Aus den Feuilletons

Der entzauberte Woody Allen

Regissseur Woody Allen bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes im Jahr 2011.
Regisseur Woody Allen: Die Kritiken für seinen neuen Film sind ungewohnt schlecht. © picture alliance / dpa / Frédéric DUGIT
Von Tobias Wenzel · 02.12.2014
Begeisterung klingt anders: Woody Allens neuer Film "Magic in the Moonlight" kann die Feuilletons nicht überzeugen. Auch eine TV-Reihe mit dem Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi kommt in der "FAZ" schlecht weg.
"Wir haben 300 Jahre in einem Kloster verbracht, 50 Jahre in Hollywood und drei im Konzentrationslager", sagt der philippinische Schriftsteller Francisco Sionil José im Gespräch mit der TAZ. "Jetzt sind wir eine Kolonie unserer eigenen reichen Elite."
Der Autor, der nun seinen 90. Geburtstag begeht, blickt zurück auf die japanische Okkupation seines Landes im Zweiten Weltkrieg und spricht über aktuelle territoriale Streitigkeiten mit Malaysia. "In Europa haben wir das Problem dadurch gelöst, dass es keine Grenzen mehr gibt. Gebietsansprüche spielen kaum mehr eine Rolle", wirft Ralf Leonhard, der TAZ-Interviewer, etwas naiv ein.
"Meinen Glückwunsch. Ich hoffe, dass das dauerhaft ist", antwortet der philippinische Autor. "Aber Ethnizität und Nationalismus sterben nicht so leicht aus. Man muss ja nur auf Jugoslawien und heute die Ukraine schauen."
"Das unerheblichste Produkt"
"Alle reden vom Kalten Krieg. Aber was war das überhaupt?", heißt es im Feuilleton der WELT. Matthias Heine hilft (auch dem Kollegen Leonhard von der TAZ) mit seinem "Abc des Kalten Krieges", einem Miniaturlexikon mit Einträgen von "Abschreckung" bis "Zone". Zum Beispiel "Overkill": "Das seit 1946 im Englischen belegte Wort bezeichnete die Fähigkeit, Bevölkerung und Infrastruktur des Gegners mit Atomwaffen mehrfach zu vernichten." Oder der Eintrag "Bikini": "Wenn ein Franzose ein von ihm erfundenes Kleidungsstück nach amerikanischen Atomversuchen benannte - dann war das Kalter Krieg."
Von Kernwaffen zur Magie fällt die Überleitung dann doch etwas schwer: "'Magic in the Moonlight' ist nun vielleicht das menschenfreundlichste - manche sagen: unerheblichste - Produkt von Allens Liebe zum Imaginären", schreibt Anke Westphal in der BERLINER ZEITUNG über Woody Allens neuen Kinofilm. Begeistert klingt anders.
Die Geschichte spielt Ende der 20er-Jahre des letzten Jahrhunderts. Ein englischer Zauberer, gespielt von Colin Firth, wird an die Côte d'Azur gerufen, um den vermeintlichen Schwindel einer amerikanischen Frau (Emma Stone) aufzudecken, die spiritistische Sitzungen abhält. Der Zauberer, der an Magie glaubt, kommt dieser Frau nicht auf die Schliche.
Ist Woody Allen also ein guter Film gelungen? "Seine Meisterstücke lebten von der Nichtauflösung der ewigen Allen-Dialektik, ob man sich für dieses kurze, triste Menschenleben in eine zauberhafte Illusion flüchten sollte oder ob doch irgendwie alles wurscht ist", schreibt David Steinitz in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. "Diesmal, auf den Spuren echter Zauberei, hat er die Frage leider eindeutig beantwortet."
Die Debatten über den Tod Gottes im Stile Nietzsches und über "die Notwendigkeit von Illusionen" habe Woody Allen "leider etwas versatzstückartig in seine romantische Ausstattungskinokomödie" eingebaut, kritisiert Tim Caspar Boehme in der TAZ. Ansonsten stimme auf den ersten Blick fast alles in diesem Film. Allerdings erscheine er am Ende als "fauler Zauber".
"Für manchen ist das eine Kunst"
Ein fauler Zauberer hat nun eine fünfteilige Reihe bei 3sat bekommen: der Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi. Von diesem Samstag an können Zuschauer verfolgen, wie er, der tagsüber das Gefängnis verlassen darf, Prominente, darunter Harald Schmidt und Daniel Kehlmann, im Stile großer Künstler porträtiert. Kehlmann zum Beispiel à la Giorgio de Chirico.
Hubert Spiegel macht sich über den Maler Beltracchi und den Porträtierten Kehlmann in der FAZ lustig. Spiegel nennt die beiden nur "Maler" und "Schriftsteller". Das findet er wohl originell. "Er ist jung, gebildet, talentiert, fleißig, erfolgreich. Er hätte so gern etwas Halbseidenes", heißt es über Kehlmann.
Und über Beltracchi: "Er ist berühmt und wird dafür gepriesen, dass er keinen eigenen Stil hat, aber viele Stile so gut kopieren kann, dass sogar Kenner darauf hereinfallen. Für manchen ist das eine Kunst. Zu schade, dass sich der Begriff halbseiden nicht steigern lässt. Aber der Maler arbeitet daran."
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