Baerbocks Ukraine-Zitat

Zwischen Wählerwille und Vision

05:31 Minuten
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sitzt auf einem Podium.
In der Kritik: Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. © IMAGO / photothek /Janine Schmitz
Ursula Weidenfeld im Gespräch mit Nicole Dittmer · 03.09.2022
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Eine Äußerung der Außenministerin wird heftig diskutiert. Der Wählerwille sei ihr egal, heißt es. Die Journalistin Ursula Weidenfeld meint dagegen: Würden sich Politiker immer nur nach Wählern richten, „könnte man Meinungsumfragen regieren lassen“.
Annalena Baerbocks Auftritt auf einer Podiumsdiskussion in Prag sorgt weiter für Diskussionen. Auf Englisch hatte die Ministerin dort gesagt, dass sie den Ukrainern Unterstützung zugesagt habe und dass sie ihnen beistehen wolle, solange es nötig sei – unabhängig davon, was ihre deutschen Wähler darüber denken („no matter what my German voters think“). 
Inzwischen steht der Verdacht im Raum, dass ein Video des Auftritts von russlandnahen Quellen so zusammengeschnitten wurde, dass der kritisierte Satz nicht im vollständigen Kontext erscheint. Trotzdem herrscht weiter viel Empörung über die Worte der Außenministerin. Der Wählerwille sei ihr egal, sie stelle das Wohl der Ukraine über das Deutschen, lautet der Vorwurf.

Noch nicht die richtige Sprache gefunden

Die Wirtschaftsjournalistin Ursula Wiedenfeld blickt differenzierter auf die Einlassung der Ministerin. Zunächst sei zu beobachten, dass sie bei dem Auftritt "authentisch" spreche: "Sie sagt das, was sie sagen will." Baerbock rede im vorliegenden Fall nicht wie die Chefdiplomatin Deutschlands, sondern eher "so, wie sie sprechen würde, wenn sie noch Parteivorsitzende wäre".
Das sei wohl einer der Gründe, warum sich auch in Deutschland viele über ihre Worte aufgeregt hätten, so Weidenfeld. Der Auftritt zeige, dass Annalena Baerbock "weiter so sprechen will, wie sie immer schon gesprochen hat". Aufgrund ihres Amtes müsste sie sich eigentlich anders ausdrücken, weshalb sie wohl "irgendwie noch nicht die richtige Sprache gefunden hat".

"Wir hätten keine deutsche Einheit"

Die Ansicht, der Wählerwillen müsse für Baerbock doch oberste Priorität haben, möchte Weidenfeld allerdings nicht gelten lassen. "Der Wählerwille artikuliert sich ja in den Wahlen. Dann hat man eine Regierung hinterher, die tut Dinge, die der Wähler in dem Moment nicht wollte. Wenn sie es anders machen würde, könnte man einfach Meinungsumfragen regieren lassen."
"Wir hätten keinen Euro, wir hätten keine deutsche Einheit, wenn man sagen würde, wir wollen immer nur den Wählerwillen als Bestimmer der deutschen Politik haben", sagt die Wirtschaftsjournalistin. Man wäre so schnell "nur noch im Augenblick" und es würde unmöglich, "politische Vorstellungen oder auch Visionen irgendwann einmal zu Politik werden zu lassen".
(ckü)

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