Delfinmassaker auf den Färöer Inseln

Tradition gegen Tierwohl

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Getötete Delfine auf den Färöer Inseln, sie liegen in einer Reihe am Strand, im Hintergrund ein Boot und Menschen.
Jagd mit Tradition: Getötete Weißseitendelfine am 15. September in einer Bucht der Färöer Inseln. © Sea Sheperd
Sofie Donges im Gespräch mit Isabella Kolar · 14.10.2021
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Auf den zu Dänemark gehörenden Färöer Inseln sind 1400 Delfine in eine Bucht getrieben und getötet worden. Die Umweltschutzorganisation Sea Shepherd spricht vom größten Massaker an Meeressäugetieren, das je dokumentiert wurde. Hat das Konsequenzen?
Eine Vielfalt von Naturschauspielen und dramatische Landschaften - unter anderem damit machen die Färöer Inseln Werbung, um Touristen auf ihre 18 Inseln zu locken. Ein besonderes Schauspiel ereignete sich am 15. September im Skálafjørður. Das ist der mit etwa 14 Kilometern längste Fjord auf den Färöern, der die Insel Eysturoy tief von Süd nach Nordwest einschneidet.

"Das wirkt sehr brutal"

Unsere Skandinavien-Korrespondentin Sofie Donges berichtet im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur was an jenem Tag geschah:
"Eine Gruppe von Weißseitendelfinen wurden vor den Färöern gesichtet, die dann von Fischern oder Jägern in eine Bucht ins flache Wasser getrieben und dort mit einer Art Messer einzeln getötet wurden. Diese Szene wirkt sehr brutal, denn das Meer färbt sich durch das ganze Blut rot. Die Bilder davon sind um die Welt gegangen. Viele Menschen waren schockiert, vor allem natürlich auch Tierschutzorganisationen."
Ein im Nacken aufgeschlitzter Wal liegt tot am Strand.
Eigentlich sind die Delfine nur der "Beifang" der „Grindadrap“, Ein getöteter Grindwal auf den Färöer Inseln.© picture alliance / Hinrich Bäsemann
Diese traditionelle Jagd, die sogenannte "Grindadrap", sei nach den Grindwalen benannt. Sie seien es auch, die eigentlich gejagt würden. Die Weißseitendelfine seien meist nur eine Art Beifang, so Donges.

Eine ungewöhnlich hohe Anzahl an getöteten Tieren

Der Grund für die internationale Empörung nicht nur von Umweltschutz- und Tierschutzorganisationen sei die hohe Anzahl der getöteten Tiere gewesen.
Der Abgeordnete Sjúrður Skaale, der stellvertretend für die Färöer im Kopenhagener Parlament sitzt, habe gesagt: "Bei dieser Jagd ist etwas schief gegangen." Diese Bilder seien nur sehr schwer zu verteidigen. Damit seien die Aufnahmen von Mitte September gemeint, so die Korrespondentin, als 1400 Delfine im flachen Wasser zappelten und um ihr Überleben kämpften.

Das Töten dauert zu lange

Die Umstände der Tötung der Delfine stellt nicht nur der Abgeordnete Skaale infrage. "Die Zahl der Tiere war einfach viel zu groß für die wenigen anwesenden Jäger", sagt Sofie Donges. "Die haben zu lange gebraucht, die Tiere zu töten. Deshalb mussten sie auch lange leiden."
"Dass es dieses Mal wirklich außergewöhnlich viele Delfine waren, das zeigt auch ein Blick in die Statistik", erläutert die Korrespondentin. "In den vergangenen 20 Jahren wurden im Januar maximal 770 Delfine getötet. Das war schon eine große Menge. In den vergangenen zwei Jahren zum Beispiel waren es nur unter 50 Gramm Weißseitendelfine."
Die Tötung der Tiere erfolge mit einer Art Messer. Dabei würden Rückenmark und Halsschlagader durchtrennt, die Tiere stürben in kürzester Zeit. Doch Tierschützer stellten das infrage und berichteten, dass der Todeskampf im flachen Wasser viel zu lange dauere.
Ein Weißseitendelfin (Lagenorhynchus acutus) schwimmt im Ozean.
Hochintelligente Meeressäuger: ein Weißseitendelfin in freier Wildbahn© imago / Francois Gohier
Wenig beeindruckt von der internationalen Empörung zeigt sich der zuständige Fischereiminister der Färöer. Er habe gesagt, dass er die ganze Aufregung nicht verstehe. Die Jagd sei streng gesetzlich reguliert, nicht kommerziell und es sei auch gar nichts schiefgegangen.

