Goya trifft Bacon

Von Silke Lahmann-Lammert · 16.08.2010
Die Gäste der Hamburger Kunsthalle sollen ihre gewohnten Pfade verlassen. Im Sockelgeschoss des Museums werden darum nun Alte Meister mit zeitgenössischen Künstlern konfrontiert.
Die meisten Besucher kennen die Wege in der Hamburger Kunsthalle: Im Altbau finden sie die Alten Meister, in der Galerie der Gegenwart Arbeiten, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind.

"Es gibt natürlich ein Stammpublikum, das immer zu den Alten Meistern oder ins 19. Jahrhundert geht. Umgekehrt gibt’s natürlich auch ein großes Publikum, das nur zu den Zeitgenossen geht und sagt dann immer wechselseitig: Nee, das interessiert mich nicht oder da find ich keinen Zugang zu."

Wie könnte man die Besucher von ihren gewohnten Pfaden abbringen? fragten sich die Kuratorinnen der Galerie der Gegenwart, Sabrina van der Ley und Petra Roettig. Ihre Antwort ist eine Konfrontation Alter Meister mit Werken zeitgenössischer Künstler im Sockelgeschoss des Museums.

"Das einfach mal selbstverständlich zusammen zu bringen und zu zeigen, dass es unheimlich viele Parallelen gibt. Also bestimmte Thematiken, die tauchen einfach immer wieder auf. Die gab's schon vor 400 Jahren, die gibt’s jetzt immer noch."

Sabrina van der Ley bleibt vor einer Wand mit niederländischen Kircheninterieurs aus dem 17. Jahrhundert stehen. Ein Beispiel für die Virtuosität, mit der die Künstler Licht darstellten, das von außen in einen Innenraum dringt. Daneben hängen Photographien von Axel Hütte. Aufnahmen einer verfallenen italienischen Fabrik. Obwohl die Bilder 300 Jahre später entstanden, ist die Ähnlichkeit mit der holländischen Malerei verblüffend: Die Höhe der Wände, die Sonnenstrahlen, die durch die Fenster fallen, verleihen der Industriehalle eine Aura des Sakralen:

"Das heißt Castelfiorentino. Und der ist eben nicht hingegangen und hat da in der Toskana das bekannte Kastell photographiert, sondern eben diese Razionalismo-Architektur. Und ja, letztlich so nach dem Motto: Die Kathedralen des 20. Jahrhunderts sind die Fabrikhallen."

Sabrina van der Ley hofft, dass die Besucher nicht nur formale Parallelen entdecken, sondern sich auch für die vielen Details begeistern, die vom Leben der Menschen im Zeitalter des Barock erzählen:

"Hier ist eben interessant, dass man merkt, wie alltäglich eben dieser Kirchenraum genutzt wurde. Das, was womöglich von heute gelesen als Sakrileg betrachtet werden würde oder als Blasphemie. Also das war mehr oder minder ein Marktplatz. Es wurde gehandelt. Tiere liefen in der Kirche herum. Es wurde irgendwas gespielt. Also das war ein ganz normaler Ort des öffentlichen Lebens und nicht einfach nur the place of worship, wo man ehrfürchtig hineingeht."

Die neue Hängung bringt Franciso de Goya und Francis Bacon zusammen, Georg Hinz und Gerhard Richter. Nicht immer sind die Bezüge zwischen Alten Meistern und aktueller Kunst so deutlich wie bei dem Romantiker Caspar David Friedrich und dem Land-Art-Künstler Richard Long: Beide thematisieren die Natur als Ort der Stille und Einkehr. Ob augenfällig oder nicht: Die ungewöhnliche Gegenüberstellung bewirkt, dass die Leute stutzen, stehenbleiben, hinschauen.

"Es ist ganz toll, dass man merkt, dass das, was man wollte, also dass die Neugier geweckt wird, dass das tatsächlich funktioniert. Also, es macht den Besuchern einfach Spaß, und das ist schön zu sehen. Andererseits kriegen wir von unseren Besucherumfragen und vom Marketing mit, dass 80 Prozent der Besucher wegen der Ausstellungen kommen. Und nur 20 Prozent die Sammlungen ansehen. Und das wollen wir natürlich aktivieren. Weil, das Museum ist nun mal kein ausschließliches Ausstellungshaus, sondern auch ein Sammlungshaus. Und das ist natürlich auch ein Grund, die Sammlungen aktiv zu halten, attraktiv zu halten."

Deshalb wollen die Kuratorinnen auch in Zukunft die Präsentation immer wieder verändern. Dabei gehe es weniger ums Sparen, betont Sabrina van der Ley, als darum, die Sammlung zu variieren und aufzuwerten. Bekannte Arbeiten sollen ins Depot wandern, um Platz für Schätze zu machen, die bisher nicht gezeigt werden konnten. Ihre Zahl ist in jüngster Zeit noch gestiegen. Ein positiver Effekt der Querelen ums Geld: Um ihre Solidarität zu bekunden, haben viele Sammler dem Museum Schenkungen und Dauerleihgaben anvertraut. Und die soll das Publikum auch zu sehen bekommen, meint Sabrina van der Ley:

"Dadurch, dass das Haus jetzt geschlossen ist, ist wenig Sammlung zu sehen. Und das gefällt uns natürlich nicht. Das wird sich dann erst wieder im nächsten Frühjahr normalisieren, dass wir es dann wirklich hinkriegen, dass so ab April die zwei Etagen Sammlungen wieder dauerhaft zugänglich sein werden. Vorausgesetzt wir kriegen nicht wieder ne Kürzung. Das kann ja durchaus passieren."

Homepage der Hamburger Kunsthalle