Denkmalstreit

Historisierende Kolonnaden statt Einheitsdenkmal

Modellbild des geplanten Freiheits- und Einheitsdenkmals in Berlin
Modell-Bild des geplanten Freiheits- und Einheits-Denkmals in Berlin. © dpa / BBR
Wolfgang Thierse und Johannes Kahrs im Gespräch mit Vladimir Balzer · 28.11.2016
Für den Haushaltsausschuss des Bundestages ist das geplante Einheitsdenkmal mit elf Millionen Euro zu teuer. Für einen historisierenden Kolonnadengang aber sollen jetzt 18 Millionen Euro fließen. Das empört Wolfgang Thierse, Haushälter Johannes Kahrs wiegelt ab.
Der Ort scheint verwunschen: Die Berliner Stadtmitte rund um das Stadtschloss. Jahrelang wütete hier ein Kulturkampf um Erhalt oder Abriss des ostdeutschen Parlaments- und Veranstaltungsgebäudes "Palast der Republik". Dann wurde dieser abgerissen - und das alte Stadtschloss wird dort nun als Berliner Kulturforum nachgebaut.
In unmittelbarer Nachbarschaft sollte eigentlich das lange geplante und dann wieder umgeplante Einheitsdenkmal entstehen. Doch es wurde zu teuer. Das war jedenfalls die Begründung, es nicht zu bauen. Jetzt ist aber für einen historisierenden Bau auf dem für das Denkmal geplanten Areal Geld da. Diese Entscheidung sorgt für neue Debatten.

Keine elf Millionen für das Denkmal ...

Was genau ist passiert? Ursprung des Streits ist ein Beschluss des Haushaltsausschusses des Bundestages vom vergangenen April. Der Bau des Einheitsdenkmals wurde hier wegen drohender Kostensteigerungen gestoppt: Auf elf Millionen Euro waren die neuen Gesamtkosten geschätzt worden, deutlich mehr als ursprünglich vorgesehen.
Vor wenigen Tagen aber nun stellte der Haushaltsausschuss plötzlich 18,5 Millionen Euro für den Wiederaufbau von Kolonnaden am einstigen kaiserlichen Stadtschloss bereit - fast exakt an dem Ort am Spreeufer, der bisher für das Einheitsdenkmal vorgesehen war.

... aber 18 Millionen Euro für die Kolonnaden

Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) sagte dem Deutschlandradio Kultur, dies sei ein "absurder und erschreckender Vorgang". Er spricht von einer "willkürlichen Entscheidung" der Haushälter, denen er zugleich "keine sonderlichen Kenntnisse der Geschichte" vorwirft. Nach den Kolonnaden hätten weder die Berliner noch irgendjemand anders gerufen, sagte Thierse.
In der Ablehnung des Einheitsdenkmals sieht der SPD-Politiker eine "abgrundtiefe Missachtung" der friedlichen Revolution in der DDR. Darüber sei er "empört". Thierse sieht jetzt die Haushälter des Bundestages am Zug: Diese seien nun "begründungspflichtig, nachdem sie ihr Kostenargument selber Lügen gestraft haben".

Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse bezeichnet die Entscheidung der Haushälter als "willkürlich". Audio Player

Wolfgang Thierse bei einer Rede
Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD)© dpa / Andreas Gebert
Der SPD-Haushaltsexperte Johannes Kahrs verwies hingegen darauf, dass schon insgesamt fünf Versuche gescheitert seien, das Einheitsdenkmal zu errichten.
"Da muss es eine breite Bewegung geben, die dafür steht. Und wenn man sich anguckt, dass es in Leipzig drei Mal gescheitert ist und ein zweites Mal jetzt hier in Berlin, dann scheint das, was es als Entwurf gegeben hat, nicht wirklich überzeugt zu haben."
... sagte er dem Deutschlandradio Kultur.
Es sei "ewig lange her", dass sich der Bundestag für den Denkmal-Standort ausgesprochen habe, so Kahrs - und bis auf vereinzelte Stimmen habe es auch keine Proteste gegeben, als sich der Haushaltsausschuss dann für die Kolonnaden entschied.

"Jetzt gilt es nach vorn zu gucken"

Die Kolonnaden können seiner Ansicht nach das Humboldt-Forum architektonisch einbetten. "Jetzt gilt es nach vorn zu gucken", sagte er.

SPD-Haushaltsexperte Johannes Kahrs plädiert für den Wiederaufbau der Kolonnaden.
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Johannes Kahrs, Sprecher des Seeheimer Kreises in der SPD, spricht am 25.09.2013 im Reichstag in Berlin nach einer Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion mit Journalisten.
Johannes Kahrs ist Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD.© dpa / picture alliance / Maurizio Gambarini
Das Einheitsdenkmal war bislang in Form einer beweglichen, leicht gewölbten Schale geplant und sollte auf dem historischen Sockel des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Denkmals neben dem wieder aufgebauten Berliner Schloss errichtet werden. 2007 und 2008 war dies so vom Bundestag beschlossen worden. (ahe/sru)
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