Der Kosmos von Francis Bacon

16.08.2011
Der Ire Francis Bacon war ein Künstler, der sagte, man könne nicht über Malerei reden - und es doch immer wieder versuchte. Sein Freund, der Kunsthistoriker Michael Peppiatt, hat in "Gespräche in der Nacht" Unterhaltungen aus 26 Jahren mit ihm aufgezeichnet. Bacon starb 1992 in Madrid.
Francis Bacon war kein einfacher Interviewpartner. "Man kann natürlich unmöglich über diese Dinge sprechen", antwortet er etwa auf Michael Peppiatts Eingangsfrage, wie er mit seinem neuesten Triptychon vorankomme. Doch so sperrig der Gesprächsauftakt ist, so erhellend geht es nur wenige Zeilen später weiter. Wenn Bacon erzählt, dass ein Gedicht Lorcas über den Stierkampf ihn beschäftige. Dass es dabei nicht nur um den Tod gehe, sondern um "den Tod in der Sonne", der "alle möglichen Bilder" in ihm hervorrufe. Nun gelte es, die Wirklichkeit zu treffen, ohne sie in der "Langeweile der Übermittlung" zu verlieren. Urplötzlich ist man mitten in Bacons Denkkosmos, konfrontiert mit dessen elementaren Fragen, Problemen und Herausforderungen.

Das Phänomen ist bekannt. Francis Bacon, der gemeinsam mit seinem Freund, dem kürzlich verstorbenen Lucian Freud, zu den wichtigsten realistischen Malern der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gehörte, meinte, es ergebe keinen Sinn, über Malerei zu sprechen. Und dennoch gibt es wunderbare Interviews mit ihm. Dazu gehören vor allem und in erster Linie die mit dem britischen Kunsthistoriker David Sylvester, Anfang der 80er-Jahre auf Deutsch erschienen. Und eben drei Gespräche aus den Jahren 1963, 1987 und 1989, die der Kunsthistoriker, Baconkenner und -freund Michael Peppiatt geführt hat. Gemeinsam mit zwei Leben und Werk erläuternden Essays liegen sie nun zum ersten Mal in deutscher Übersetzung vor.

Bacon erläutert darin freimütig und präzise, worum es ihm geht in seiner Malerei, wie er arbeitet, welche inneren Eindrücke ihn leiten und wie Planung, Zufall und Intuition zusammenwirken. Er beschreibt, woher er seine Inspiration zieht, "was es knistern lässt in seinem Kopf" und was ihm Künstler wie van Gogh und einzelne Werke etwa Monets und Degas’ bedeuten. Dass Aischylos, Shakespeare, Elliot und Proust ihm wichtig waren, dass er Sprachbilder liebte - etwa eine Beschreibung der Klytämnestra, die wie "eine Henne über ihrem Kummer hockte" -, all das ist nicht nur interessant, sondern eröffnet viele Sichtweisen auf Bacons Werk. Auch wenn der Maler schließlich behauptet, "meine Bilder passieren einfach", bekommt der Leser eine Ahnung davon, womit der Künstler rang, damit genau das geschehen konnte.

Peppiatt, der Bacon 1963 wegen eines Studentenzeitungsinterviews erstmals getroffen hatte und anfangs gemeinsam mit ihm und dessen Entourage durch die Londoner Nachtclubs zog, liefert mit diesen Gesprächen tatsächlich nicht weniger als den ein oder anderen Schlüssel für die Geheimtüren in Bacons Werk. So lässt sich auch verschmerzen, dass seine "Gespräche in der Nacht" mehr die Grundlage für seine luziden Essays liefern - darunter ein eindrückliches Baconporträt -, als dass sie die tatsächlich abgedruckten Interviews meinen. Diese nämlich, tags geführt, machen den kleineren Teil des Buches aus. Und tatsächlich handelt es sich nicht, wie angekündigt, um drei, sondern zwei Gespräche; der erste dieser Texte ist eine Ansammlung von Statements, die Peppiatt nächtens auf den legendären Touren gesammelt hat. Dennoch: eine schöne und lohnenswerte Lektüre - und ein auffallend schön gestaltetes Buch.

Besprochen von Eva Hepper

Michael Peppiatt, Gespräche in der Nacht. Francis Bacon über seine Arbeit
Aus dem Englischen von Kay Heymer
Piet Meyer Verlag, Wien 2011
122 Seiten, 28,40 Euro

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