schnell angewidert von der Selbstgerechtigkeit, Eitelkeit und Hybris des Fälschers Wolfgang Beltracchi.
Offensichtlich hat er die Tatsache zu kompensieren, dass er mit seiner eigenen, ohne große Vorbilder auskommenden Kunst gescheitert ist. Kurioserweise wird einem Wolfgang Beltracchi aber zugleich sympathisch. Wenn er beispielsweise, animiert von Harald Schmidt, über seine Frau spricht, mit der er bis zu seiner Verhaftung zwanzig Jahre lang nahezu 24 Stunden täglich zusammengelebt hat:
Beltracchi: "Wenn ich abends in das Gefängnis fahre, ist das für mich ein körperlicher Entzug. Dieses Entfernen, Sich-Entfernen, da werde ich jedes Mal ganz traurig. Und wenn meine Frau zum Aldi fährt - das sind 500 Meter -, dann werde ich nervös, fühle ich mich nicht wohl. Ne, Mäuschen?"
Eine Woche Arbeit
Der größte Genuss aber ist es, Wolfgang Beltracchi beim Arbeiten zuzusehen. Mit welcher Akribie er das Porträt Schmidts im Stile von Otto Dix malt. Wie viel er weiß über dessen Technik. Wie genau er Harald Schmidt und dessen Gesten beobachtet. Nach einer Woche Arbeit übergibt Beltracchi das fertige Bild dem Porträtierten in dessen Büro in Köln.
Schmidt: "Mir gefällt es ausgesprochen gut."
Beltracchi: "Ja, ich hätte es natürlich auch viel besser malen können. Aber dann wäre es weniger Dix gewesen."
Schmidt: "Ja, ja, ja, ja, ja."
Beltracchi: "Juut. Dann freue ich mich, dass es Ihnen gefällt."
Schmidt: "Wirklich wahr! Was machen Sie heute noch?"
Beltracchi: "Ähh, ich male 'nen Botticelli noch heute Nachmittag."
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