Aus den Feuilletons

Streit um einen Kunstfälscher auf Promo-Tour

Von Burkhard Müller-Ullrich · 02.02.2014
Die Kulturpresseschau befasst sich unter anderem mit dem verurteilten Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi, der auf Promo-Tour geht, dem Ende einer Zeitungsära in Spanien und den Finanzen des Wiener Burgtheaters.
Der zu sechs Jahren Freiheitsentzug verurteilte Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi hatte letzten Freitag mal wieder Ausgang. Da er im offenen Vollzug untergebracht ist, kommt das sowieso nicht selten vor. Und so reiste er nach Bremen, um in der Talkshow 3nach9 aufzutreten und sein neues Buch zu promoten, was der Feuilletonchef der WELT, Cornelius Tittel, ziemlich ärgerlich findet.
"Dass Betracchi mit beachtlicher krimineller Energie Karrieren und Biografien zerstört, daß er Millionenschäden nicht nur für Sammler, sondern auch für vom Steuerzahler finanzierte deutsche Museen verursacht hat", schreibt Tittel, "das schien in der Talkrunde niemanden zu stören. Im Gegenteil – Beltracchi wurde empfangen wie ein Held. Als er gleich zu Beginn erklärte, ja durchaus keine armen Leute geschädigt zu haben, feixte die Talkrunde bereits mit dem Studiopublikum um die Wette."
Die WELT hat auch nicht wie die vom 3nach9-Moderator Giovanni di Lorenzo geleitete ZEIT mit Beltracchis Verlag Rowohlt gedealt, um als erste Zeitung dessen Buch vorstellen zu dürfen, und zwar "mit einem vierseitigen Feuilleton-Aufmacher, dem längsten, an den man sich überhaupt erinnern kann", wie Tittel sich empört. Und weiter: "Nun weiß man nicht, was ärgerlicher ist: daß ein 'wirklicher Künstler' froh sein kann, in der ZEIT auch nur eine Seite zu bekommen. Oder der Zynismus, mit dem man gemeinsam mit einem verurteilten Betrüger über dessen Opfer lacht."
In sein ursprüngliches Metier zurückgekehrt
Hierzu paßt vielleicht eine Kurzmeldung aus dem Kulturteil des SPIEGEL, derzufolge Robert Driessen in sein ursprüngliches Metier zurückgekehrt ist. Driessen hatte mehr als 1000 Giacometti-Skulpturen gefälscht und hat sich, da in Europa ein Haftbefehl gegen ihn vorliegt, nach Thailand abgesetzt, wo er ein Restaurant betreibt. Da er aber wieder großen Spaß an der Arbeit habe, wie der SPIEGEL mitteilt, fertige er auch wieder Bronzeskulpturen, "die den Werken Giacometti auffallend ähneln". Allerdings signiert er sie nur noch mit eigenem Namen.
Und noch etwas aus dem SPIEGEL unter dem Titel "Kunst und Handwerk". Auch da geht es um viel Geld, aber die Story spielt im Theater, im Wiener Burgtheater nämlich, in dessen Budget ein riesiges Loch klafft. "Die Rede ist mal von 4, mal von 10, mal von 13 Millionen Euro. Wie groß genau das Defizit ist, soll Ende Februar bekanntgegeben werden."
Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann, seit mehr als vier Jahren im Amt, schiebt die Schuld entweder auf seinen Vorgänger oder auf seine Stellvertreterin, die kaufmännische Direktorin Silvia Stantejsky, deren Entlassung er Anfang Januar bekanntgab.
"Vergangene Woche", so Wolfgang Höbel im SPIEGEL, "setzte sich Stantejsky, die gegen ihre Entlassung klagt, in einem Rundfunkinterview zur Wehr: Sie habe alle zuständigen stets über 'sämtliche buchhalterische Entscheidungen informiert'."
In Spanien geht eine Zeitungsära zu Ende
Der SPIEGEL hat aber auch die Meinung des Berliner Opernintendanten und Ex-Salzburg-Chefs Jürgen Flimm eingeholt, und der haut Hartmann, höflich gesprochen, aus der Ferne in die Fresse, indem er sagt: "Ich treffe mich wöchentlich mindestens einmal mit unserem kaufmännischen Geschäftsführer. So macht das jeder verantwortungsbewußte Theaterleiter. Das gehört zum Handwerk eines Intendanten."
In Spanien, das berichtet die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG, geht eine Zeitungsära zu Ende, und diese Ära hat einen Namen: Pedro Ramírez. Der Gründer der Tageszeitung "El Mundo", der zweitgrößten nach "El Pais", und fast ein Vierteljahrhundert lang ihr Chefredakteur, tritt ab, beziehungsweise wird – wie er es ausdrückt – von "den Mächtigen" aus dem Amt gedrängt.
Die Mächtigen sind die italienischen Geldgeber der Verlagsgruppe Rizzoli-Corriere della Sera, und der Grund ist simpel: ein immer größer werdendes Defizit und eine immer geringere Auflage. FAZ-Autor Paul Ingendaay charakterisiert die Zeitung und ihren Chef so: "Ein starkes Enthüllungsblatt auf der einen, eine Kampagnenplattform mit stark verleumderischer Tendenz auf der anderen Seite: Das war und ist 'El Mundo'. Was Pedro J. Ramírez als Chef für einer war, sagen seine Mitarbeiter unverhüllt: leidenschaftlich, ruhelos, unerträglich. Charakterlich eine Zumutung. Aber dann: Das sei eben Zeitung."