Debatte um das Einheitsdenkmal

Kommt die Wippe zurück auf die Tagesordnung?

Modellbild des geplanten Freiheits- und Einheitsdenkmals in Berlin
Modellbild des geplanten Freiheits- und Einheitsdenkmals in Berlin. Das Projekt ist auf Eis gelegt. © dpa / BBR
Von Christiane Habermalz · 15.06.2016
Vor rund einem Monat legte der Haushaltsausschuss des Bundestags das Einheitsdenkmal in Berlin auf Eis. Der Politiker Wolfgang Thierse (SPD) startet nun gemeinsam mit anderen Mitstreitern eine neue Initiative für die "Einheitswippe". Die Begründung für den Stopp sei nicht stichhaltig.
Wolfgang Thierse ist sauer. Der SPD-Politiker und frühere Bundestagspräsident will das Aus für die sogenannte Einheitswippe in Berlin nicht hinnehmen. Er forderte, dass sich Bundestag und Kulturausschuss noch einmal mit dem Thema befassen müssten – denn schließlich sei es auch das Parlament gewesen, das sich 2007 nach langen Debatten für das Denkmal entschieden habe.
"Wenn ich den Vorgang richtig verfolgt habe, gab es eine Entscheidung des Haushaltsausschusses auf Initiative zweier Abgeordneter, die offensichtlich auf der Basis ihres Geschmacks gemeint haben, man müsse dieses Denkmal beerdigen. Ich finde das ist ein erstaunlicher Vorgang! Zwei Haushälter entscheiden über zwei Entscheidungen des Bundestages."

Vorgeschobene Begründungen?

Die Begründung der Kostenexplosion sei nur vorgeschoben – man habe die Kosten künstlich hochgerechnet, um das Denkmal zu Fall bringen zu können. Thierse startete heute eine neue Initiative für das Denkmal – gemeinsam mit dem früheren Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, dem CDU-Politiker Günter Nooke, und den Architekten Johannes Milla und Sebastian Letz, die den Entwurf vorgelegt hatten.
Bei der Idee, der friedlichen Revolution von 1989 ein Denkmal zu setzen, sei es darum gegangen, deutlich zu machen, dass deutsche Geschichte auch einmal gut ausgehen könne, sagte Thierse – sozusagen ein "Mahnmal unseres historischen Glücks" zu errichten.

"Wenn das scheitert, dann sage ich, die Deutschen sind nicht in der Lage, sich an ein außerordentlich positiven Ereignisses ihrer Geschichte geradezu demonstrativ zu erinnern."
Wolfgang Thierse
Wolfgang Thierse will weiter für das Einheitsdenkmal kämpfen.© Imago/Future Image/Gabsch

Scheitern an einer "Allianz der Kleingeister"

Sollte das Projekt jetzt an ein paar Millionen scheitern, fügte Nooke mit Blick auf andere, viel teurere Berliner Kulturprojekte hinzu, dann scheitere es an einer "unheiligen Allianz von Kleingeistern". Der frühere CDU-Abgeordnete, der auch in der Jury für die Ausschreibung saß, machte sich noch einmal explizit für den Standort vor dem Berliner Schloss und für den Entwurf selber stark.
Die begehbare Schale, die sich nur durch das Zusammenwirken vieler Menschen langsam bewegen lässt, sei ein wunderbares Symbol für die Macht von Bürgerbewegungen und Demokratie.
"Ich verstehe gar nicht, warum die Berliner sich nicht dafür interessieren. Ich sehe es genauso wie Herr Thierse. Das könnte die Spanische Treppe von Berlin werden. Das ist genau der Ort, wo man merkt, dass Demokratie eben nicht wie eine Wippe ist, sondern dass das viel Kraft und Diskussionen und Überzeugungen ... Müssen mal 50 Japaner, die die andere Seite fotografieren wollen, erst mal dazu bringen, dass sie rüberlaufen, damit sich das Ding bewegt. Wenn es errichtet ist, werden alle sagen, dass ist toll."

Der Architekt zeigt sich überrascht

Die Planungen für das Denkmal waren vor einem Monat vom Haushaltsausschuss des Bundestages in nicht-öffentlicher Sitzung auf Eis gelegt worden. Denkmal- und Naturschutzauflagen des Landes Berlin sowie die barrierefreie Umgestaltung hatten den Baubeginn immer wieder verzögert und die Kosten um 50 Prozent in die Höhe getrieben. Die Zahl von 14,5 Millionen Euro, mit der der Haushaltsauschuss seine Entscheidung für das Aus begründet hatte, habe ihn dennoch überrascht, erklärte Architekt Johannes Milla heute.
"Ich denke diese Zahl ist höchst erläuterungsbedürftig und kann man so nicht im Raum stehen lassen. Wir sind bei einer Zahl von elf Millionen Euro, und diese Zahl haben wir mit unserem Bauherren, dem BWR, im Sommer letzten Jahres auch so vereinbart gehabt."
Der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs, einer der beiden gescholtenen Kulturhaushälter, sieht keinen Grund, an der Entscheidung zu zweifeln. Der Beschluss sei im Ausschuss einstimmig gefallen. Und schließlich sei der große Aufschrei der Empörung in der Öffentlichkeit ausgeblieben.
"Und das zeigt, dass das Denkmal was da geplant war, was ja fertig konzipiert war – es war das Ende eines Ausschreibungsprozesses –, gar nicht die Unterstützung der Gesellschaft und der Bevölkerung hatte. Sondern einfach alle ganz glücklich waren, dass man das abgebrochen hat."
Thierse und Nooke widersprechen. Sie hätten viele enttäuschte Zuschriften bekommen, von Bürgern und auch von Bundestagsabgeordneten. Unterdessen will der Kulturausschuss des Bundestages das Thema doch noch einmal aufgreifen. Der Ausschuss-Vorsitzende Siegmund Ehrmann, SPD, bestätigte heute auf Nachfrage, das Denkmal wieder auf die Tagesordnung setzen zu wollen.
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