Sprache im Wandel

Wie sich das Englische ins Deutsche fräst

07:43 Minuten
Damentschirt - Preisschild auf einer Kleiderstange.
Mit der englischen Sprache ist es so eine Sache. Laut Meinungsforschungsinstitut Allensbach sagen offenbar 11,8 Millionen Deutsche von sich, sie würden sehr gut Englisch sprechen. © imago / Schöning
Peter Littger im Gespräch mit Ute Welty · 11.12.2021
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Handy, Public Viewing, Homeoffice: Deutsch wird zunehmend anglisiert. Nur verwenden wir diese Wörter anders als in ihrer englischen Bedeutung. Sprachkritiker und Autor Peter Littger hat kuriose Beispiele für die neue Hybridsprache parat.
Seit Beginn der Coronapandemie arbeiten sehr viele Deutsche im britischen Innenministerium. Wie das? Das von uns locker hingeworfene „Homeoffice“ verwenden die Briten tatsächlich nur, wenn sie von ihrem Innenministerium sprechen.
Die Umwidmung durch Einverleibung in den deutschen Wortschatz sorgt bei unseren britischen Nachbarn vermutlich für ebenso viel Amüsement wie unser beliebtes Public Viewing beim Fußball. Das nämlich heißt auf Englisch eigentlich „öffentliche Leichenschau“.

Fallstricke der Sprache

Mit der englischen Sprache ist es so eine Sache. Laut Meinungsforschungsinstitut Allensbach sagen offenbar 11,8 Millionen Deutsche von sich, sie würden sehr gut Englisch sprechen.
Auch der Journalist, Sprach- und Medienkritiker Peter Littger kann sich dazu zählen und für sich die Bezeichnung „Kenner der englischen Sprache“ in Anspruch nehmen. Unter anderen studierte er an der London School of Economics, spricht die Sprache „fluently“ und hat mehrere Bücher über die Fallstricke des Englischen geschrieben, über die Deutsche regelmäßig stolpern. Mit Corona kamen neue hinzu - siehe Homeoffice.

"Danke, dass Sie getrödelt haben"

Ein lustig-peinlicher Schnitzer ist selbst Littger mal passiert, als er vor englischsprachigem Publikum einen Vortrag hielt und sich mit den Worten bedankte: „Thank you for taking your time“ – was aber mitnichten heißt: „Danke, dass sie sich Zeit (für diesen Vortrag) genommen haben“, sondern vielmehr „Danke, dass Sie getrödelt haben“. Zum Glück, erinnert sich Littger, habe man ihn freundlich auf seinen Fehler aufmerksam gemacht.
Egal ob im Internet oder in den Parteiprogrammen von FDP und Grünen, die offenbar damit besonders eine urbane Wählerschaft ansprechen wollen: Anglizismen sind allgegenwärtig, vor allem die jüngere Generation hat sich mittlerweile eine Art Hybridsprache angewöhnt.

Das Englische fräst sich ins Deutsche

Englisch habe definitiv inzwischen eine Relevanz bekommen, die über „Urlaub und private Beziehungen hinausgehen“. Überall würden wichtige Entscheidungen auf Englisch getroffen.
"Unser Deutsch wird englischer, und zwar nicht nur durch Entlehnungen, die es zuhauf gibt und das schon seit 150 Jahren, sondern durch eine gewisse Logik des Englischen, dich sich langsam in das Deutsche hineinfräst."
Ein „schleichender Prozess“, der sich gut an „-ing“-Endungen wie „Timing“, „Policy Making“ oder „Consulting“ ablesen lasse. Oder auch an Wörtern wie „Followers“ oder „Friends“ im Zusammenhang mit Social Media.

Englisch ist nicht orthodox

Bei allen putzigen Fehlnutzungen englischer Begriffe gelte jedoch: „Englisch ist keine Sprache, die eine Orthodoxie oder einen Vatikan hat, der vorgibt, wie die Sprache zu sein hat“, betont der Sprachkritiker. Denn: „Englisch entsteht ständig neu und gehört allen. Alle nehmen teil an der Prägung des Englischen.“
Ein schönes Beispiel sei das Wort „Discounter“. Ein Begriff, „den Lidl und Aldi erfunden haben. Das ist eigentlich ein sehr denglisches Wort, das aber mittlerweile auch in den britischen und amerikanischen Wörterbüchern steht und verwendet werden kann.“
(mkn)

Peter Littger hat zahlreiche Bücher über die englische Sprache und ihre (falsche) Verwendung geschrieben. Sein jüngstes:

"'Hello in the round!': Der Trouble mit unserem Englisch und wie man ihn shootet"
C.H. Beck, 2021
256 Seiten, 12 Euro

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