David Enrich: "Dark Towers"

Wie die Deutsche Bank Trump groß machte

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Buchcover zu David Enrich: "Dark Towers. Die Deutsche Bank, Donald Trump und eine Spur der Verwüstung"
Seine Recherche zur Deutschen Bank und Donald Trump für "Dark Towers" machte Autor David Enrich fassungslos. © Redline Verlag
Von Andre Zantow · 24.10.2020
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US-Präsident Trump schuldet der Deutschen Bank mehr als 300 Millionen Dollar. Sie ist sein größter Kreditgeber, lieh im insgesamt 2,5 Milliarden. Beide verbindet die Lust an Risiken und krummen Geschäften, zeigt David Enrichs epische Erzählung.
1990 begleitet Donald Trump vor laufenden Kameras bei seiner Eröffnung des damals größten Casinos der Welt – dem Taj Mahal in Atlantic City – kein geringerer als Michael Jackson. Auf den Glamour-Faktor folgen einige Jahre später Pleiten. Trump braucht Geld – nur keiner will ihm etwas geben. Außer die Deutsche Bank. In deren Gewerbeimmobilien-Abteilung rief 1998 ein Immobilienhändler an und fragte: "Würden Sie Donald Trump einen Kredit geben?"
Trumps Image damals beschreibt David Enrich in seinem Buch so: "Trump war ein Casino-Magnat, bekannt für sein showmanhaftes Auftreten und gelegentliche Geschäfte mit Gestalten der Organisierten Kriminalität. Er war auch ein säumiger Schuldner, hatte Kredite platzen lassen. (…) Alteingesessene Banken schreckten vor dem zurück, was man an der Wall Street 'Donald Risiko' nannte."

Mitspielen bei den Großen der Wall Street

Genau dieses Risiko sucht die Deutschen Bank Ende der 90er-Jahre in den USA. Sie will mitspielen bei den Großen an der Wall Street. Aufholen – hohe Profite mit hohen Risiken erzielen – an der Börse und beim Geschäft mit Gewerbeimmobilien. So passen die Deutsche Bank und Donald Trump 1998 perfekt zusammen. Ein Kredit von 125 Millionen Dollar für die Renovierung der alten Wall Street Nr. 40 in New York markiert den Startpunkt der absonderlichen Beziehung, die David Enrich in "Dark Towers" entblättert.
Mit viel Anlauf beschreibt der Finanz-Redakteur der New York Times erst die 150-jährige Geschichte der Deutschen Bank – inklusive Holocaust-Finanzierung – bis zu einer weitreichenden Entscheidung: "Im Juni 1994 versammelten sich die Deutsche-Bank-Vorstände in Madrid (…) Hilmar Kopper erklärte, der schwache Stand der Bank sei nicht nur peinlich für die Deutsche Bank, sondern auch für Deutschland. (…) Es sei an der Zeit, ernst zu machen mit dem Investmentbanking. Die Deutsche Bank musste eine Topkraft einstellen – einen charismatischen Regenmacher, der die Bank ins gelobte Land führen konnte."
Und diese sogenannten Regenmacher für das Investmentbanking kamen: Edson Mitchel, Anshu Jain, Josef Ackerman und viele mehr. Biografie für Biografie erzählt David Enrich, wer von Merrill Lynch, Goldman Sachs und Co. zur Deutschen Bank wechselte. Und welche Firmen-Kultur sie lebten. Es liest sich teilweise wie der Wilde Westen, was in dieser Bank möglich war – ein fast unreguliertes System der Gier, des Drucks, plus interne Kämpfe und Chaos.

Trump verklagt aus Geldnot die Deutsche Bank

Fassungslos war David Enrich oft bei der Recherche. Besonders über eine Episode, als Donald Trump einen Kredit der Deutschen Bank mit einem Kredit der Deutschen Bank zurückzahlte: "Niemand hat jemals etwas Vergleichbares gesehen. Sogar die Leute in der Bank haben mir instinktiv gesagt, das sei nie passiert. So läuft das doch nicht. Aber so lief es. Und das ist so unglaublich und ungewöhnlich, dass niemand das für möglich gehalten hätte."
Was war passiert? Trump hatte 2008 dank eines 640-Million-Dollar-Kredits der Deutschen Bank in Chicago ein Luxushotel bauen lassen. Aber er konnte das Geld nicht vollständig zurückzahlen. Stattdessen verklagte er die Deutsche Bank, sie sei mitschuld an der hereinbrechenden Finanzkrise und forderte drei Milliarden Dollar Schadensersatz. Einige Prozesse später konnte Trump immer noch nicht zahlen. Deshalb stellte ihm Schwiegersohn Jared Kushner dessen Privat-Kunden-Bankerin bei der Deutschen Bank vor: Rosemary Vrablic. Sie gewährte Trump 2011 den rettenden Kredit.
"Das ist eines der klarsten Beispiele einer Bank, die so dysfunktional ist, so sorglos in ihrem Risiko-Management, so sorglos in der Bewertung der Kunden-Reputation, dass sie es einem Typen erlaubt, der wiederholt Kredite nicht zurückgezahlt hat, die Bank öffentlich blamiert hat – diesem Typen Millionen Dollar von einem Bereich der Bank zu geben, um den anderen Teil der Bank zu bezahlen, das ist wirklich irre."

Trumps Verbindungen nach Russland bleiben unklar

Im Buch ist David Enrich selten so emotional wie in diesem Interview mit dem Podcast "Trump, Inc". Der Finanz-Journalist lässt Fakten sprechen. Listet Namen, Transaktionen, Zahlen auf. Nach jeder Seite taucht man tiefer ein in den US-Kosmos der Deutschen Bank.
200 Interviews habe er geführt, mit Bank-Angestellten, Familien, Freunden, dazu persönliche Briefe ausgewertet, E-Mails, Fotos. Zusammen mit hunderten Buch-Verweisen ergibt das eine fast epische Erzählung über die Deutsche Bank – mit dem Peak 2007 – als sie unter Josef Ackermann zum größten Geldhaus der Welt aufstieg. Auch mit solchen Meetings: "Das Event fand im Hotel ‚Arts‘ in Barcelona statt. (…) An einem Abend traten die Rolling Stones auf. Anshu Jain gab widerwillig seine Zustimmung, dass die Bank ihnen vier Millionen Dollar zahlte. Er war kein großer Stones-Fan und hätte die Dire Straits bevorzugt. Die Menge bestand nahezu ausschließlich aus ein paar hundert Männern, die unbeholfen mit den Füßen tappten und mit dem Kopf wippten."
So detailreich Enrichs Beschreibungen und Szenen sind, bleiben doch viele blinde Flecken. Insbesondere, was Trumps Verbindungen zu russischen Oligarchen und Geldwäsche betrifft. Hatte Trump Schulden beim Kreml? Hat die Deutsche Bank in irgendeiner Form als finanzieller Mittelsmann zwischen Russland und Trump gedient? Hier kann Enrichs Buch nur erste Hinweise liefern.
Eindeutig ist aber nach der Lektüre: Warum die Deutsche Bank mit insgesamt 2,5 Milliarden Dollar zum größten Kreditgeber des US-Präsidenten wurde und warum Trump noch immer mehr als 300 Millionen Dollar Schulden bei der Bank hat. Eine toxische Beziehung, die nicht nur US-Wähler interessieren sollte.

David Enrich: "Dark Towers. Die Deutsche Bank, Donald Trump und eine Spur der Verwüstung"
Redline Verlag, München 2020
384 Seiten, 24,99 Euro

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