Delfine sind schon eingefroren

Das Fleisch der Delfine werde nach abgeschlossener Jagd an die Jäger und dann auch an die Bewohnerinnen und Bewohner verteilt, so Donges. Damit rechtfertige der Fischereiminister grundsätzlich das Vorgehen.
Man würde gratis Fleisch auf den Tisch bekommen, was nicht importiert werden müsse. Traditionell sei die Küche auf den Färöern sehr fleisch- und auch fischhaltig.
"Früher galten die Grindwale als eine der wichtigsten Nahrungsquellen. Das hat sich inzwischen sicherlich verändert. Natürlich kann man dort inzwischen auch importiertes Schweinefleisch kaufen. Diese 1400 Delfine, die dort vor einem Monat an Land getrieben wurden, die seien eingefroren worden, hat uns wiederum der Abgeordnete Sjúrður Skaale gesagt. Ob die wirklich komplett gegessen werden, das können wir nicht überprüfen. Tierschützer zweifeln das bei dieser Menge an Tieren an."
Schafe auf den Färöer-Inseln in Dänemark.
80.000 Schafe auf 50.000 Einwohner - trotzdem reicht es nicht für die Ernährung aller Färöer.© imago / imagebroker
Angeblich sei sofort nach der Jagd ein Effekt beim Ernährungsverhalten der Färöer zu sehen, heißt es vor Ort. Die Nachfrage nach importierten Fleisch ginge zurück. Die nachhaltige Fleischversorgung sei zudem ein Pluspunkt der Jagd für die Befürworter des Wal- und Delfintötens.
Inzwischen mache allerdings auch die Meeresverschmutzung nicht halt vor den Grindwalen. Sie gelten als stark belastet mit Giftstoffen, sagt die Korrespondentin. Weshalb die Bevölkerung der Färöer auch angehalten worden sei, nicht mehr so viel Fleisch der Tiere zu essen.

Jagd mit uralter Tradition

Es ist nicht das erste Mal, dass eine solche Jagd auf den Färöern weltweit Schlagzeilen macht. Die Jäger hier blicken auf eine lange Tradition zurück erklärt Donges:
"Diese Jagd hat ihren Ursprung sogar schon in der Wikingerzeit. Erste Aufzeichnungen über die Menge der gejagten Tiere stammen von 1584. Und weil die Färöer sehr karge Inseln sind, war das Fleisch lange von enormer Bedeutung, um überleben zu können. Man ist sehr stolz auf diese sehr lange Aufzeichnung der Jagd. Darauf, dass man nachweisen kann, wie viele Tiere man getötet hat. Es handelt sich auch – das betonen die Färöer immer – um eine solidarische Jagd. Also mehrere Jäger verteilten das Fleisch möglichst gerecht, möglichst umsonst, so wie es immer schon gewesen ist."

Folgen für die Politik Dänemarks?

Die Regierung habe eine Pressemitteilung veröffentlicht und mitgeteilt, dass man noch mal über die Art und Weise der Jagd nachdenken wolle, sagt unsere Korrespondentin. Die Sorge vor einem Imageschaden sei immens gewesen. Allerdings offensichtlich nicht bei dem Fischereiminister. Der verteidige bis heute das Vorgehen.
Auch wenn man wegen der Kontamination des Fleisches schon darüber diskutiert habe, ob man den Konsum nicht ganz einstellen sollte, sagt Donges:
"Der Fischereiminister hat gerade noch mal ein Interview im schwedischen Fernsehen gegeben und das klang überhaupt nicht danach, dass sich etwas ändert. Er hat gesagt, man habe schon immer im Meer gejagt und er habe auch keine Angst vor Sanktionen durch andere Länder. Die Welt sei groß, man werde immer Handelspartner finden."
(ik)
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